Des einen Freud, des anderen Leid
Wie viel Schuld trägt die Große Koalition am bayerischen Wahlergebnis? In der Hauptstadt gibt man sich zurückhaltend
Berlin Nur nicht abheben und ausflippen. Erst recht nicht übermütig oder gar hochnäsig werden. Es gilt die Devise, die der erfolgreichste Politiker der Grünen, Winfried Kretschmann, der erste Ministerpräsident der Öko-partei, schon vor Jahren ausgegeben hat: „Wir bleiben auf dem Teppich, auch wenn der gerade fliegt.“Und wie er fliegt. Kein Wunder, dass die Grünen in ihrer Berliner Parteizentrale ebenso laut wie ausgelassen feiern. Parteichefin Annalena Baerbock greift das Kretschmann-zitat auf und dreht es weiter: „Der Teppich macht Saltos, aber selbst bei einem fliegenden Teppich, der Saltos macht, kann man auf dem Boden bleiben.“Die Grünen hätten alle Wahlziele erreicht – ein zweistelliges Ergebnis erreicht, zweitstärkste Partei im Freistaat und die absolute Mehrheit der CSU gebrochen, wofür man 30 Jahre gekämpft habe. Gleichwohl müssen sie in der Stunde ihres Triumphes auch mit einer gewissen Enttäuschung zur Kenntnis nehmen, dass sie im Bayerischen Landtag wohl fünf weitere Jahre auf den harten Bänken der Opposition sitzen werden. Eine schwarz-grüne Regierung erscheint eher unwahrscheinlich. „Ist vielleicht besser für uns“, bringt es ein junger Grüner in der Parteizentrale auf den Punkt. Denn statt mit der CSU schwierige Kompromisse zu schließen, könnten die Grünen als Oppositionsführerin der CSU das Leben schwer machen.
Im Berliner Konrad-adenauerhaus, der Bundeszentrale der CDU, werden zwar Leberkäse und Weißbier gereicht, doch eine Mitschuld am Wahldebakel der bayerischen Schwesterpartei weist man weit von sich. Generalsekretärin Annegret Kramp-karrenbauer nennt das Abschneiden der CSU „bitter“, überraschend sei es aber nicht. Sondern eine Folge der Konflikte der Großen Koalition in Berlin. Die Streitigkeiten seien „kein Rückenwind“für die Wahlkämpfer in Bayern gewesen, sagte Kramp-karrenbauer. Vor allem „Tonfall und Stil“der Konflikte hätten viele Wähler abgeschreckt – kaum verhohlene Kritik an CSU-CHEF und Bundesinnenminister Horst Seehofer.
Es gibt auch Stimmen, die eine Mitverantwortung der CDU an der Wahlschlappe der CSU in Bayern einräumen. Eine kommt von Alexander Mitsch, dem Vorsitzenden der konservativen Werteunion in der CDU: „Horst Seehofer und die CSU sind stellvertretend für die Kanzlerin abgestraft worden, weil sie sich nicht durchgesetzt beziehungsweise ihren Handlungsspielraum zur Lösung der Asylkrise nicht genutzt haben.“In den Augen vieler Wähler habe die CSU damit die Rolle des Korrektivs aufgegeben und sich entbehrlich gemacht, so Mitsch.
Bei der SPD herrscht blankes Entsetzen über das desaströse Ergebnis in Bayern. Parteichefin Andrea Nahles räumt ein: „Wir konnten die Wähler nicht überzeugen, und das ist bitter.“Der Frage nach personellen Konsequenzen wich sie aus: „Da denken wir jetzt nicht drüber nach.“Doch der SPD stehen schmerzhafte Debatten bevor.