„Wir als Kirche müssen uns öffnen“
Axel Piper ist als neuer Regionalbischof das Gesicht von knapp 300 000 Protestanten in Schwaben. Was ihn umtreibt und was er sich für seine Amtszeit vorgenommen hat
Herr Piper, Sie werden am Sonntag in Ihr neues Amt als evangelisch-lutherischer Regionalbischof im Kirchenkreis Augsburg und Schwaben eingeführt. Wissen Sie, worauf Sie sich da eingelassen haben?
Axel Piper: Ich weiß es nicht, habe aber eine Ahnung. Und ein bisschen Abenteuer braucht das Leben ja.
Das Bayerische Fernsehen überträgt den Festgottesdienst live. Nervös? Piper: Das werde ich dann schon sein, wenn es so weit ist. Alleine die Vorstellung, dass da viele Menschen wegen mir kommen werden... Man predigt auch nicht so oft vor dem Landesbischof.
Welche Predigt darf denn Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm erwarten?
Piper: Sie wird persönlich und programmatisch. Es wird um die Taufe Jesu und um Neuanfänge gehen. Meinen eigenen eingeschlossen.
Die evangelische Kirche steht vor einer Zeit großer Umbrüche, die vor dem Kirchenkreis Augsburg und Schwaben mit seinen knapp 300 000 Protestanten natürlich nicht haltmachen.
Piper: Noch sind wir in der luxuriösen Situation, dass wir diese Umund Aufbrüche gestalten können.
Wie die katholische Kirche muss auch die evangelische viele Pfarrgemeinden zusammenlegen, weil die Zahl der Mitglieder und Pfarrer zurückgeht. Piper: Ja, und daher werden wir Abschied nehmen müssen von manchen Dingen. Das wird schmerzhaft sein. Aber wir müssen jetzt nicht in eine depressive Stimmung verfallen und jammern: Oh, es gibt weniger Kirchenmitglieder, es gibt weniger Nachwuchs, es gibt weniger Geld! Wir stehen vor einer Herausforderung und müssen uns vor allem überlegen: Wie kommen wir an die Menschen wieder heran?
Wie?
Piper: Wir müssen rausgehen. Ich kann nicht erwarten, dass sie in die Kirche kommen. Wir müssen gerade für die Menschen, die nichts mehr von uns wissen wollen, interessant werden. Sie müssen nicht mit allem einverstanden sein, aber sie sollten uns wenigstens zuhören. Wir dürfen uns nicht auf das konzentrieren, was wir haben. Deshalb müssen wir die Ressourcen schaffen, um zu den Menschen zu gehen. Viele stehen der Kirche gleichgültig gegenüber.
Piper: Ich glaube durchaus, dass die Menschen sich von uns ansprechen lassen wollen. Wir müssen da auch neue Wege gehen. Mit einer verständlichen Sprache oder mit Aktionen, wo sie denn passen. Im vergangenen Jahr zum Beispiel haben wir einen Lichtkünstler engagiert, der eine Kirche in meinem Dekanat Weilheim innen und außen mit einer Lichtshow illuminiert hat. Auf einmal saßen Menschen in der Kirche, die seit Jahrzehnten nicht mehr oder noch nie in einer evangelischen Kirche waren. Ein Patentrezept habe ich nicht, aber wir als Kirche müssen uns öffnen und offen bleiben.
Gerade junge Familien und Kinder nehmen kirchliche Angebote wahr. Wenn die Kinder ins Teenageralter kommen, gehen sie der Kirche dann oft verloren.
Piper: Als 16-Jähriger war ich nicht anders. Es gibt einfach Zeiten, da ist Kirche nicht dran. Warum auch nicht? In anderen Lebenssituationen kommen die Menschen vielleicht wieder zurück.
Ihr Vater war Bergbau-Ingenieur in Essen. Was sagte er zu Ihrem späteren Werdegang?
Piper: Er ist vor zwölf Jahren gestorben, meine Mutter auch. Meine Eltern waren evangelisch, wie viele andere auch. So waren wir nur an Weihnachten und Karfreitag in der Kirche. Nun: Sie haben sich gewundert, und ich habe mich lange als Exot in der Familie gefühlt. Als ich anfing, in München Theologie zu studieren, interessierte mich die Frage nach Gott, nach Gerechtigkeit – ein kirchlicher Beruf und was er bedeutet, darüber habe ich mir damals keine Gedanken gemacht.
Nun tun Sie es umso mehr?
Piper: Das kann man sagen. Keine Pfarrerin, kein Pfarrer kann jede Tätigkeit, von der Büroarbeit bis hin zum Predigen, gut. Das geht auch nicht. Das Allerwichtigste ist, dass sie ihre Arbeit mit Lust machen, denn das strahlt aus. Sie sollen ihre Arbeit gern tun. Das gilt genauso für die Ehrenamtlichen.
In der Realität stellt es sich vielfach anders dar. Pfarrerinnen und Pfarrer klagen über enorme Arbeitsbelastung. Piper: Das stimmt. Es geht nicht, dass zum Beispiel Pfarrerinnen und Pfarrer sieben Tage die Woche erreichbar sind. Wir haben Pfarrerinnen und Pfarrer auf halben Stellen, die arbeiten Vollzeit. Die Frage, die wir jetzt angehen müssen, ist: Wie können wir sie konkret entlasten?
Wird das nicht überaus schwierig, wenn die Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer weiter sinkt?
Piper: Wir müssen dennoch eine Lösung finden. Der Pfarrer ist immer im Amt, sagt man. Aber der Pfarrer hat auch Familie, hat hoffentlich Hobbys und steht im Leben. Der will sich nicht durch die Hintertür aus dem Pfarrhaus schleichen müssen, damit es die Sekretärin nicht sieht. Ich kenne keine Pfarrerin und keinen Pfarrer, die oder der nicht über ihre normale Arbeitszeit hinaus arbeitet. Da stimmt die Balance zwischen Arbeit und Freizeit in vielen Fällen nicht mehr und das ist physisch wie psychisch gefährlich. Wir wollen doch keine Märtyrer. Interview: Alois Knoller
und Daniel Wirsching
OAxel Piper, 59, wurde in Essen geboren. Mit drei Jahren kam er nach München. Sein Abitur machte er in Lindau. Seit 2003 war er Dekan im oberbayerischen Dekanatsbezirk Weilheim, zu dem auch Landsberg am Lech gehört. Seit 2004 ist er Rundfunkprediger („Auf ein Wort“) beim BR. Piper ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Er wird am Sonntag in der evangelischen St.Ulrichs-Kirche in Augsburg in sein Amt als Regionalbischof eingeführt. Der BR überträgt ab 15 Uhr live im Fernsehen.