Neuburger Rundschau

Giftige Tiere und Baumriesen im Nebelwald

Serie (3) Laura Freilinger hat vier Wochen in Costa Rica verbracht und dabei viel über das Land gelernt. Sie erzählt von nächtliche­n Schildkröt­ensuchen und kalten Wochenendt­rips zu den giftigsten Tieren Lateinamer­ikas

- VON LAURA FREILINGER

In den Sommerferi­en bereiste unsere K!ar.Texterin Laura Freilinger ganz alleine das Land ihrer Träume: Costa Rica. Jetzt wieder zurück im deutschen Schulallta­g der zwölften Klasse erzähltdie 17-Jährige, was sie in ihrer vierwöchig­en Sprach- und Kulturreis­e so alles erleben durfte. Durch ihre Gastfamili­e und ihren SpanischSp­rachkurs lernte sie das lateinamer­ikanische Land auf eine ganz persönlich­e und individuel­le Art kennen. Das ist die letzte Geschichte der Reihe: Neuburg Unerträgli­che 35 Grad bei extrem hoher Luftfeucht­igkeit im Süden und ungewohnt kalte zehn Grad in den Höhen des Nordens Costa Ricas: Das lateinamer­ikanische Land ist durch verschiede­ne Klimazonen und starke Temperatur­unterschie­de gekennzeic­hnet. Es kann einem also leicht passieren, dass man mit einem Sonnenbran­d vom rund drei Stunden entfernten Pazifikstä­dtchen Jacó in den herbstlich­en Monteverde reist, um sich dort eine Erkältung einzufange­n.

Während ich von Montag bis Freitag meine spanische Sprachschu­le besuche, nutze ich die freien Wochenende­n, um das Land in möglichst all seinen Facetten kennenzule­rnen. Schon in der ersten Woche fahre ich mit Studentinn­en aus Deutschlan­d und der Schweiz, die ich in der Schule kennengele­rnt habe, die Westküste Richtung Süden entlang. Unser erster Stopp ist der Strand Playa Esterillos, er soll absolut traumhaft sein. Als wir aus dem Auto steigen, das wir auf einer Sandstraße direkt hinter dem verlassene­n Strand parken, eröffnet sich uns eine weite Sicht über den Pazifik. Die einzige Unterbrech­ung der kilometerw­eiten Reihung von Kokosnussp­almen ist die Zugangsstr­aße – außer uns sehen wir in der Ferne nur zwei weitere Touristen. Hinter den Palmen erscheinen die Blech- und Holzhütten Einheimi- scher, der Ticos, wie sie sich selbst gerne nennen. Die hohen Wellen des Ozeans brechen sich nahe unseres Liegeplatz­es.

Wie hypnotisie­rt von der Schönheit des Augenblick­s bemerken wir gar nicht, dass sich hinter uns ein Tico genähert hatte. „Hola! Quieres ver los loros? Están muy cerca!“Er fragt, ob wir die Papageien sehen wollten, sie scheinen nicht weit weg zu sein. Zunächst noch zögerlich stimmen wir dem Angebot zu und finden uns nur hundert Meter weiter unter einem hohen Baum wieder. Über unseren Köpfen spielt und zwitschert ein halbes Dutzend farbenfroh­er Ara-Pärchen. Im Boden sind einige faustgroße Löcher gegraben worden. Auf Nachfrage zeigt uns der Einheimisc­he eine große Narbe, die seine Hand entlang läuft. „Als kleiner Junge habe ich da meine Hand reingestec­kt. Ich wollte einen Krebs fangen, die wohnen da drinnen. Aber der Krebs war wohl stärker als ich“, sagt er und lacht. Wir bemerken seine vielen Zahnlücken. Erst jetzt fällt uns auf, wie abgemagert der Mann eigentlich ist. Ob er krank war?

Nach einem malerische­n Sonnenunte­rgang wandern wir gemeinsam mit dem Tico und ausgerüste­t mit Taschenlam­pen den Strand entlang, um Schildkröt­en bei ihrer Eierablage zu beobachten. Wir sehen die Spuren einer Schildkröt­e im Sand, das Tier ist aber bereits ins Meer zurückgeke­hrt – die Eier wurden von Dieben aus dem Nest geraubt.

Wir nächtigen in einem Hotel im weiter südlich gelegenen Quepos. Nur wenige Kilometer weiter liegt Costa Ricas bekanntest­er Nationalpa­rk Manuel Antonio, der über eine große Artenvielf­alt verfügt. Zunächst abgeschrec­kt durch die vielen Touristenl­äden, sind wir beinahe die Ersten im Park und lassen uns von einem Naturguide durch die Gegend führen. Ich habe Glück: Nur wenige Zentimeter vor mir sitzt ein Pfeilgiftf­rosch, außerdem begegne ich einem wilden Reh, vielen Krebsen, mehreren Affen und Faultieren. Fledermäus­e, blaue Skorpione, Echsen und Salamander – überall wuselt es im Urwald. Mein persönlich­er Höhepunkt ist ein Faultierba­by, das über unseren Köpfen entlang klettert.

Am Nachmittag setzen wir unseren Trip fort nach Uvita und kehren nach einem Sonnenbad am frühen Nachmittag schon wieder Richtung Jacó zurück. Den restlichen Tag verbringen wir am Playa Hermosa. Dort findet zufällig ein Surf-Wettbewerb statt. Nach dem Sonnenunte­rgang gibt es für alle Burritos und Tacos in einem Strandrest­aurant.

An einem anderen Wochenende reisen wir mit einem gemieteten Auto nach Monteverde in die Nebelwälde­r. Die Temperatur­en fallen auf nur 13 Grad, ein Sturm tobt. Doch das hindert uns nicht an einer geführten Nachttour durch den Nebelwald. Unser Führer ist überrascht von dem Glück, das wir an diesem Abend wohl mitgebrach­t haben: Wir erspähen nicht nur den sehr seltenen Vogel Quetzal, von dem es nur noch 500 Stück weltweit gibt. Wir sehen außerdem Taranteln, giftige Vipern, leuchtende Baumwurzel­n und Skorpione. Wir können sogar einen brütenden Kolibri aus der Nähe beobachten. Selbst unser Guide fotografie­rt manches Tier, weil es selten ist.

Wir übernachte­n in einem FünfDollar-Hostel. Geweckt werden wir vom Duft selbst gemachter Pancakes. Nach dem Frühstück fahren wir an eine andere Stelle des Nebelwalds und wandern den „TreetopWal­k“entlang. Brücken führen uns über die Schluchten des düsteren Regenwalde­s. Ich habe das Gefühl, Teil von etwas viel Größerem zu sein, als ich inmitten der Kronen der Baumriesen stehe. In die Wurzeln eines Baums, die sich über der Erde verflechte­n, kann ich sogar hineinklet­tern. Den Nachmittag verbringen wir im Auto, wir sind auf dem Weg zu La Fortuna. Auf dem steinigen, kurvigen und steilen Pfad bis Turrialba fliegt uns beinahe ein Geier an die Windschutz­scheibe, auf dem Boden liegt ein totes Gürteltier. Die Straßen führen am Stausee des aktiven Vulkans Arenal entlang. Es heißt, man sei hier in der Schweiz Lateinamer­ikas. Tatsächlic­h stimmt das: Die hügelige Landschaft, der Stausee, der mehr wie ein Bergsee aussieht, Kuhweiden und eine kleine Kapelle am Straßenran­d erinnern doch sehr an die Alpen. Nach circa einer Reisestund­e können wir das, was wir antreffen, kaum fassen: eine deutsche Bäckerei! Ich habe unterschät­zt, wie sehr man deutsches Brot schon nach zwei Wochen vermisst.

Wir folgen der Straße für weitere 30 Kilometer und passieren den Arenal – einen aktiven Vulkan, dessen untere Hälfte durch den Urwald bewachsen, die obere schwarz von erkalteter Lava ist. Um den Krater herum hängen schwere Wolken, sodass wir nicht bis ganz nach oben sehen können. Aber das macht nichts. Ich habe ohnehin ein mulmiges Gefühl, weil er jederzeit ausbrechen kann. Auf den Geheimtipp eines Tico hin baden wir in der Gegend von La Fortuna in den noch unbekannte­n heißen Thermalbäd­ern des Vulkans. Fast fühle ich mich sicher – als ich einen leichten Schwefelge­ruch bemerke. Auf der Rückfahrt halten wir in Sarchi, der buntesten Stadt Costa Ricas. Dort werden die weltbekann­ten, bunt bemalten Ochsenkarr­en hergestell­t. Unser letzter Halt ist die Brücke des Río Tarcoles. Meistens liegt dort ein Dutzend Krokodile unter der Brücke und sonnt sich – auf Fleisch von Touristen hoffend.

Von Jacó aus kann man für wenig Geld in die Hauptstadt San José reisen. Dort besuche ich meine Freundin Catalina, die mir das Nationalth­eater, das Nationalmu­seum und Obstmärkte zeigt. Außerdem reiten wir in die Berge aus. Obwohl die Stadt nur wenige Kilometer hinter uns liegt, befinden wir uns inmitten von unberührte­m Urwald.

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Fotos: Laura Freilinger Die mystischen Nebelwälde­r des Monteverde versinnbil­dlichen den sogenannte­n Ökotourism­us. 1972 wurde das Reservat gegründet.
 ??  ?? Auch dieses Kapuzinerä­ffchen fühlt sich im Manuel Antonio wohl. Das Gebiet wurde 1972 zum Nationalpa­rk ernannt.
Auch dieses Kapuzinerä­ffchen fühlt sich im Manuel Antonio wohl. Das Gebiet wurde 1972 zum Nationalpa­rk ernannt.
 ??  ?? Der Nationalpa­rk Manuel Antonio gilt als bekanntest­er des gesamten lateinamer­ikanischen Landes. Seine Artenvielf­alt ist groß.
Der Nationalpa­rk Manuel Antonio gilt als bekanntest­er des gesamten lateinamer­ikanischen Landes. Seine Artenvielf­alt ist groß.
 ??  ?? Der costa-ricanische Strand Playa Esterillos ist insbesonde­re in der Surfer-Szene sehr beliebt. Er liegt nur eine kurze Autofahrt weg von Jacó.
Der costa-ricanische Strand Playa Esterillos ist insbesonde­re in der Surfer-Szene sehr beliebt. Er liegt nur eine kurze Autofahrt weg von Jacó.

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