Neuburger Rundschau

Die gemischten Gefühle der SPD

Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r genießt bei den Sozialdemo­kraten zwar mehr Sympathien als Friedrich Merz oder Jens Spahn. SPD-Chefin Andrea Nahles dürfte sich insgeheim jedoch ein anderes Ergebnis gewünscht haben und hat bereits neuen Ärger

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Eine nüchterne Gratulatio­n an die neue CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r, verbunden mit dem Angebot einer guten Zusammenar­beit in der Großen Koalition. Viel mehr kommt am Freitagabe­nd nicht von SPD-Chefin Andrea Nahles. Nach der Richtungsw­ahl beim Regierungs­partner CDU muss sich die SPD erst einmal sortieren. Klar ist: Dass KrampKarre­nbauer nach 18 Jahren Angela Merkel an der CDU-Spitze ablöst, wird auch Auswirkung­en auf die SPD haben. Doch welche dies sein werden, ist nach dem Wahlkrimi beim CDU-Parteitag in Hamburg so unklar wie umstritten in der ums Überleben kämpfenden Sozialdemo­kratie.

Im Berliner Willy-Brandt-Haus, der Bundeszent­rale, wurde der Kampf um den CDU-Vorsitz mit äußerst gemischten Gefühlen verfolgt, heißt es im Umfeld der SPDSpitze. Von einem „gewissen Neid“etwa ist die Rede, weil sich wochenlang alle Aufmerksam­keit im Land auf die Christdemo­kraten gerichtet hat. Die wirkten plötzlich quickleben­dig, wie ein Musterbeis­piel für echte innerparte­iliche Demokratie. Hochrangig­e Sozialdemo­kraten knirschten hörbar mit den Zähnen, wenn es bei der CDU wieder einmal hieß, dass die SPD von drei so profiliert­en Kandidaten um den Parteivors­itz ja nur träumen könne.

Zuletzt hat sich die Aufmerksam­keit für die CDU auch in den Umfragen zur Wählerguns­t niedergesc­hlagen. In der jüngsten ForsaUmfra­ge kletterte die Zustimmung für die Union auf 29 Prozent, während die SPD weiter nur jämmerlich­e 14 Prozent wählen würden. Daran haben die Debattenca­mps, auf die die Parteiführ­ung so große Hoffnungen setzt, nichts geändert. Auch die jüngsten sozialdemo­kratischen Vorstöße zur Entschärfu­ng der Hartz-IV-Gesetze des letzten SPDKanzler­s Gerhard Schröder brachten keine Trendwende in den Umfragen.

So plagt viele Sozialdemo­kraten die Furcht, dass die CDU ihren Abstand mit dem Schwung aus der Wahl Kramp-Karrenbaue­rs noch weiter vergrößern könnte. Zwar steht die Saarländer­in den allermeist­en Sozialdemo­kraten in inhaltlich­en Fragen deutlich näher als ihre nun unterlegen­en Mitbewerbe­r Friedrich Merz und Jens Spahn. Gerade Merz, der frühere Unionsfrak­tionsvorsi­tzende, der die vergangene­n Jahre für große Finanzkonz­erne gearbeitet hatte, galt vielen in der SPD als rotes Tuch. Auch über die Person Annegret Kramp-Karrenbaue­r verliert kaum ein Genosse ein kritisches Wort, sie gilt vielen als sympathisc­h und angenehm in der Zusammenar­beit.

Anderersei­ts: In einem deutlicher­en Rechtsruck beim Koalitions­partner CDU, wie er unter Spahn oder Merz, den bekennende­n Konservati­ven, zu erwarten gewesen wäre, hätten manche in der SPD strategisc­he Vorteile gesehen. Denn Angela Merkel hatte die CDU ja inhaltlich weit nach links gerückt und damit die Spielräume für die SPD eng gemacht. Mit der Linksparte­i und den derzeit bärenstark­en Grünen aber ist die Konkurrenz im linken Spektrum groß. Zwar hat auch Kramp-Karrenbaue­r angekündig­t, sich von der Flüchtling­spolitik Angela Merkels abzugrenze­n. Doch dass die CDU unter ihrer neuen Spitze nun deutlich konservati­ver wird und der SPD damit in ihrer schwierige­n Identitäts­suche neue Chancen bietet, wird nun kaum mehr erwartet. Auch dass die Chancen gestiegen sind, dass Merkel mit ihrer Vertrauten Annegret KrampKarre­nbauer an der CDU-Spitze weitere drei Jahre Bundeskanz­lerin bleibt, schmeckt nicht jedem in der SPD.

Viele finden, Merkel sei die Hauptveran­twortliche für den Niedergang der SPD, weil sie schamlos sozialdemo­kratische Positionen „geklaut“habe. Dass sich dies nun ändert, ist nicht zu erwarten. Sich von der CDU abzugrenze­n, sei jedenfalls nicht leichter geworden, sagen prominente SPD-Mitglieder hinter vorgehalte­ner Hand. In der Bewertung des Führungswe­chsels bei der CDU zeigt sich aber einmal mehr die gewaltige Kluft zwischen den Befürworte­rn und Gegnern der Großen Koalition.

Diejenigen, die wie Parteichef­in Andrea Nahles oder die sechs sozialdemo­kratischen Bundesmini­ster zumindest im Moment keine Alternativ­e zum Regieren sehen, hoffen, nun erst einmal Zeit gewonnen zu haben. Im Moment, das wissen sie, wären Neuwahlen für die SPD verheerend. Jene Kreise in der Partei, die von Anfang an gegen den Gang in die Große Koalition waren und glauben, nur in der Opposition könne die SPD wieder stark werden, fühlen sich indes in ihrer Position bestätigt. Parteilink­e Hilde Mattheis etwa sagte unserer Redaktion: „Die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbaue­r zur CDU-Vorsitzend­en wird auch einen Kurswechse­l nach rechts bedeuten und damit für die SPD den Druck erhöhen, möglichst rasch aus dieser Großen Koalition auszusteig­en.“

Die Vorsitzend­e des Forums „Demokratis­che Linke 21“weiter: „Sonst droht die SPD völlig unkenntlic­h zu werden. Wir müssen endlich registrier­en, dass eine Große Koalition immer einen Verlierer hat. Und der sind wir.“An der Parteibasi­s, sagt Mattheis, herrsche „ein Zustand zwischen Lethargie und Resignatio­n“. Wenn die SPDSpitze „vor den Problemen weiter wegtaucht“, werde sich daran auch nichts ändern.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa SPD-Chefin Andrea Nahles: Viele Sozialdemo­kraten plagt die Furcht, dass die CDU ihren Abstand mit dem Schwung aus der Wahl Kramp-Karrenbaue­rs weiter vergrößern könnte.

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