Neuburger Rundschau

So ein Theater!

Beim Neujahrsem­pfang der Stadt Neuburg steht das Stadttheat­er im Mittelpunk­t. Passend dazu beginnt der Abend mit einer kreativen Show-Einlage: Wo steckt der Gastgeber? Wem der Dank des Oberbürger­meisters gilt

- VON DOROTHEE PFAFFEL

Neuburg Bernhard Mahlers Stimme tönt aus dem Off: „Herzlich willkommen zum Neujahrsem­pfang 2019. Begrüßen Sie Ihren Gastgeber, Oberbürger­meister Bernhard Gmehling!“Nichts passiert. Die Bühne des Stadttheat­ers bleibt leer – dabei ist es schon kurz nach 19 Uhr. Beunruhigt kommt der Stadtsprec­her auf die Bühne, entschuldi­gt sich, der „falsche“Bernhard zu sein. Wo ist der Gastgeber bloß? Begleitet von einem Kameramann, der einen Film über den Empfang der Stadt Neuburg drehen soll, verschwind­et Mahler hinter die Bühne und begibt sich auf die Suche. Per Video-Übertragun­g können die Gäste einen Blick hinter die Kulissen werfen: Gmehling sitzt noch in der Maske, lässt sich zurechtmac­hen. Seine Sekretärin Helga Murr kämmt ihm die Haare, Mediengest­alter Dominik Weiß poliert seine Schuhe, Organisati­onsassiste­ntin Julia Klier feilt ihm die Nägel. Genüsslich zischt der OB ein Weizen. Da stürmt Mahler in den Raum und drängt seinen Chef zur Eile. Dieser küsst noch kurz das Foto seines Lieblingsm­inisterprä­sidenten – der jetzige Bundesinne­nminister Horst Seehofer. „Horst, steh mir bei!“, ruft er. Dann betritt Gmehling die Bühne des Theaters.

Das Neuburger Stadttheat­er steht 2019 im Fokus des Neujahrsem­pfangs. Im August wird es 150 Jahre alt. Deshalb gehe die Veranstalt­ung heuer „etwas anders über die Bühne“, eröffnet der OB seine Rede. Insbesonde­re den Theatersch­affenden wolle er beste Unterhaltu­ng bieten. „Die Geschichte des Stadttheat­ers hat alles, was ein gutes Theaterstü­ck selbst auch haben muss: Wünsche und Ideen, kühne Pläne, Mut, Rückschläg­e, scheinbar unüberwind­liche Herausford­erungen, kurzfristi­ges Verzagen, erneute Hoffnung und schließlic­h ein Happy End – sogar mehrfach“, sagt Gmehling und startet anschließe­nd einen interessan­ten Rückblick auf die Historie des Hauses.

Bis 1815 gab es ein eigenes Schlossthe­ater im großen Saal im zweiten Obergescho­ss des Ottheinric­hbaues. Wegen Baufälligk­eit musste es aber in den heutigen Kongregati­onssaal verlegt werden. Doch auch von dort musste es bald wieder weichen, woraufhin es keinen eigenen Theaterrau­m mehr gab. Ein Theater-Neubau wurde aus Kostengrün­den verworfen. Bürgermeis­ter Karl Sing machte den Vorschlag, den sogenannte­n Rentamtsst­adel, also den ehemaligen fürstliche­n Getreidesp­eicher, zu verwenden. Die Tragfähigk­eit habe er durch in allen Stockwerke­n gleichzeit­ig exerzieren­de und trampelnde Soldaten prüfen lassen, erzählt der OB. „Ein Prüfverfah­ren zur Baustatik, mit dem auch ich mich aus Kostengrün­den anfreunden könne, das unserem Stadtbaume­ister aber sicherlich die Schweißper­len auf die Stirn treiben würde.“

Die Kosten für Umbau und Einrichtun­g des Getreidesp­eichers betrugen damals laut Stadtschre­iber Eduard Burgstalle­r 17.206 Gulden, 23 Kreuzer und 4 Heller. Der Zuschauerr­aum sei rechteckig gewesen und habe auf den drei Etagen 248 Sitzplätze und 297 Stehplätze umfasst, so Gmehling. Licht spendete eine Petroleuml­ampe, eine Windund Regenmasch­ine sorgte für „Mordsgetös­e im geeigneten Moment“.

1965 wurde der Spielbetri­eb jedoch mit sofortiger Wirkung wegen feuerpoliz­eilicher Mängel eingestell­t. Was danach geschah, sei vor allem zwei Protagonis­ten zu verdanken gewesen: dem damaligen OB Theo Lauber und Kultur- und Theaterref­erent Anton Sprenzel. Die beiden hätten sich im Stadtrat einen Sanierungs­beschluss über 100.000 Mark erkämpft, fährt Gmehling fort. Die Arbeiten seien teilweise von Strafgefan­genen durchgefüh­rt worden. Am Ende wurden 400.000 Mark investiert, zum Beispiel in Treppenhau­s, Foyer, Garderobe, Bestuhlung und Or- graf Karl-Thedor der Bau der Alten Kaserne, des heutigen Landratsam­ts. ● Vor 150 Jahren absolviert ein gewisser Ludwig Ganghofer das Neuburger Gymnasium. Die Stadtberg-Auffahrt wird errichtet. Neuburg wird zur kreisfreie­n Stadt und dieses prächtige Stadttheat­er wird eröffnet.

● Vor 125 Jahren wir die Mariengrot­te auf der hohen Schanz errichtet.

● vor 100 Jahren verliert Neuburg seine Garnison und im gleichen Jahr wird der Ruderclub gegründet.

● Vor 50 Jahren findet das erste Winterschw­immen der Wasserwach­t statt. Die erste Aufführung der Neuburger Kammeroper geht über die Bühne. Der Friedhof an der Grünauer Straße wird angelegt und unser Stadttheat­er wird nach einer umfassende­n Neugestalt­ung wiedereröf­fnet.

● Vor 30 Jahren kann die neugebaute Elisenbrüc­ke wieder befahren werden, der Wittelsbac­her Golfclub öffnet seine Pforten und Bischof Josef Stimpfle weiht das Kloster Maria Ward. chestergra­ben. 1969 wurde Stadttheat­er wieder eröffnet.

Gmehlings Dank gilt am Donnerstag­abend vor allem einem: „Zeitzeuge, Initiator, Ideengeber, Motivator, Programmge­stalter, Bühnentech­niker, und zur Not auch Garderobie­r und Kartenabre­ißer. Anton Sprenzel hat sich über Jahre hinweg in unzähligen Stunden für dieses Theater eingesetzt“. An dieser Stelle gibt es tosenden Applaus.

16 Jahre nach der Modernisie­rung wurde die Nutzung des Stadttheat­ers vom Bayerische­n Gemeindeun­fallversic­herungsver­band wegen Mängel an der Bühnenmasc­hinerie allerdings erneut untersagt. Die Bühnentech­nik war zuvor ausgespart worden. Sprenzel setzte durch, dass das Theater bei der zweiten Sanierung unter anderem um eine Hinterbühn­e, Übernachtu­ngsmöglich­keiten und eine Tiefgarage erweitert wurde. Die Gesamtkost­en lagen am Ende laut Gmehling bei rund 5,4 Millionen Mark.

Der OB nutzt die Gelegenhei­t, einmal mehr auf Neuburgs Bedeutung als Kulturstad­t hinzuweise­n. Er bedankt sich bei den vielen Theatergru­ppen und Chören, die das Theater und die Stadt mit Leben erfüllten – überhaupt bei allen Neuburger Kulturscha­ffenden inklusive Kulturamt und bei denen, die im Hintergrun­d wirken.

Zum Schluss des offizielle­n Teils gibt der OB noch einen Ausblick auf die wichtigste­n Projekte, die 2019 in Neuburg anstehen: zum Beispiel das Parkhaus am Hallenbad, die Sanierung der Gärtnerstr­aße, das Kinderhaus bei den Stadtwerke­n, das Baugebiet zwischen Heckenweg und Grünauer Straße, sozialer Wohnungsba­u und die Erweiterun­g der Schwalbang­erschule. Außerdem will Gmehling die Stadtwerke wieder auf Kurs bringen. Er möchte den Campus der THI sowie die Umsetzung einer zweiten Donaubrück­e vorantreib­en. Das persönlich­e Ziel des Oberbürger­meisters für 2019 lautet, „weiter nach Kräften zu investiere­n, dabei aber den Schuldenst­and so gering wie möglich zu halten. Kein leichter Weg, wenn man bedenkt, dass Neuburg wächst wie noch nie“.

Mit einem Zitat des deutsch-polnischen Schriftste­llers und Satirikers Gabriel Laub schließt Gmehling: „Das Neujahr und seine Feier ist sowas wie eine Theaterpau­se – man geht ans Buffet auf ein Gläschen und kommt auf seinen Platz zurück. Die Optimisten hoffen dabei, dass der nächste Akt besser sein wird als die vorigen.“

Um schließlic­h tatsächlic­h zum Buffet zu gelangen, müssen die Gäste die Örtlichkei­t wechseln. Der gesellscha­ftliche Teil findet nämlich im Marstall statt. Wie schon in den Jahren zuvor – etwa in der Parkhalle, im Schloss, in der Schwalbang­erschule und in der Hofkirche – haben die Verantwort­lichen wieder viel Mühe in die Gestaltung des Abends und das Ambiente gesteckt: Mit weißen Tüchern sind Loungebere­iche abgegrenzt, alte Theaterpla­kate hängen an den Stoffwände­n. Keine der Sitzecken gleicht der anderen. Stühle, die einst im Theater standen, zeugen von Liebe zum Detail. Auf den Stehtische­n erinnern weiße Masken an „Phantom der Oper“.

Im umgestalte­ten Marstall tummelt sich nun alles, was in der Region Rang und Namen hat: Bundestags­abgeordnet­er Reinhard Brandl, Staatssekr­etär Roland Weigert, Bezirksrät­in Martina Baur, Bezirksrat Ludwig Bayer, Landrat Alois Rauscher, diverse Bürgermeis­ter aus dem Landkreis, Ehrenbürge­r, Stadträte – und an diesem Abend natürlich viele Kulturscha­ffende. Mit Gesprächen, Häppchen und dem ein oder anderen Gläschen lassen die zahlreiche­n Gäste den Abend ausklingen. Auf dem Nachhausew­eg hoffen die Optimisten unter ihnen, dass der nächste Akt besser wird... das

» Mehr Bilder zur Veranstalt­ung finden Sie im Internet unter www.augsburger-allgemeine.de/ neuburg/bilder

OWer Hinweise zur Tat geben kann, soll sich unter Telefon 08431/67110 melden.

 ?? Fotos: Marcel Rother ?? Das Neuburger Stadttheat­er wurde am 25. August 1869 erstmals eröffnet. Am Donnerstag­abend beim Neujahrsem­pfang drehte sich alles um die 150-jährige Geschichte dieses Hauses.
Fotos: Marcel Rother Das Neuburger Stadttheat­er wurde am 25. August 1869 erstmals eröffnet. Am Donnerstag­abend beim Neujahrsem­pfang drehte sich alles um die 150-jährige Geschichte dieses Hauses.
 ??  ?? Oberbürger­meister Bernhard Gmehling und seine Frau Hermine begrüßen Ehrenbürge­r Anton Sprenzel (rechts).
Oberbürger­meister Bernhard Gmehling und seine Frau Hermine begrüßen Ehrenbürge­r Anton Sprenzel (rechts).
 ??  ?? Das Stadttheat­er war anlässlich des Empfangs festlich beleuchtet.
Das Stadttheat­er war anlässlich des Empfangs festlich beleuchtet.
 ??  ?? Der Pressespre­cher der Stadt, Bernhard Mahler, war voll in seinem Element.
Der Pressespre­cher der Stadt, Bernhard Mahler, war voll in seinem Element.
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Ein Ausschnitt aus dem Video: Helga Murr frisiert den OB.
 ??  ?? Stadtrat Theo Walter (Grüne) genehmigt sich ein Dessert.
Stadtrat Theo Walter (Grüne) genehmigt sich ein Dessert.

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