Tänzelt sie oder wankt sie?
Premierministerin Theresa May legt auf dem Parteitag einen selbstbewussten Auftritt hin. Aber ein Hardliner lässt nicht locker
In der Belästigungsaffäre um seinen Supreme-Court-Kandidaten Brett Kavanaugh hat sich US-Präsident Donald Trump öffentlich über eine Zeugin lustig gemacht. Trump stellte bei einer Wahlkampfveranstaltung nicht nur die Aussage von Christine Blasey Ford vor dem Justizausschuss des Senats infrage, sondern äffte sie auch nach, wie US-Medien berichten. Die Psychologieprofessorin wirft Kavanaugh vor, er habe während einer Party in den 1980er Jahren versucht, sie zu vergewaltigen. Kavanaugh bestreitet das. „Wie sind Sie nach Hause gekommen? – Ich erinnere mich nicht“, ahmte Trump das mutmaßliche Opfer nach. „Wie sind Sie dorthin gekommen? – Ich erinnere mich nicht. – Wo ist der Ort? – Ich erinnere mich nicht.“„Aber ich hatte ein Bier – das ist das Einzige, woran ich mich erinnere“, äffte Trump die Zeugin nach.
Als Theresa May zum Abba-Oldie „Dancing Queen“auf die Bühne tänzelt, brandet unter den konservativen Delegierten Applaus auf. Eine Tanzkarriere dürfte für die britische Premierministerin zwar auch nach dem gestrigen Auftritt ausgeschlossen bleiben. Aber weil sie kürzlich für ihre ungelenken Bewegungen während einer AfrikaReise verspottet worden war, schwang sie nun, zum Abschluss des Parteitags der Tories, noch einmal roboterhaft die Hüfte. Um mit Selbstironie die Nervosität abzuschütteln?
Nach einer in einem Hustenanfall untergegangenen Ansprache im vergangenen Jahr und desaströsen Monaten, in denen die zäh verlaufenden Brexit-Verhandlungen für Streitereien in der Partei sorgten, kämpft die Regierungschefin um ihr politisches Überleben. Sie musste also liefern und sie lieferte.
Vor den Delegierten rief die Premierministerin in einer kämpferischen und selbstbewussten Rede zu Geschlossenheit auf. „Wenn wir zusammenhalten und die Nerven behalten, können wir ein zufriedenstellendes Abkommen für Großbritannien erreichen“, sagte sie und verteidigte ihren EU-Austrittskurs, an dem sie trotz vehementer Kritik von allen Seiten festhält.
Die Tories sind in der Europafrage tief gespalten und suchen einen Ausweg aus der bislang verfahrenen Brexit-Lage. Etliche Parteimitglieder fordern sogar den Sturz der Regierungschefin und erst kurz vor ihrer Ansprache reichte ein weiterer Abgeordneter einen Misstrauensantrag beim Parteikomitee ein. Medien sprachen von einem „Bürgerkrieg“während des viertägigen Treffens in Birmingham und einem „Endspiel für die Premierministerin“. Dieses dürfte sie aber erst einmal gewonnen haben.
Theresa May ging nicht nur mit der oppositionellen Labour-Partei hart ins Gericht, deren Vorsitzenden Jeremy Corbyn sie immer wieder attackierte. Auch ihre parteiinternen Widersacher wies sie überraschend scharf zurück. Wer jegliche Vereinbarung mit der EU ablehne, habe nur seine eigenen politischen Interessen im Blick, „nicht aber unser Land“, schoss May gegen den ExAußenminister und Brexit-Wortführer Boris Johnson, ohne ihn beim Namen zu nennen. Auch ein erneutes Referendum schloss sie aus.
In Richtung Brüssel gewandt machte sie jedoch klar: Es wird keinen Brexit-Deal um jeden Preis geben. Großbritannien habe keine Angst, die EU zur Not auch ohne jedes Abkommen zu verlassen. Die neue Dancing Queen der Tories präsentierte sich gelöst und wollte Zuversicht ausstrahlen. „Die besten Tage liegen vor uns“, sagte sie. Es bleibt die Frage, ob das auch für die Premierministerin gilt. Der gestrige Tag zumindest dürfte Theresa May Hoffnung machen.
Die Hardliner in der Partei sind aber weiter zu weniger Zugeständnissen an die EU bereit und verlangen einen härteren Bruch mit Brüssel, als ihn May derzeit mit ihrem sogenannten Chequers-Vorschlag anpeilt. Demnach wünscht London eine Freihandelszone mit der EU für Güter, aber nicht für Dienstleistungen und freien Personenverkehr. „Halb drin, halb draußen“, das ist für die EU-Skeptiker gefährlich und inakzeptabel sowie ein „Betrug am Volk“, wie Johnson am Dienstag unter dem Jubel von 1500 Parteikollegen formuliert hatte. Er ist der schärfste Rivale von May und immer wieder offenbart er seine Ambitionen auf den Posten des Premiers.