Mankells erstes Buch erscheint
Sein Debüt von 1973: ein Arbeiterroman
„Nein, ich könnte nicht sagen, welches meiner Bücher ich am meisten mag. Höchstens ein Drittel meiner Arbeit sind Krimis, und es ist schön, dass sie für die anderen Bücher eine Art Lokomotive geworden sind“, hatte der schwedische Erfolgsautor Henning Mankell kurz vor seinem Tod erklärt. Nun führt diese Lokomotive in die Vergangenheit – zu Mankells erstem, 1973 in Schweden erschienenen Roman „Der Sprengmeister“.
Weltweit sind über 40 Millionen Mankell-Bücher verkauft worden, der Großteil davon die Erfolgsromane um den kauzigen Kommissar Wallander. Neben Krimis und qualitativ unterschiedlichen erzählerischen Ausflügen nach Afrika pflegte Mankell ein drittes literarisches Standbein – den psychologisch ambitionierten „Gesellschaftsthriller“.
Sein Debüt „Der Sprengmeister“fügt sich in keines dieser Segmente, denn Mankell hat einen klassischen Arbeiterroman vorgelegt, der Erinnerungen an die Romane von Max von der Grün aufkommen lässt. Wie in dessen „Männer in zweifacher Nacht“(1962) dreht sich in Mankells Erstling alles um einen verheerenden Arbeitsunfall. Der Sprengmeister Oskar Johansson hat als junger Mann eine schwere Detonation beim Tunnelbau überlebt. Soll er sich glücklich schätzen, dass er mit schweren körperlichen Schäden (er verlor einen Arm und ein Auge) die Katastrophe überlebt hat?
Nichts ist wie vorher, das Unglück hat ihn ungebremst an den Rand der Gesellschaft katapultiert. Seine Freundin Elly trennt sich von ihm; er heiratet später deren Schwester Elvira, die er auf einer Demonstration kennengelernt hat, und bringt sich mit aller Kraft aktiv in der Arbeiterbewegung ein. Er kehrt sogar in seinen Beruf zurück, hält sich, seine Frau und die drei Kinder mehr schlecht als recht über Wasser. Nach dem Tod seiner Frau und dem Abriss des Wohnviertels, in dem er lebt, zieht er sich zurück in ein altes Saunahaus auf einer Schäreninsel.
Wenn Johansson in einer Mischung aus Naivität und missionarischem Eifer über die „Revolution von unten“grübelt, entgleitet die Kapitalismuskritik in die seichten Sphären einer sozialromantischen Posse und liest sich wie ein lang anhaltender, verzweifelter (und ungehörter) Schrei nach Gerechtigkeit.
Es ist wohl alles andere als Zufall, dass Mankell auch den Arzt Frederik Welin in seinem letzten Roman „Die schwedischen Gummistiefel“auf einer Schäreninsel enden ließ. Dazwischen liegen viele Bücher, die alle eine gehörige Portion Gesellschaftskritik verbindet. Im „Sprengmeister“hat sich Mankell, der „Anwalt der Schwachen“, noch der Holzhammermethode bedient: „Arbeiter ist man immer geblieben. Es hat sich schon viel verändert, nur nicht für uns.“Man wird weder mit der Oskar-Figur noch mit dem Buch richtig warm – wegen zu viel Schwarz-Weiß-Malerei.
» Henning Mankell: Der Sprengmeis ter. Aus dem Schwedischen von Verena Reichel und Annika Ernst. Zsolnay Verlag, 189 Seiten, 21 Euro.