Eine Revolution in den Unternehmen
Industrie 4.0 hat nicht nur mit der Großindustrie zu tun. Diese Entwicklung hält immer mehr auch auf Baustellen und beim Handwerk Einzug
Schrobenhausen/Rennertshofen Die Erfindung der Dampfmaschine veränderte nachhaltig die Wirtschaft. Der nächste große Wandel war der Elektrizität zu verdanken. Dann kamen die Computer. Und nun findet gerade die vierte industrielle Revolution statt. Industrie 4.0 heißt, Maschinen unterhalten sich. Regale melden, wann sie leer werden. Das Internet der Dinge fördert Datenströme ungeahnten Ausmaßes. Und mit der richtigen Software lassen sich diese Datenmengen auch noch auswerten. Wissen ist Effizienz. Deshalb wollen Wirtschaftsunternehmen möglichst viel wissen. Über die Rohstoffströme, über die Funktion ihrer Produkte und, und, und.
Wer an Computer und digitale Datenaufarbeitung denkt, der denkt vor allem an große Unternehmen. An die Produktion von Automobilen beispielsweise. Die Digitalisierung aber hat inzwischen in fast allen Wirtschaftsbereichen Einzug gehalten. Die vierte industrielle Revolution, die Digitalisierung der Arbeitswelt, hat inzwischen in allen Branchen, auch im Handwerk, Fuß gefasst. Zwei Beispiele sollen das verdeutlichen.
Bevor ein Spezialtiefbaugerät der Bauer AG aus Schrobenhausen auf einer Baustelle mit seiner Bohrtätigkeit beginnt, ist viel passiert. Lange vor dem ersten realen Bohrloch hat das Schrobenhausener Unternehmen bereits alle Arbeiten in der virtuellen Welt getestet. Die Baustelle gibt es bereits in dieser Parallelwelt. Wie weit die digitale Welt inzwischen in die reale hineinreicht, erklärte Florian Bauer, der sich bei der Bauer AG des Themas Digitalisierung und Industrie 4.0 annimmt. Bereits beim Einrichten einer Baustelle greift das Unternehmen, wenn möglich zusammen mit den anderen Gewerken und Partnerunternehmen, auf Daten zurück, anhand derer der Materialfluss, die Reihenfolge der Arbeiten und auch die örtliche und zeitliche Verzahnung der verschiedenen Aufgaben getestet werden können. So kommen die Bautrupps bestens vorbereitet auf die Baustelle. Vor dem ersten Spatenstich ist das Projekt im Computer bereits vollendet.
Zudem arbeitet die Bauer AG häufig auf unbekanntem Terrain. Wie der Untergrund wirklich aussieht, das wissen die Fachleute erst, wenn das Bohrgerät seine Arbeit aufgenommen hat. Die Maschinen zeichnen inzwischen viele Daten auf. Das ergibt einen wahren Erfahrungsschatz an Daten, der Gold wert ist. Diese Daten müssen besonders geschützt werden. Ein eigenes Rechenzentrum und ausgeklügelte Backup- und Sicherungssoftware schützt den Datenschatz.
Die Bauer AG ist auch ein weltweit agierender Baumaschinenhersteller, der seine Tiefbau-Geräte in die ganze Welt exportiert. In der Produktion dieser Baumaschinen und später bei der Wartung spielt die Digitalisierung bereits eine große Rolle. Der Kunde, der die Maschine einsetzt, kann auf einen umfassenden Service zurückgreifen, der schnell funktioniert, weil die Baumaschinen direkt mit dem Hersteller kommunizieren können.
Die Herausforderung besteht, so Florian Bauer, aber nicht nur in der technischen Einführung der Digitalisierung und den dafür nötigen Ressourcen, sondern auch darin, die Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen. Bauer bildet seine Fachleute selbst aus und versucht die Kompetenz im eigenen Haus zu halten. Wenn es um die Digitalisierung in Baumaschinen geht, liefert eh das Schrobenhausener Unternehmen die Expertise.
Vom internationalen Tiefbau zurück in den Landkreis und hinein in die Backstube von Bäcker Heckl in Rennertshofen. Dort werden nicht nur die Zutaten für die Teige der Backwaren voll automatisch gewogen, sondern auch die optimale Teigtemperatur gemessen und über Bluetooth gespeichert. Dominik Heckl weiß auch genau, wo wie viele Brote und Brezen gerade sind. Von der digitalen Lagerhaltung über die digitale Steuerung der Backöfen bis hin zu den in der Region verstreuten 20 Filialen des Rennertshofener Unternehmens, die rückmelden, welche Waren benötigt werden. „Die Bestellungen jeder Filiale werden digital erfasst. Der Computer nimmt sogar die Wettervorhersage mit in die Bestellroutine. Denn wenn es warm ist, kaufen die Kunden anders.“
Allerdings weiß auch Heckl, dass diese Funktionen und vor allem die Daten gepflegt werden müssen. Expertisen, die sich der Bäcker von außen in die Firma holt. Die Anforderung an die Mitarbeiter steigt, denn sie müssen die Computer bedienen können. Und dennoch: Am Ende des Tages entscheidet nicht der Computer, sondern die handwerkliche Fertigkeit der Bäcker über die Qualität der Brezen, Brote und süßen Teilchen.