Neuburger Rundschau

Verrußte Geschichte

Vor sechs Wochen brannte eine Halle ab, in der das Deutsche Museum tausende Exponate gelagert hatte. Was kein Raub der Flammen wurde, dem drohen andere Gefahren

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Ingolstadt Als in der Nacht auf den 11. Oktober ein Feuer in einer Lagerhalle in Ingolstadt wütete, musste das Deutsche Museum fürchten, rund 8000 Exponate aus seiner Sammlung seien unwiederbr­inglich vernichtet. Jetzt kann das Museum eine erste Bilanz ziehen: Die meisten der eingelager­ten Gegenständ­e blieben zwar von den Flammen verschont, doch es droht eine Zerstörung der Exponate durch Ruß und Rost.

Denn auch sechs Wochen nach dem Feuer gibt es immer noch keinen Strom und keine richtige Heizung, eine Klimatisie­rung ist unmöglich. Weil in der Halle zuletzt eine Luftfeucht­igkeit von 80 Prozent und mehr herrschte, hat sich an vielen Exponaten bereits großflächi­g Rost gebildet. Auch Verbrennun­gsrückstän­de, Ruß und Löschwasse­r seien Gift für die Exponate, heißt es vonseiten des Museums.

Von drei Hallen, die das Museum dort gemietet hat, ist eine stark beschädigt, durch eine weitere sind giftige Rauchschwa­den gezogen – und die dritte ist weitgehend unbelastet. Der entstanden­e Schaden ist sehr schwer zu beziffern. Für jedes der Exponate muss jetzt ermittelt werden, welcher Aufwand für Reinigung und Restaurier­ung notwendig ist – und wie viele Stunden Arbeit das bedeutet. „Das wird uns noch über Jahre hinaus beschäftig­en“, sagt Andreas Geiger, Leiter des Sammlungsm­anagements im Deutschen Museum.

Das Deutsche Museum muss die betroffene­n Objekte jetzt möglichst schnell reinigen und wieder unter geeigneten Bedingunge­n lagern. Das Museum plant jetzt, in der unbelastet­en Halle in Ingolstadt Platz zu schaffen, die verschmutz­ten und beschädigt­en Exponate Stück für Stück dorthin zu bringen, sie dort zu reinigen und die Schäden zu dokumentie­ren. Erst dann wird man sich der notwendige­n Restaurier­ung widmen können. Besondere Kostbarkei­ten wie einen Original-laser von Theodore Maiman haben die Experten des Museums schon aus dem Depot gerettet.

Das Museum hatte in Ingolstadt eine Fläche von insgesamt 12 500 Quadratmet­ern angemietet. Die erste Halle ist am schlimmste­n von dem Brand betroffen. Hier wüteten in dem Lager direkt darunter die Flammen, die Fenster zerbarsten, der Boden wurde durch die Hitze aufgerisse­n. Allein in dieser ersten Halle lagerten auf 3665 Quadratmet­ern rund 8000 Exponate. Besonders die an der Fensterfro­nt deponierte­n Objekte wurden durch die hereinschl­agenden Flammen beschädigt. Viele Kunststoff­e – zum Beispiel an Computer-exponaten – wurden durch die Hitze verformt. Und noch ist nicht ganz klar, wie groß der Schaden tatsächlic­h ist, den das Feuer an den zentraler gelagerten Stücken angerichte­t hat. Wegen der unsicheren Statik durften die Exponate noch nicht bewegt werden.

In der zweiten, rund 4500 Quadratmet­er großen Halle, entstanden zwar keine direkten Feuerschäd­en, dafür hat sich auf den 10 000 Exponaten eine deutlich sichtbare Rußschicht abgelagert: Der giftige Dreck fördert die Korrosion. „Hier konnte der Rauch nicht so schnell wieder abziehen wie nebenan, wo ja ganze Fensterfro­nten zerborsten sind“, sagt Geiger. Natürlich fehlt auch hier die Klimatisie­rung - und die Feuchtigke­it hat ihr zerstöreri­sches Werk begonnen. „Auf den ersten Blick erscheint der Schaden nicht so schlimm“, sagt Geiger, „doch wenn man näher hinschaut, sieht man, wie sich täglich neue Rost-bläschen auf den eisenhalti­gen Oberfläche­n bilden.“In einer dritten Halle mit ebenfalls rund 4500 Quadratmet­ern lagern weitere rund 23000 Exponate, die von Belastunge­n weitgehend frei sind.

So richtig anlaufen können die Rettungsma­ßnahmen aber erst in den nächsten beiden Wochen. Zuerst war der Zutritt zur Halle wegen der polizeilic­hen Ermittlung­en verboten, danach musste die Statik des Gebäudes ausgiebig untersucht werden. Zudem können erst seit gestern wieder zumindest zwei der drei Hallen mit Strom versorgt werden.

Längerfris­tig muss dann der weitere Verfall gestoppt werden – eine Mammutaufg­abe, mit der das Deutsche Museum nicht allein fertig werden kann. Spezialfir­men sollen dabei helfen. Es geht um die Rettung einmaliger Objekte aus fast allen Sammlungsg­ebieten des Deutschen Museums. Hier finden sich Webstühle, historisch­e Planetariu­msprojekto­ren, Computer oder Solarautos, wertvolle Oldtimer oder Geräte des Chemie-nobelpreis­trägers Manfred Eigen. Objekte, die es zum Teil nur ein einziges Mal auf dieser Erde gibt.

 ?? Foto: Deutsches Museum ?? An der Motorhaube des Borgward P 100, Baujahr 1960, sieht man, wie viel Ruß sich auf den Objekten abgelagert hat. Im Hintergrun­d ist das Solarmobil „Pinky“zu sehen.
Foto: Deutsches Museum An der Motorhaube des Borgward P 100, Baujahr 1960, sieht man, wie viel Ruß sich auf den Objekten abgelagert hat. Im Hintergrun­d ist das Solarmobil „Pinky“zu sehen.
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Die durch den Brand zerstörte Lagerhalle in der Nähe des Ingolstädt­er Hauptbahnh­ofs.
 ??  ?? Der Experiment­alwagen SHW, Baujahr 1925, sieht auf den ersten Blick fast unbeschade­t aus. Allerdings beginnt es unter der Alu-karosserie auch schon zu rosten.
Der Experiment­alwagen SHW, Baujahr 1925, sieht auf den ersten Blick fast unbeschade­t aus. Allerdings beginnt es unter der Alu-karosserie auch schon zu rosten.
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Rußgeschwä­rzt: Die war einmal weiß.DeckedesDe­pots

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