Fünf Freunde für Luggi
Warum ein Jazzkonzert zur Hommage an den früheren Wirt der Blauen Traube wurde
Neuburg Ein knappes Dutzend Dozenten für Klassik und Jazz fallen jedes Jahr in die barocke Altstadt ein und bringen mit ihren Schülern Leben in die Bude, also in die gute Stube Neuburgs, wo sonst im August nicht unbedingt der Bär steppt. Und wer bringt, besser brachte, über all die Jahre die Protagonisten von Klassik und Jazz buchstäblich an einen Tisch? Der frühere Wirt der Blauen Traube, den man in Neuburg und weit herum nur als Luggi kennt.
Dabei ist es nicht so einfach, Jazzer und Klassiker wirklich miteinander ins Gespräch zu bringen. Streiten sie sich doch zu gerne immer mal wieder darum, ob die eine Seite oder die andere den Anspruch auf die Krone der Musik mit größerem Recht erheben kann. Eigentlich eine müßige Debatte, aber am Stammtisch der Traube oder draußen auf den Bänken am Karlsplatz wurde sie – unter bescheidener Mithilfe eben dieses Luggi – bald in pures musikalisches Wohlgefallen aufgelöst.
Grund genug, der Neuburger Wirt-Institution zur diesjährigen Sommerakademie beim Konzert der Jazz-Dozenten ein eigenes Stück zu widmen. Der Titel: „Late night Luggi“. Was Guido May (Schlagzeug), Wolfgang Mayer (Klavier), Hugo Read (Saxofon), Sven Faller (Bass) und die Sängerin Esther Kaiser daraus machten, war typisch für den ganzen Jazz-Abend: musikalische Tiefe, ausgewogener Sound, ausgeprägtes Feeling und eine unaufdringliche, lockere Art des Improvisierens, gegründet auf individuellem Können. Eine so liebevolle Widmung ist ein Geschenk, das nicht vielen gegeben wird.
Reichtum an musikalischen Farben, eher Understatement im Ausdruck als der Versuch, sich auch mal einem Solo in den Vordergrund zu drängen, sich selbst und den anderen genau zuhören – das sind die Qualitäten dieses Jazz-Quintetts, das sich vor der Sommerakademie zum Teil gar nicht persönlich kannte und in dieser Besetzung noch nie zusammen aufgetreten war. Wilde, technisch fordernde Passagen etwa am Saxofon oder auf dem Klavier kommen klar und in sauberer Artikulation, das Schlagzeug setzt gepflegte, kurze Geistesblitze und platzt nirgendwo grob hinein, der Bassist tritt in seinen gezupften wie bei den gestrichenen Soli als Meister seines Instruments in Erscheinung.
Die Sängerin Esther Kaiser fügt diesem feinen musikalischen Konstrukt eine edle Note hinzu. Ihre Stimme mit der angenehmen, leicht dunklen Einfärbung glänzt über alle Facetten hinweg, von den fast hingehauchten lyrischen Tönen bis hin zu hochemotionalen Liedern des Soul und Blues.
Die Eigenkomposition „Blue“von Hugo Read geht mit diesen Qualitäten direkt ins Herz der Zuhörer. Und das Stück „Songs of Pain and Glory“wird zu einem Höhepunkt des Abends. Das Stück setzt die widersprüchliche Gefühlswelt vieler Musiker – vom berauschenbei den Triumph bis hin zu Selbstzweifeln und dem Gefühl, eigentlich nichts wirklich zu können – in Töne um, die alle Empfindungen unmittelbar spüren lassen.
Und als Abschluss das lockere, von depressiven Anwandlungen freie Loblied der fünf Jazzer auf ihren Luggi. Und auch auf das Flair der Neuburger Altstadt, die im August auf die schönste Weise auflebt, durch die Jazzer, die Klassiker, die Liebhaber der Alten Musik, die bildenden Künstler, die Trommelkurse der Kinder und vor allem die Begeisterungsfähigkeit der Nachwuchsmusiker aus aller Welt.