Grüne Euphorie, grüner Zweifel
Parteitag Unterstützt von prominenten Bundespolitikern rufen die Spitzenkandidaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann zum Wahlkampfendspurt auf. Doch wie geht es dann weiter?
München Noch nie waren sie in den Umfragen so stark. Noch nie war die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung so greifbar. Noch nie in ihrer 40-jährigen Geschichte wurde den bayerischen Grünen eine derartige internationale Aufmerksamkeit zuteil. Aus halb Europa, sogar aus den USA und Japan, melden sich dieser Tage Fernsehsender und Zeitungen in der Landesgeschäftsstelle der Grünen, um zu ergründen, was da im bayerischen Landtagswahlkampf vor sich geht. Dementsprechend groß ist die Euphorie bei diesem Landesparteitag sieben Tage vor der Wahl. Im „Technikum“, einer alten Industriehalle hinter dem Münchner Ostbahnhof, bläst die Parteispitze zum Finale. Unter den Delegierten herrscht freudige Erregung. Die Frage nach einer möglichen schwarz-grünen Koalition aber wird in den Reden ausgeklammert. Die CSU nämlich ist für die Grünen beides zugleich: Hauptgegner im Wahlkampf und einzig realistische Machtoption für die Zeit danach.
Der einzige Antrag, über den dieser Parteitag zu befinden hat, spiegelt diese Situation wider. „Die bayerischen Grünen sind bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen“, heißt es in dem Papier. Und dann werden dort noch einmal die Forderungen aufgelistet, mit denen die Grünen in diesen Wahlkampf gezogen sind: Sicherung der Artenvielfalt, gleicher Verdienst für Männer und Frauen, Höchstgrenze für den Flächenverbrauch, 50000 neue Sozialwohnungen, Ende der Grenzkontrollen, Entschärfung des neuen Polizeiaufgabengesetzes, mehr Klimaschutz durch Ausbau der Windenergie, längeres gemeinsames Lernen in der Schule, mehr Integration und weniger Abschiebungen sowie einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs insbesondere im ländlichen Raum.
Noch wissen die Grünen nicht, wie viel davon im Fall der Fälle mit der CSU zu machen wäre. Antworten von grünen Spitzenpolitikern gibt es im „Technikum“dazu nur abseits des Podiums. Sie fallen entsprechend zurückhaltend aus. Die Landesvorsitzende Sigi Hagl signalisiert Bereitschaft zum Gespräch. Die Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition im Bund, so sagt sie, „haben gezeigt, dass wir auch vor schwierigen Kompromissen nicht davonlaufen.“Der Landesvorsitzende Eike Hallitzky erwartet Entgegenkommen vom möglichen Koalitionspartner: „Die CSU ist auch aufgerufen, nach der Wahl Verantwortung zu zeigen.“Und auch der Grünen-Bundesvorsitzende Robert Habeck aus SchleswigHolstein, der sich für ganze zwei Wochen in den bayerischen Landtagswahlkampf gestürzt hat, lässt sich nur ein sehr allgemeines Statement entlocken: „Ob man in Gespräche kommt, hängt maßgeblich und ganz entscheidend davon ab, ob die CSU die richtigen Konsequenzen aus dem Wahlergebnis zieht.“
In den Wortmeldungen mehrerer Delegierter wird deutlich, dass längst nicht die gesamte Basis der Grünen ein Bündnis mit der CSU begrüßen würde. Zu einer Grundsatzdebatte aber kommt es nicht. Die Grünen haben schon lange beschlossen, dass über die mögliche Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ein Parteitag sehr bald nach der Wahl entscheiden soll.
Noch ist Wahlkampf, und vor allem darum geht es der Regie dieses Parteitags. Gemeinsam mit Habeck, der früheren Grünen-Chefin Claudia Roth und dem Chef der Bundestagsfraktion, Toni Hofreiter, rufen die beiden Spitzenkandidaten, Katharina Schulze und Ludwig Hartmann, die Partei dazu auf, noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren.
Habeck sieht in der Bayern-Wahl die Chance, „die politische Stimmung in Deutschland zurückzudrehen.“Er sagt: „Hier in Bayern findet die Demokratie gerade ihre Sprache wieder.“Roth sieht die Macht der CSU schwinden: „Der Countdown läuft – it’s a final countdown für die absolute Mehrheit der CSU.“Hartmann betont, dass die Grünen nur über ihre Inhalte zum Erfolg kommen können. Schulze setzt auf eine „Politik, die Mut gibt, statt Angst zu machen.“