Wenn Charakterköpfe leiden
Figurentage II Viel Applaus für Molières „Der eingebildete Kranke“
Neuburg Das Figurentheater Salz + Pfeffer aus Nürnberg brachte am Samstagabend den Molière-Klassiker „Der eingebildete Kranke“im Rahmen der zweiten Neuburger Figurentheatertage auf die Bühne. Dort agierten Wally und Paul Schmidt, die in Nürnberg seit vielen Jahren erfolgreich ein privates Theater betreiben, vorwiegend im Hintergrund. Sämtliche Rollen wurden – zumindest für das Auge – von lebensgroßen Puppen dargestellt, deren Gesichter durch große Ähnlichkeit mit öffentlichen Personen verblüfften. Für Argan, den eingebildeten Kranken, wählten die Spieler das Gesicht von Klaus Kinski, der zu seinen Lebzeiten selbst oft seltsame Charaktere und Psychopaten dargestellt hatte.
„Wir dachten, sein Gesicht passt zu dieser Rolle“, sagte Wally Schmidt nach der Vorstellung, als das interessierte Publikum die Puppen aus der Nähe betrachten und in die Hand nehmen konnten. Das Gesicht des Schauspielers Ben Becker verwendete der geniale Münchner Puppenmacher Peter Lutz für die Rolle des gleichermaßen witzigen wie schwierigen Charakters des Arztsohns und Heiratskandidaten Thomas.
Argan hat ihn als Schwiegersohn auserwählt für sich und als Mann für seine liebreizende Tochter, die als Kontrast dazu in schwarzem Gothic-Punk-Outfit auftritt. Sie hat sich unglücklicherweise in den Künstler Cléante verliebt und der trägt Gesichtszüge und Lockenpracht des Meisterautors Molière. Der „kranke“Argan will die medizinische Rundumversorgung für all seine Leiden, kann aber bald die Rechnungen nicht mehr bezahlen. Sein Leibarzt und seine Frau wollen allerdings nur sein Geld. Geiz, Raffgier, Missgunst – allzu Menschliches mischt sich in den Beteiligten, bis die bodenständige Haushälterin Toinette das Heft in die Hand nimmt. „Stell dich tot und du weißt, wer deine Freunde sind“rät sie Argan und sie behält Recht. Die Raffgierigen sind erkannt, die Ehrlichen werden belohnt und dem eingebildeten Kranken geht es zunehmend besser – waren wohl doch eher psychosomatisch, die Leiden.
Die Zuschauer im fast voll besetzten Parkett des Stadttheaters verfolgten gespannt die Handlung, die Wally und Paul Schmidt mit vielen Tricks und Raffinesse unterhaltsam gestalteten. Dass Wally Schmidts Text öfter schwer hörbar war, muss der ungewohnten Bühnenakustik geschuldet werden. Das Hauptaugenmerk richtete sich auf die Bewegung der Figuren und deren ausdrucksstarke Mimik, die nur durch das Öffnen des Mundes und das Neigen des Kopfes ermöglicht wird. Dass hinter der Augenweide eineinhalb Stunden Schwerstarbeit zweier Schauspieler stecken könnte, mochte man fast vergessen. Doch am Ende – als die Puppen leblos am Boden liegen – belohnte das Publikum das Spielerpaar mit viel Applaus und Bravorufen.
Molière, der große französische Dichter und Schreiber zahlreicher Stücke über extreme Charaktere, soll seine letzten Stunden auf der Bühne verbracht haben, bevor er 50-jährig starb. Er spielte da gerade „Der eingebildete Kranke“.