Als Allah den Christengott ablöste
Das war das Ende. Die herrliche Stadt am Bosporus, christliche Metropole in gefährdeter Randlage, war nicht mehr zu halten. Der elfte Konstantin, letzter christlicher Herrscher, starb bei der Verteidigung der Stadt, die sich nach seinem großen Vorfahren und Namensvetter Konstantinopel nannte. Schah Mehmet sah die Sache so: Endlich geschafft! Der „Goldene Apfel“, wie er die Metropole an der Grenze zwischen Europa und Asien nannte, gehörte ihm. Wären da nicht die robusten Stadtmauern gewesen, die bedeutende Kulturstadt wäre schon früher erobert worden. Immer wieder waren Osmanen gegen den christlichen Grenzposten angerannt. Schah Mehmet gelang es dank einer neuen Belagerungstechnik, der die dicksten Mauern nicht standhielten, So brachte das Jahr 1453 eine Zeitenwende, die bis heute nachwirkt.
Tausend Jahre zuvor hatte sich das römische Reich in West und Ost gespalten. Bald darauf gab Westrom ganz seinen Geist auf. Damit begann die lange byzantinische Geschichte als Alleinerbe Roms. Konstantinopel war nun die tausend Kilometer nach Osten verschobene Hauptstadt des Restreiches. Immerhin: Dieser große Rest reichte damals noch vom Balkan über Griechenland, Kleinasien, entlang der Levante bis nach Ägypten. Aber die Lage wurde immer prekärer. Und von einer Gemeinsamkeit der Christen konnte kaum die Rede sein. Westlich römische und östlich orthodoxe Christen stritten sich untereinander fast so heftig wie mit dem offiziellen Feind, den Moslems.
Die moslemischen Osmanen entwickelten sich zu immer stärkeren Nachbarn. Sie rückten von Osten her vor, schnürten Konstantinopel ein und verwandelten ganz Byzanz und noch ein bisschen mehr in ein osmanisches Großreich. Konstantinopel wurde in Istanbul umgetauft. Schah Mehmet verordnete der herrlichen Hagia Sofia, der Kirche mit dem größten Kuppeldach ihrer Zeit, einen Religionswechsel. Allah löste den Christengott ab. Seit über 500 Jahren ist die Hagia Sofia, das Wahrzeichen dieser prächtigen Stadt, als Moschee ein Ort moslemischer Frömmigkeit. Auch dem Osmanischen Großreich war kein ewiges Leben vergönnt. Es schrumpfte wie einst Byzanz. Die heutige Türkei ist als harter Kern übrig. Aber vom alten Reichsstolz ist bei vielen Türken, nicht zuletzt bei ihrem Präsidenten, noch einiges zu spüren.