Wie eine Frau um Anerkennung kämpft
Silvia Weigl aus Neuburg überlebt zwei Strom- und einen Blitzschlag. Nach den Arbeitsunfällen beginnt für sie eine Odyssee. Bis sie eine umfassende Untersuchung erhält, dauert es Jahre. Nun feiert sie zumindest einen Teilerfolg
Neuburg Es ist eine Geschichte, die unglaublich klingt. Sieben Jahre ist es nun her, dass Silvia Weigls Odyssee beginnt. Die damals 46-jährige Neuburgerin arbeitet als kaufmännische Angestellte in einem Geschäft in der Großen Kreisstadt. An einem Samstag im Juni ist sie alleine im Geschäft. Als sie die elektrischen Geräte anschaltet, bekommt sie einen gewaltigen Stromschlag. „Es war wie eine kleine Explosion. Mir wurde sofort übel, ich hatte Schmerzen im rechten Arm“, erinnert sie sich an den Vorfall.
Zwar überweist sie ihr Hausarzt ins Krankenhaus, krankschreiben lässt sich die Neuburgerin jedoch nicht. Nur zwei Wochen später passiert der nächste Unfall – wieder am Arbeitsplatz. Bei einem Unwetter schlägt der Blitz in das Gebäude ein und trifft Weigl am linken Arm. „Der Knall war sehr laut, ich habe richtig die Energie und Erschütterung gespürt.“Sie befindet sich im Schockzustand, erst als ihre Kollegin sie anschreit, kommt sie wieder zu sich. Wieder hat Weigl Schmerzen, ihr linker Arm fühlt sich heiß an. Auf eine Anzeige wegen fehlender Sicherheit am Arbeitsplatz verzichtet Weigl. Damals ist ihr Bruder ihr Chef. Sie fürchtet, dass er zur Rechenschaft gezogen wird.
Zwar stellen Ärzte nach dem zweiten Vorfall einen Eintrittspunkt des Blitzes am kleinen Finger der linken Hand fest, ausreichende Untersuchungen werden jedoch nicht durchgeführt, erzählt Weigl. Bis heute leidet sie unter Folgeschäden der Unfälle: „Wenn es ruhig ist und es plötzlich laut knallt oder irgendwo grelles Licht ist, dann fühle ich mich unwohl.“Ihre linke Hand kann Weigl noch heute nicht vollständig benutzen.
Als sie im Dezember 2011 einen dritten Stromschlag in dem Gebäude bekommt – alle in einem bestimmten Teil des Hauses –, glauben ihr die Ärzte nicht mehr. „Im Nachhinein betrachtet hätte ich in eine Fachklinik gemusst“, erklärt Weigl. Stattdessen sei ihr öfter gesagt worden, dass sie sich die Beschwerden einbilde. Schwere Vorwürfe macht nicht nur den behandelnden Ärzten, sondern auch der Berufsgenossenschaft. „Sie hat mir eine bestmögliche Versorgung versprochen. Die Versicherung wollte die Beschwerden jedoch auf irgendwelche Vorerkrankungen zurückführen und ist damit an der eigentlichen Sache vorbeigerauscht.“
Erst Ewald Kraus von der Notgemeinschaft Medizingeschädigter empfiehlt Weigl einen Handchirurgen im österreichischen Klagenfurt. Zwei Jahre nach den drei Arbeitsunfällen erhält Weigl die erste umfassende Untersuchung. „Die Blutwerte waren katastrophal, ich musste dringend operiert werden.“Mittlerweile vier Operationen an der Hand hat Weigl hinter sich. „Nerven waren zum Teil geschlängelt. Das deutet auf einen Schaden aufgrund gro- ßer Hitzeentwicklung hin“, sagt Weigl.
Doch damit endet der Ärger nicht: Seit Dezember 2011 ist sie durchgehend krankgeschrieben. Weil sie zudem ein Haus besitzt, bekommt sie kein Hartz IV. Einige der Untersuchungen zahlt sie aus eigener Tasche. Erst 2016 scheint es sich für Weigl langsam zum Guten zu wenden. Über ihren Frauenarzt und Orthopäden kommt sie zum Verbrennungszentrum nach Nürnberg. Die Ärzte dort bestätigen den Befund aus Österreich und operieren Weigl, die zum damaligen Zeitpunkt bereits unter Sehproblemen des linken Auges leidet, an der Schulter. „Laut Ärzten war es ein verheerender Anblick. Gewebe und Gefäße waren zum Teil verschmolzen. Mit der OP hat sich vieles geWeigl löst. Auch die Sehprobleme waren weg“, erklärt Weigl.
Im Dezember des vergangenen Jahres entschließt sie sich dazu, die Medien einzuschalten. Ihre Geschichte ist Teil der Sendung „Kontrovers“des Bayerischen Rundfunks. Warum sie diesen Schritt gewählt hat? „Ich führe keinen Kampf, sondern will mit meinem Schicksal anderen Menschen helfen. Vielleicht einen Stein ins Rollen bringen.“Vor dem Sozialgericht in München bekommt Weigl immerhin schon einmal recht. Sie erhält rückwirkend eine Vollerwerbsminderungsrente. „Das glaube ich aber erst, wenn ich es schwarz auf weiß sehe“, sagt sie. Nun drängen sie und ihr Anwalt noch auf eine mündliche Verhandlung gegen die Berufsgenossenschaft. Diese sperre sich nämlich noch immer, erklärt die Neuburgerin.
Diese Vorwürfe will die Berufsgenossenschaft für Handel und Warenlogistik in Bonn so nicht stehenlassen: „Das Verfahren ist für uns seit 2013 abgeschlossen. Seitdem liegt der Fall beim Sozialgericht. Es ist keineswegs so, dass wir auf Zeit spielen“, erklärt Pressesprecher Karl-Josef Thielen. Grundsätzlich prüfe die Berufsgenossenschaft, ob ein medizinisches Gutachten schlüssig ist. Ist dies nicht der Fall, schaltet die Genossenschaft Fachärzte ein. „Besteht kein Zusammenhang zwischen Unfallursache und Leiden, können wir nicht bezahlen.“Das Gebäude hätten in der Zwischenzeit drei Stellen geprüft. „Meines Wissens nach war kein Defekt der technischen Geräte verantwortlich.“