Neuburger Rundschau

Verwirrung um blühende Bäume

Die Natur spielt verrückt: Im Garten von Familie Benz aus Neuburg hat ein Apfelbaum vor ein paar Tagen erneut zu blühen begonnen – mitten im Hochsommer. Experten sagen, schuld sei die Hitze. Was dahinter steckt

- VON MARCEL ROTHER

Neuburg Annemarie Benz staunte nicht schlecht, als sie am vergangene­n Samstag in ihrem Garten nach dem Rechten sah. Eigentlich wollte sie sich um ihre kleine Sammlung verschiede­ner Hauswurzso­rten kümmern, die in Kübeln und Schalen das Holzhaus im Garten schmücken, als ihr Blick auf den Apfelbaum in der Gartenmitt­e fiel. Was ist das? Blüten mitten im Hochsommer? Verdutzt lief sie zu ihrem Mann ins Haus und teilte die Entdeckung mit ihm.

„Ich bin sofort raus und habe mir das angesehen“, erzählt Werner Benz. Und tatsächlic­h: Der Baum trägt Blüten – nicht nur an einer, sondern gleich an mehreren Stellen. So etwas habe er bislang noch nicht erlebt, sagt Benz. Seit sechs Jahren hätten sie ihren Apfelbaum, seit zwei Jahren würde er Früchte tragen, doch ein zweites Mal blühen, das sei schon sehr ungewöhnli­ch für diese Jahreszeit. Es handele sich auch nicht um irgendeine moderne Kreuzung, die auf mehrmalige­s Blühen hingezücht­et worden sei oder Ähnliches, sagt Annemarie Benz: „Es sind ganz normale Äpfel der traditione­llen Sorte Jakob Fischer.“

Eigentlich hatten sie und ihr Ehemann darum mit der Apfelsaiso­n bereits abgeschlos­sen. Nachdem der Baum wie gewöhnlich im Frühjahr geblüht und dann Früchte gebildet hatte, holten sie vor Kurzem die letzten Äpfel vom Baum, einige hat er auch selber abgeworfen. Das Phänomen einer zweiten Blüte kann sich Werner Benz nur so erklären: „Der lang anhaltende Sommer mit seinen hohen Temperatur­en hat den Baum vielleicht durcheinan­dergebrach­t.“Und ihn und seine Frau als Besitzer gleich mit. Als sie im Bekanntenk­reis von ihrem blühfreudi­gen Gartenbewo­hner erzählten, erinnerte sich ein Gartenbesi­tzer an einen Fall vor vielen Jahren, in dem sein Apfelbaum ebenfalls zu einer zweiten Blüte ansetzte – auch damals war der Sommer lang und heiß.

Ist das der Grund für eine zweite Blüte? Ja, bestätigt Katrin Pilz, Kreisfachb­eraterin für Gartenkult­ur und Landespfle­ge am Landratsam­t „Es kann durchaus sein, dass ein Obstbaum in Stresszeit­en mehrfach blüht – auch wenn das Phänomen normalerwe­ise mehr bei Sträuchern zu beobachten ist.“Oft setze die Blüte nach einem „klimabedin­gten Notabwurf“, wie es im Fachjargon heißt, erneut ein. Dabei wirft ein Strauch oder Baum aufgrund anhaltende­r Hitze und Trockenhei­t seine Blätter ab und konzentrie­rt seine gesamte Kraft auf die Knospen.

Seine Blätter hat der Baum der Familie Benz nicht verloren. „So viel Wasser wie der, bekommt kein anderer Baum“, sagt Annemarie Benz. Bei Hitze wird er jeden Tag gegossen, entweder vormittags oder abends, das bekomme ihm am besten, sagt Werner Benz. Schließlic­h soll aus dem noch recht jungen Nachwuchsb­aum eines Tages ein stattliche­r Obstbringe­r werden. Gießen sei wichtig, bestätigt Expertin Pilz – das nehme den Pflanzen einen Teil des Trockenstr­esses. Gleichwohl würden sie immer noch unter der Hitze leiden. „Davor kann sie niemand schützen und auch das bedeutet Stress für sie.“

Viele Pflanzen – und auch viele Bäume in privaten Gärten – würden darauf mit einer Art Ruhepause reaNeuburg-Schrobenha­usen. gieren, vergleichb­ar mit der im Winter. „Hält die Hitze ungewöhnli­ch lange an – so wie in diesem Sommer – gerät der Biorhythmu­s der Pflanzen durcheinan­der und sie denken irgendwann, es sei schon wieder Frühling“, erklärt Pilz. „Die Natur spielt verrückt.“Mit der Folge, dass die Knospen für das kommende Jahr, die bereits im Juli fertig angelegt waren, bereits jetzt zu blühen beginnen.

Familie Benz hätte nichts dagegen, würde sie ihr junges Bäumchen ein zweites Mal in diesem Jahr mit Äpfeln beschenken. „Das wäre was“, sagt Werner Benz. Diese Hoffnung muss die Expertin hingegen zerstreuen: „Dafür ist die Vegetation­sphase viel zu kurz“, sagt sie. Im Gegenteil: Da die Knospen, die heuer schon blühen, für das kommende Jahr „verbraucht“wären, müssten alle Gärtner in 2019 mit weniger Ertrag rechnen. Generell gebe es nach einem Sommer wie diesem – mit im Schnitt sehr hohen Erträgen – im darauffolg­enden Jahr weniger Früchte: „Die Bäume sind ausgepower­t und müssen sich erholen.“Familie Benz kann es verkraften: Sie gönnt ihrem noch jungen Baum die Erholung – nach all dem Stress.

 ?? Foto: Werner Benz ?? Mit einem ungläubige­n Blick begutachte­t Annemarie Benz aus Neuburg ihren Apfelbaum im Garten. Eigentlich hatte sie die Apfelsaiso­n bereits abgehackt, der Baum hatte im Frühjahr geblüht, anschließe­nd Früchte ausgebilde­t und vor kurzem konnte geerntet werden. Jetzt blüht der Baum von Neuem.
Foto: Werner Benz Mit einem ungläubige­n Blick begutachte­t Annemarie Benz aus Neuburg ihren Apfelbaum im Garten. Eigentlich hatte sie die Apfelsaiso­n bereits abgehackt, der Baum hatte im Frühjahr geblüht, anschließe­nd Früchte ausgebilde­t und vor kurzem konnte geerntet werden. Jetzt blüht der Baum von Neuem.

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