Neuburger Rundschau

Harmonie alleine ist noch keine Strategie

Der interne Streit in der CSU ist beigelegt, die Versöhnung mit der CDU in vollem Gange. Trotzdem steht die einst so erfolgsver­wöhnte Partei in der Defensive

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger-allgemeine.de sat.1

Es ist noch keine zwei Monate her, da hat sich die CSU nichts sehnlicher gewünscht als eine Situation wie diese: Dass Streit und Unsicherhe­it in Personalfr­agen überwunden sind und endlich wieder Harmonie und klare Verhältnis­se herrschen in der Partei. Die Erleichter­ung darüber, dass es jetzt endlich so weit ist, scheint derartig nachhaltig zu sein, dass die CSU sogar auf ihr übliches Polittheat­er zum Jahresauft­akt verzichtet hat. Nicht einmal zu einem öffentlich inszeniert­en Aufreger hat es im Vorfeld der Winterklau­sur der CSU-Bundestags­abgeordnet­en gereicht.

Als ein Grund dafür können die Erfahrunge­n gelten, welche die Protagonis­ten an der Spitze der Partei im turbulente­n Wahljahr 2018 gemacht haben. Der scheidende Parteichef Horst Seehofer hat sich ins Unvermeidl­iche gefügt und sich mit seiner Niederlage im parteiinte­rnen Machtkampf abgefunden. Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt hat offensicht­lich verstanden, dass heftige politische Provokatio­nen nicht den gewünschte­n Effekt bringen, und deshalb die von ihm zunächst scharf propagiert­e „konservati­ve Revolution“abgeblasen. Und Markus Söder, der neue starke Mann in der CSU, kann mit einigem Recht darauf verweisen, dass er im Endspurt des Landtagswa­hlkampfs das Schlimmste verhindert hat, indem er auf das Motto „Stabilität“setzte und sich klar von der in Teilen rechtsextr­emen AfD distanzier­te. Auf diese Weise konnte – mit freundlich­er Unterstütz­ung der Freien Wähler – die Vorherrsch­aft in Bayern noch einmal gesichert und ein tieferer Absturz verhindert werden.

Zurückgewo­nnen freilich ist damit noch nichts. Die neue GMSUmfrage im Auftrag von zeigt, dass die CSU von einer Trendwende noch weit entfernt ist. Aktuell würden bei der im Mai anstehende­n Europawahl demnach nur 36 Prozent der Bayern der CSU ihre Stimme geben. Das wären noch einmal 4,5 Prozent weniger als bei dem 40,5-Prozent-Debakel vor fünf Jahren. Die Parteistra­tegen werden sich also noch etwas mehr einfallen lassen müssen, um der CSU ihren Status als Volksparte­i auf Dauer zu sichern.

Bei der Klausur der CSU-Landesgrup­pe in Kloster Seeon können dafür nun einige weitere Voraussetz­ungen geschaffen werden: Die Partei hat sich dazu entschloss­en, einen engen Schultersc­hluss mit der CDU zu demonstrie­ren – und die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r macht bereitwill­ig mit. Statt Europa-Kritikern werden in Seeon erklärte ProEuropäe­r als Gäste erwartet. Und die Partei sammelt sich offenbar ohne Wenn und Aber hinter ihrem immer noch relativ unbekannte­n, aber höchst respektabl­en Spitzenkan­didaten Manfred Weber. Mit dem Niederbaye­r, der von der konservati­ven EVP-Fraktion als Kandidat für das Amt des Präsidente­n der EU-Kommission nominiert ist, eröffnet sich für die CSU sogar die Chance, erstmals eine internatio­nale Spitzenpos­ition zu besetzen.

Entscheide­nd für die CSU allerdings wird sein, ob es ihr gelingt, aus der politische­n Defensive zu kommen. An der ungemütlic­hen „Sandwich-Position“der Partei zwischen der rechtspopu­listischen AfD und den immer selbstbewu­sster auftretend­en Grünen hat sich mit der Beilegung interner Streiterei­en und der Versöhnung mit der CDU noch nichts geändert. Die CSU wird klarmachen müssen, worin sie sich unterschei­det und wo sie hin will – in Europa, aber auch in der ungeliebte­n Bundesregi­erung. Die Diskussion darüber hat sie noch gar nicht begonnen. Das Beispiel der ehemaligen Volksparte­i SPD zeigt, wohin das führen kann. Harmonie ist gut und schön. Was noch fehlt, ist eine erkennbare Perspektiv­e.

Die Umfragen sprechen eine deutliche Sprache

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