Fromme Taten
Nach Söders Besuch am Wallfahrtsort Maria Vesperbild beschließt das Kabinett mehrere Maßnahmen, die das Leben behinderter Menschen verbessern sollen. Es gibt aber auch Kritik
Maria Vesperbild Andächtig, die Hände zum stillen Gebet gefaltet, den Blick nach oben gewandt, steht Markus Söder allein vor dem Altar des schwäbischen Marienwallfahrtsortes Maria Vesperbild, während sich die Gläubigen auf die Bankreihen dahinter verteilen. „Wir sind Ihnen dankbar, dass Sie als Wallfahrer hierhergekommen sind“, begrüßt Wallfahrtsdirektor Erwin Reichart den Ministerpräsidenten, obgleich der Einzug Söders eher dem eines Fürsten als dem eines Pilgers glich. Menschen mit weißblauen Fähnchen säumten den Weg von der Wallfahrtsdirektion zur Kirche, den Söder in einer kleinen Prozession hinter den Geistlichen und den Ministranten beschritt. Über die Tatsache, dass Söder mit der Marienverehrung, wie sie in Maria Vesperbild betrieben wird, als Protestant im Grunde wenig am Hut haben dürfte, sieht Reichart geflissentlich hinweg. Er betrachtet die Angelegenheit globaler. „Ein Staat ohne Religion geht zugrunde“, zitiert er den Jesuiten Rupert Mayer und dankt Söder, dass er „das Kreuz als Symbol unserer christlichabendländischen Kultur“herausgestellt habe.
Die Bedeutung der Symbole scheint Söder durchaus bewusst. Er betet das Vaterunser mit offenen Händen und singt danach die Bayernhymne lauthals mit. Niemand soll seinen Glauben infrage stellen, das wird auch beim Bürgerempfang wenige Stunden später in Ursberg klar. „Mir selber gibt der Glaube Kraft“, betont Söder da. Das wichtigste Signal des christlichen Glaubens sei, dass jeder Mensch als Mensch wertvoll sei, egal wie viel Geld er auf dem Konto hat, ob er gesund, krank oder behindert sei. Vor allem um Letztere ging es bei der Kabinettssitzung im schwäbischen Ursberg. Hier befindet sich mit dem Dominikus-Ringeisen-Werk der Stammsitz einer der größten Einrichtungen für Menschen mit Behinderung in Süddeutschland. Bewusst wurde der Ort ausgewählt, um wegweisende Entscheidungen zu treffen, die das Leben für Menschen mit Behinderung vereinfachen sollen. „Ein starkes Land darf die Schwächeren nicht vergessen“, erklärt Söder nach der Sitzung.
Deshalb hat das Kabinett ein Sonderinvestitionsprogramm aufgelegt, mit dem kleine, flexible Wohneinheiten und -gruppen gefördert werden sollen, in denen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam wohnen. Insgesamt 400 Millionen Euro stellt der Freistaat den Ein- richtungsträgern in den kommenden 20 Jahren für die sogenannte Konversion von großen Heimen hin zu kleinen dezentralen Wohnformen zur Verfügung. Die Details sollen durch das Sozialministerium erarbeitet werden und bis Mitte des kommenden Jahres vorliegen. Ob die Mittel ausreichend sind, muss sich aus Sicht des Ringeisen-Werks noch erweisen. Allein hier werden in den kommenden Jahren rund 100 Millionen Euro benötigt, um die bestehenden Wohnungen so zu modernisieren, dass sie den gesetzlich vorgeschriebenen Standards entsprechen, wie Schwester Katharina Wildenauer, Generaloberin der Ursberger St. Josefskongregation und Stiftungsratsvorsitzende des Ringeisen-Werks, erläutert. Für die Vertreter der Einrichtung stellt sich daher die Frage, wie und unter welchen Bedingungen die Fördermittel verteilt werden sollen.
Ein weiterer Meilenstein soll der Abbau von Barrieren für Menschen mit Behinderung sein. Sozialministerin Kerstin Schreyer betonte, wie wichtig ihr es sei, Menschen mit Behinderung zuallererst als Menschen wahrzunehmen und die Barrieren in den Köpfen abzubauen. Daneben trügen aber auch ganz konkrete Maßnahmen wie die Fortführung des Programms „Bayern barrierefrei“dazu bei, Menschen mit Behinderung die Teilnahme am öffentlichen Leben zu erleichtern. Seit 2015 wurden bereits rund 490 Millionen Euro im Rahmen dieses Programms investiert.
Ein ähnlicher Finanzrahmen soll auch für die kommenden Jahre zur Verfügung stehen, um etwa den Anteil barrierefreier Linienbusse und die Ein- und Ausstiege an den Bahnhöfen und Haltestellen zu erhöhen. Zudem sollen sämtliche OnlineVerfahren des Freistaats zeitnah barrierefrei verfügbar sein.
Verbessert werden soll auch die Inklusion behinderter Menschen am Arbeitsmarkt. Dabei soll der Freistaat nach dem Willen der Staatsregierung mit gutem Beispiel vorangehen. Sieben Prozent der Mitarbeiter im Freistaat sollen künftig Menschen mit Behinderung sein. Um auch im allgemeinen Arbeitsmarkt die Inklusion zu fördern, soll ein runder Tisch mit den Arbeitgeberverbänden eingerichtet werden, um ihnen „klarzumachen, welche Ressourcen hier brachliegen“, erklärt Sozialministerin Schreyer. Rund 90 Millionen Euro sind im kommenden Jahr für gezielte Inklusionsmaßnahmen vorgesehen. Flankiert werden sollen sie durch eine Info- und Aufklärungskampagne.
Die Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion für Menschen mit Behinderungen, Ilona Deckwerth, bezeichnete den Beschluss der Staatsregierung als durchschaubares Wahlkampfmanöver. „Kurz vor der
Arbeitgebern soll klar werden, welche Ressourcen brachliegen
Für die SPD ist es ein durchschaubares Wahlkampfmanöver
Landtagswahl versucht die Staatsregierung einmal mehr, mit Investitionen in Bereichen zu punkten, die sie bisher sträflich vernachlässigt hatte“, erklärte Deckwerth. „Fünf Jahre hatte diese Regierung Zeit, die Inklusion von Menschen mit Behinderung voranzubringen.“Geschehen sei viel zu wenig und in manchen Bereichen gar nichts.