Amokfahrer zerstört eine Familie
Wie der Angreifer im Ruhrgebiet Jagd auf Ausländer machte
Bottrop Acht verletzte Männer, Frauen und Kinder – Opfer der Anschlagsfahrt der Silvesternacht im Ruhrgebiet, allesamt haben ausländische Wurzeln. Auch wenn die Behörden keine Kontakte des Tatverdächtigen in rechtsextreme Netzwerke finden konnten, war es nach ersten Erkenntnissen der Ermittler mutmaßlich Fremdenhass, der den Mann antrieb. Gegen den 50 Jahre alten Autofahrer wurde Haftbefehl wegen mehrfachen versuchten Mordes erlassen, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten. Er soll mit seinem Auto gezielt Jagd auf Ausländer gemacht haben – oder Menschen, die er dafür hielt.
Im Internet kursieren Handy-Videos, die die Tat zeigen sollen: Als würde er nach etwas Ausschau halten, steuert der Fahrer seinen silbernen Kombi über einen Platz mit Silvester-Feiernden. Dann gibt er Gas, obwohl oder weil dort Menschen im Weg sind. Erst in Bottrop, dann in Essen hatte der Fahrer mehrfach Menschen umgefahren, die unterwegs waren, das neue Jahr zu begrüßen. Eine gute halbe Stunde dauerte der Schrecken. Die Opfer: eine syrische Familie, eine afghanische Mutter und ihr vierjähriger Sohn, ein zehnjähriges Mädchen aus Syrien und ein 34-jähriger Deutschtürke.
Besonders schwer traf es die Familie aus Syrien, die um kurz nach Mitternacht auf dem Berliner Platz in Bottrop beisammenstand, als der Täter auf sie zuhielt: Die 46 Jahre alte Mutter erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Nach einer Notoperation sei ihr Zustand aber inzwischen wieder stabil, teilte die Polizei mit. Ihr zwei Jahre älterer Ehemann und ihre 16 und 27 Jahre alten Töchter wurden ebenfalls verletzt.
Es sei wahrscheinlich, dass der Autofahrer etwa an beleuchteten Bushaltestellen gezielt Ausschau nach seinen Opfern gehalten habe, sagte ein Polizeisprecher. Immer wieder konnten Passanten sich auch in Sicherheit bringen, kamen mit dem Schrecken davon. Die Ermittlungen seien jedoch noch in vollem Gange, betonte der Sprecher. Zu den offenen Fragen gehört auch, ob die Tat geplant oder eher spontan verübt wurde. „Aktuell gibt es allerdings keine Hinweise darauf, dass es von langer Hand geplant war“, sagte eine Polizeisprecherin.
Die erste registrierte Attacke geschah in Bottrop um 23.45 Uhr – verletzt wurde niemand. An drei weiteren Tatorten soll er dann in Menschenansammlungen gefahren sein. Gut eine halbe Stunde später stellte die Polizei den Täter im benachbarten Essen. Schnell sprachen die Behörden von fremdenfeindlicher Gesinnung, aber auch davon, dass es Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung des Täters gebe, wegen der er zu früheren Zeiten behandelt worden sei. Welche Rolle dies gespielt haben könnte, werde noch geprüft. In seiner Vernehmung soll er gesagt haben, die vielen Ausländer seien ein Problem für Deutschland, das er lösen wolle. Florentine Dame, dpa