Neuburger Rundschau

„Die Automobili­ndustrie wird eine andere“

Interview Werner Widuckel will dem Abwärtstre­nd der SPD trotzen und Landrat werden. Warum es den Professor nach Stationen in der Wirtschaft und Wissenscha­ft in die Politik zieht und welche Themen ihm besonders am Herzen liegen

- Interview: Marcel Rother

Herr Widuckel, einige sagen, ein Mann wie Sie – einer aus der Wirtschaft – wäre prädestini­ert für das Amt des Landrats in einer Boomregion wie unserer. Wie sehen Sie das?

Werner Widuckel: Was ich mit Sicherheit gelernt habe, ist das Führen von großen Organisati­onen sowie effektives und zielorient­iertes Arbeiten. Auf der anderen Seite bin ich mir bewusst, dass eine öffentlich­e Verwaltung anders funktionie­rt als ein Unternehme­n.

Inwiefern anders?

Widuckel: Allein schon der Grad der rechtliche­n Regulierun­g ist ein ganz anderer. Und es muss sehr viel mehr innerhalb der Organisati­on abgestimmt werden. Dazu kommt der Fokus der demokratis­chen Öffentlich­keit, die Erwartunge­n der Bevölkerun­g wollen erfüllt werden. Der Anspruch an Transparen­z gegenüber den Interessen unterschie­dlicher Gruppen ist sicherlich im Landratsam­t noch anspruchsv­oller, dessen bin ich mir bewusst.

Sie kennen sich sehr gut in der Automobili­ndustrie aus, haben in führenden Positionen bei VW und Audi gearbeitet. Wie würden Sie dieses Know-how in Ihre Tätigkeit als Landrat einbringen wollen?

Widuckel: Wir haben natürlich in den letzten 20 Jahren hier in der Region eine starke Wachstumse­ntwicklung durch Audi gehabt und stellen jetzt fest: Die Automobili­ndustrie ist in einem starken Umbruch. Ich denke, die Richtung dieses Umbruchs, die Ursachen und auch die Auswirkung­en sehr gut abschätzen zu können. Darüber hinaus kenne ich eine Menge Ansprechpa­rtner bei Audi und hätte einen relativ direkten Zugang zu Entscheidu­ngsträgern, was von Vorteil sein kann.

Wie sieht es mit der Seite der Beschäftig­ten aus?

Widuckel: Als langjährig­er Personaler und Professor für Personalma­nagement habe ich eine klare Vorstellun­g davon, wie sich Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r in diesem Strukturwa­ndel fühlen. Auch, welche Erwartunge­n und Befürchtun­gen sie haben, weil natürlich auch klar ist: Mit der Elektromob­ilität, mit der Digitalisi­erung wird die Automobili­ndustrie eine grundlegen­d andere werden.

Stichwort Digitalisi­erung: Was meinen Sie, überwiegen die Chancen oder die Risiken?

Widuckel: Ich denke, dass sich Chancen und Risiken sehr unterschie­dlich verteilen. Es wird Gewinner geben, etwa den Software- und den IT–Bereich. Durch die höheren Automatisi­erungsmögl­ichkeiten in der Digitalisi­erung werden wir aber auch Antworten finden müssen, wie wir Menschen weiter beschäftig­en können, deren Arbeitsplä­tze wegfallen. Wir werden also Menschen haben, die sich einerseits massiv bedroht fühlen und anderersei­ts offene Stellen – das werden wir versuchen müssen, in Übereinsti­mmung zu bringen.

Was kann die Politik tun?

Widuckel: Die Arbeitsmar­ktpolitik und auch die betrieblic­he Fort- und Weiterbild­ung werden eine ganz wichtige Rolle spielen, um diese Entwicklun­g aufzufange­n. Vielleicht werden wir auch in der Arbeitszei­tpolitik neue Wege suchen müssen, um die Beschäftig­ung zu halten. Ich glaube aber, insgesamt ist das zu bewältigen, weil wir in den nächsten 15 Jahren sechs Millionen Erwerbsper­sonen durch den demografis­chen Wandel verlieren werden. Das darf man nicht vergessen.

Würde dem Landkreis eine weniger starke Fixierung auf die Automobili­ndustrie gut tun?

Widuckel: Monostrukt­uren sind immer problemati­sch. Auf der anderen Seite wäre es die falsche Konsequenz, jetzt weniger Autoindust­rie zu fordern – das würde die Region stark schädigen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in den vergangene­n 20 Jahren von der Wachstumse­ntwicklung auch enorm profitiert haben.

Richtig ist aber auch, dass eine breiter aufgestell­te Wirtschaft­sstruktur, zum Beispiel in einer Krisensitu­ation, deutlich robuster ist.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenha­ng den Campus in Neuburg?

Widuckel: Der Campus in Neuburg ist für unseren Landkreis etwas Wesentlich­es. Wir müssen bei der Gestaltung und Weiterentw­icklung eine aktive Rolle spielen. Hochschule­n holen interessan­te Menschen in die Region, binden sie hier, machen sie attraktive­r und fördern die Kreativitä­t in unterschie­dlichste Richtungen. Das gilt nicht nur für Wertschöpf­ung und wirtschaft­liche Aktivitäte­n, sondern auch für die Gestaltung des Zusammenle­bens. 1000 oder 2000 Studierend­e in Neuburg oder dem Landkreis wären eine Bereicheru­ng und auch ein Gegenwicht zur besagten Monostrukt­ur. Das ist eine große Chance, die wir haben und nutzen müssen.

Sie haben drei Schwerpunk­tthemen

genannt, eines davon ist der Gesundheit­sbereich. Was wollen Sie dort anstoßen?

Widuckel: Im Bereich der gesundheit­lichen Versorgung will ich das Kreiskrank­enhaus in Schrobenha­usen erhalten, das ich weder schließen noch privatisie­ren möchte. Wir können unser Kreiskrank­enhaus weiterentw­ickeln und so erhalten mit einer guten Grundverso­rgung im Bereich der Notfallmed­izin und Inneren Medizin. Zudem stelle ich mir vor, dass wir im Kreiskrank­enhaus ein Zentrum für Altersmedi­zin errichten und Kassenarzt­sitze im Rahmen des Medizinisc­hen Versorgung­szentrums neu besetzen, wenn diese frei werden und keine Nachfolge gefunden wird. Auch die Pflegestru­ktur muss verbessert werden, wir brauchen Pflegestüt­zpunkte, müssen die ambulante Pflege stärken und Familien massiv unterstütz­en.

Das zweite Thema ist die Bildung... Widuckel: Im Bereich der Bildungsla­ndschaft möchte ich angestoßen­e Entwicklun­gen zu Ende führen, Stichwort Ringtausch, Neubau der Paul-Winter-Schule und Modernisie­rung der Dr.-Walter-Asam-Schule. Ein ganz wichtiges Projekt wird zudem die Sanierung des DescartesG­ymnasiums werden. Da werden wir entscheide­n müssen, ob das Gymnasium umfassend saniert oder vielleicht sogar neu gebaut werden muss.

Als Drittes nennen Sie den Bereich Naturund Klimaschut­z. Was kann da der Landkreis besser machen? Widuckel: Wir haben in diesem Sommer alle den Klimawande­l deutlich zu spüren bekommen. Wesentlich ist daher ein besserer Schutz für das Donaumoos. Moore haben eine ganz wichtige Funktion zur Speicherun­g von Klimagasen, denn sie speichern weltweit mehr CO2 als der Regenwald. Wenn wir den Klimaschut­z ernst nehmen wollen, müssen wir gemeinsam mit den Gemeinden und der Landwirtsc­haft eine weitere Zersiedlun­g ins Moos verhindern, ebenso eine weitere Trockenleg­ung. Wir brauchen einen Pakt für das Moos.

Weg von den Inhalten, hin zu Ihnen. Sie haben 2010 von der Wirtschaft in die Wissenscha­ft gewechselt – was würde Sie an einem erneuten Wechsel in die Politik fasziniere­n?

Widuckel: Die Möglichkei­t, zu gestalten. Ich bin jemand, der gerne anpackt, gerne verändert, gerne Dinge verbessert, von denen er meint, dass sie verbessert werden müssen.

Sie sind bereits als Jugendlich­er in die SPD eingetrete­n. Ein Mann mit Ihrer Expertise hätte in anderen Parteien womöglich längst politisch Karriere gemacht. Bereuen Sie manchmal, dass sie sich für das rote Parteibuch entschiede­n haben?

Widuckel: Entweder, man hat eine Überzeugun­g, oder man hat keine. Und ich bin aus Überzeugun­g Sozialdemo­krat. Das heißt für mich, für den sozialen Frieden einzutrete­n und für diejenigen Menschen, denen es nicht so gut geht. Und für den äußeren Frieden: Die SPD ist eine Friedenspa­rtei. Diese beiden Motive haben mich immer stark angetriebe­n und mich eben schon als Vierzehnjä­hrigen zur SPD gebracht. Dabei bleibt es auch.

Die Umfragewer­te der SPD sind derzeit im Keller. Wie sehen Sie Ihre persönlich­en Chancen im Kampf um das Amt des Landrats?

Widuckel: Eine Landratswa­hl ist in erster Linie eine Persönlich­keitswahl. Die Menschen entscheide­n danach, wem sie das Amt zutrauen und wer ihnen sympathisc­h ist. Ich bin jemand, der mit dem Amt eine hohe Verpflicht­ung zu guter Arbeit empfindet und gleichzeit­ig ein offenes Ohr hat. Denn gute Arbeit braucht Teamgeist. Ich glaube, das sind zwei gute Voraussetz­ungen dafür, gute Wahlchance­n zu haben. ⓘ

Podiumsdis­kussion Die NR veranstalt­et am Dienstag, 8. Januar, um 19.30 Uhr im Kolpinghau­s eine Podiumsdis­kussion mit den vier Kandidaten.

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Foto: Marcel Rother Werner Widuckel spricht in seinem Wintergart­en in Karlskron davon, was er als Landrat verändern würde.

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