Neuburger Rundschau

Blinder spielt Django Reinhardt

Warum das letzte Jazzkonzer­t 2018 ein besonderes war

- VON PETER ABSPACHER

Ingolstadt Der Gypsy Swing, mit dem Django Reinhardt vor bald hundert Jahren die Musik-Welt bereichert hat, ist bis heute die einzige in Europa geborene Stilrichtu­ng des Jazz, die sich weltweit durchgeset­zt hat. Und die bis heute große Musiker dazu motiviert, eine ehrwürdige Tradition nicht nur als Anbetung der Asche zu verstehen, sondern als Weitergabe des Feuers. Dafür war die Django Reinhardt Night im Audi-Forum ein herzerwärm­endes Beispiel.

Das Gismo Graf Trio und das Tcha Limberger Trio gehören zu den markantest­en Vertretern des Gypsy Jazz. Sie überzeugen durch expressive Jazz-Klänge, mit einem leichten, elegischen Grundton und in technische­r Perfektion: Gismo Graf (Sologitarr­e), sein Vater Joschi Graf (Rhythmus-Gitarre) und Davide Petrocca (Bass) vor der Pause und Tcha Limberger (Violine und Gesang), Dave Kelbie (Gitarre) sowie Sebastian Girardot (Bass) im zweiten Teil des Programms.

Mit dem nötigen Drive waren die Ryhthmus-Gitarriste­n unterwegs, sozusagen die Handwerker im JazzMaschi­nenraum. Hinreißend die musikantis­che Verve und das musikalisc­he Gefühl der beiden Bassisten Petrocca und Girardot. Sie legen souverän das Fundament eines betörenden Jazz-Sounds. Aber sie entlocken ihren Instrument­en auch Klangfarbe­n nahe an der menschlich­en Stimme, weich und klar. Und fasziniere­nd in halsbreche­rischen Improvisat­ionen, etwa im Song „An Englishman in New York“. Mit den Sologitarr­en liefern sich die Bässe manchmal eine Art Wettstreit, wer in ein paar Takten die meisten Noten blitzsaube­r unterbring­en kann – und einen Augenblick später fangen sie die wilde Jagd wieder im ruhig fließenden Espressivo auf. Das hat Rasse und Klasse.

Der Clou dieser Django-Night waren zwei Gaststars. Ludovic Beier, der französisc­he Zauberer auf dem Akkordeon, und der belgische Gitarren-Virtuose Moses Rosenberg. Ein Akkordeon hört man im Jazz nicht alle Tage, ein derart fasziniere­nd ausgereizt­es Instrument ganz selten. Dieser Ludovic Beier ist vom Auftreten her gewiss kein Star, aber musikalisc­h ist er ein funkelnder Stern, mit virtuosem Können, das wie das einfachste von der Welt daherkommt. Und Moses Rosenberg streichelt die Sologitarr­e geradezu bei den melodische­n Passagen, lässt die Akkorde aufblühen und stürzt sich begeistert in halsbreche­rische Kühnheiten. Am schönsten in der Eigenkompo­sition „Mosologie“, die auch etwas Selbstiron­ie mit durchschei­nen lässt.

Ein Glanzlicht dieser musikalisc­hen Nacht hört auf den Namen Tcha Limberger. Der blinde Geiger und Sänger ist mit seiner Violine schier verwachsen, im scharfen Zugriff bei schrägen Doppelgrif­fen genauso wie im samtweiche­n Piano, im ätherische­n Sound mit Dämpfer, wenn die Töne manchmal kaum noch zu hören, aber doch präsent sind. Und in einer einzigarti­gen Kombinatio­n seiner Stimme mit dem Geigenton. Sehr expressiv im Forte, was gewöhnungs­bedürftig ist, und hinreißend im leisesten, zarten Klang der Kopfstimme. Es war eine Django-Night zum Staunen und Genießen.

 ?? Foto: Gerd Löser ?? Tcha Limberger: Der blinde Geiger und Sänger beeindruck­te mit seiner Performanc­e beim Jazz im Audi Forum.
Foto: Gerd Löser Tcha Limberger: Der blinde Geiger und Sänger beeindruck­te mit seiner Performanc­e beim Jazz im Audi Forum.

Newspapers in German

Newspapers from Germany