Eine Reporter Legende wird 90
Gerd Ruge hat als Auslandskorrespondent unseren Blick auf Russland, China und die USA geprägt. Auch heute noch wirbt er für einen unabhängigen Journalismus
München Gerd Ruge gilt vielen als Prototyp des Auslandskorrespondenten: Bestens informiert, mitten im Geschehen, im engen Kontakt mit den Mächtigen der Welt, ein Mann, dem Außenpolitik durch die Adern zu fließen scheint. Der gebürtige Hamburger traf etwa Chruschtschow, Adenauer und Gorbatschow. Es gibt wohl nur wenige bedeutende Staatsmänner des 20. Jahrhunderts, die Ruge nicht persönlich interviewt hat. Da gab es auch weniger angenehme Gespräche, wie er vor einigen Jahren verriet. Abgeschreckt hat ihn das aber nicht. „Mir war es einfach zu wichtig, mir selbst eine Meinung zu bilden. Umso besser kann man dann die Weltlage beurteilen“, sagt Ruge. Er wird heute 90 Jahre alt.
Über viele Jahrzehnte ist der Reporter durch die Welt gereist, berichtete als
in Washington über die Kuba-Krise und aus Moskau über den Putsch-Versuch gegen den damaligen Staatspräsidenten der Sowjetunion, Michail im Jahr 1991. Dabei Ruhe zu bewahren, sorgfältig zu recherchieren, Informationen zu überprüfen – das zeichnete den Auslandsreporter aus. Es sind Qualitäten, die aus Ruges Sicht heute bedeutsamer sind denn je. „In dieser Periode weltpolitischer Krisen, die von Umbrüchen und Unsicherheit geprägt ist, erscheint mir die Rolle einer unabhängigen journalistischen Berichterstattung als besonders wichtig“, sagte Ruge kurz vor seinem 90. Geburtstag. Dabei betonte er besonders die Möglichkeiten, die ihm die öffentlich-rechtlichen Medien eröffnet hätten.
Als jugendlicher Soldat, noch keine 18 Jahre alt, hatte Ruge die Endphase des Zweiten Weltkriegs miterlebt. Schnell war ihm nach dem Krieg klar, dass er Journalist werden wollte. 1949 begann er seine Laufbahn beim damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk NWDR, wo Rundfunkreportagen aus dem Ausland zum Schwerpunkt seiner Tätigkeit wurden. Unter anderem berichtete er ab 1950 als erster westdeutscher Journalist nach dem Zweiten Weltkrieg aus Jugoslawien.
Ruge war von 1956 bis 1959 der erste Korrespondent der in Moskau und von 1964 bis 1969 Kor- respondent in den Vereinigten Staaten. 1970 übernahm er die Leitung des in Bonn, in den Jahren 1973 bis 1976 berichtete er für aus Peking.
Nach weiteren verschiedenen Funktionen beim und der
darunter von 1987 bis 1993 als Leiter des in MosGorbatschow, kau, ging Ruge am 1. September 1993 in den Ruhestand. Doch danach legte er keineswegs die Füße hoch – sondern lehrte etwa als Professor für Fernsehjournalismus an der Hochschule für Fernsehen und Film in München und begeisterte Millionen Zuschauer mit seinen Fernsehreportagen (etwa in „Gerd Ruge unterwegs“), die er als freier Journalist machte. Außerdem schrieb er mehrere Bücher. Heute lebt Ruge in München. Um das Fernsehpublikum noch einmal an seinen Reisen teilhaben zu lassen, sendet der heute Nacht Reportagen und Dokumentationen des Journalisten – vom späten Donnerstagabend bis in den frühen Morgen des Freitags.