Droht im Flüchtlingsamt neues Chaos?
Hunderttausende von Verfahren müssen überprüft werden. Die Zeit drängt
Nürnberg/Berlin Endlose Überstunden, weinende Mitarbeiter, Asylverfahren per Fragebogen: Dass beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 2015 und 2016 Land unter war, ist bekannt. Nun könnte die Behörde erneut in eine solche Situation hineingeraten: Denn die Überprüfung der Entscheidungen von damals steht an.
Bis zum Jahr 2020 muss das Bundesamt rund 773 000 dieser Verfahren noch einmal unter die Lupe nehmen – ein auch mit aufgestocktem Personal kaum zu bewältigender Kraftakt, weshalb die Bundesregierung die Frist dafür nun um mindestens ein Jahr verlängern will. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll im Januar beschlossen werden. Bis das Gesetz in Kraft treten kann, wird allerdings bei einigen Flüchtlingen schon die Frist für die obligatorische Überprüfung abgelaufen sein. Denn die endet im Regelfall nach maximal drei Jahren. Erhebt das Bundesamt keine Einwände, kann die Ausländerbehörde eine Niederlassungserlaubnis erteilen.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur will das Innenministerium die Frist für die Überprüfung der Entscheidungen des Jahres 2015 bis 31. Dezember 2019 verlängern. Die Frist für die Prüfung der Entscheidungen aus 2016 soll Ende 2020 enden. Dabei klärt das Bundesamt, ob die Voraussetzungen für den Schutz noch gegeben sind – also vor allem, ob sich die Lage im Herkunftsland des Flüchtlings zum Positiven geändert hat wie zuletzt in Gambia und Kolumbien. Es können im Rahmen der so genannten Widerrufsprüfung aber auch neue Erkenntnisse zur Identität eines Flüchtlings aufgetaucht sein, vor allem bei Ausländern, die ohne Papiere gekommen sind.
„Dass die Flut an Asylanträgen im Rahmen der Widerrufsprüfung jetzt erneut ans Bamf gespült wird, war absehbar“, kritisiert der FDPInnenexperte Stephan Thomae gegenüber unserer Zeitung. „Umso erschreckender ist es, dass der Bundesinnenminister notwendige Vorbereitungsmaßnahmen nicht rechtzeitig getroffen hat.“Angesichts dessen scheine eine Verlängerung der Drei-Jahres-Frist zur Überprüfung dringend geboten. „Das ist allerdings nur ein Notpflaster.“
Bis das neue Gesetz in Kraft getreten ist, muss die Leitung des Bundesamtes entscheiden: Steckt sie vorübergehend mehr Beamte in die Überprüfungen? Oder ist es wichtiger, dass neue Asylverfahren nicht so lange dauern? Denn um beide Aufgaben gewissenhaft und schnell zu erledigen, fehlt das Personal. Im Bamf werden für die Prüfungen derzeit rund 369 der insgesamt 6770 Vollzeitstellen eingesetzt. Pro Monat erledigen sie etwa 6800 Widerrufsprüfungen, die insbesondere Asylverfahren von Ausländern mit Asylberechtigung und vollem Flüchtlingsschutz betreffen. 2015 und 2016, als in einigen Außenstellen
Ein besonders krasser Fall: der Soldat Franco A.
Pässe in Kisten aufbewahrt wurden und angelernte Aushilfen aus anderen Behörden Asylverfahren bearbeiten mussten, sind Asylbewerber zum Teil ohne eingehende Identitätsprüfung anerkannt worden. Das wohl extremste Beispiel aus dieser Zeit ist der Bundeswehrsoldat Franco A., der trotz fehlender Arabischkenntnisse vom Bamf als „syrischer Flüchtling“anerkannt wurde. Mit einem Widerruf muss auch ein Iraner rechnen, der mehrfach in sein Herkunftsland geflogen ist, obwohl ihm dort angeblich als Oppositionellem Haft und Folter drohen. Auch terroristischen Gefährdern, Straftätern und Menschen, die im Ausland Kriegsverbrechen begangen haben, kann der Schutz entzogen werden.
Was tun also im Bundesamt? Lesen Sie dazu auch den von Stefan Lange.