Zwischen allen Welten
Ali Ramazani hatte Arbeit, eine Wohnung, spricht deutsch und ist gut integriert. Dennoch soll er Deutschland verlassen. Nicht nur sein ehemaliger Chef fragt sich: Warum bloß?
Ingolstadt „Jemand, der sich integriert, keinem zu Lasten ist und uns zusätzlich den kulturellen Horizont erweitert, muss BLEIBEN!“– „Es kann nicht sein, dass wir einen permanenten Arbeitskräftemangel haben, und dann die Chance der Zuwanderung nicht nutzen. Vor allem in solchen Fällen, in denen Zuwanderer schon in der Arbeit sind.“Das sind zwei von mehreren Kommentaren, die das Online-Petitionsverfahren für ein Bleiberecht von Ali Ramazani begleiten. Über den Ingolstädter Afghanen berichtete unsere Redaktion bereits im Juli 2018. Damals musste er seine Arbeitsstelle bei der Sattlerei Böttcher in Ingolstadt aufgeben, nachdem sein Asylantrag abgelehnt wurde. Und er musste aus seiner Wohnung in eine Gemeinschaftsunterkunft in Geisenfeld ziehen. Dort lebt er nun wieder in einem Mehrbettzimmer und hat Angst vor der Abschiebung.
Dabei ist Ramazani ein Musterbeispiel für Integration. Er bemühte sich erfolgreich, Deutsch zu lernen. Hat sich Arbeit gesucht und auch gefunden. Sein Arbeitgeber ist hoch zufrieden mit ihm. Aber seit der Ablehnung seines Asylantrags darf der 23-Jährige nicht mehr arbeiten.
Bis Juni arbeitete der Afghane, der 2012 als unbegleiteter Minderjähriger in Deutschland angekommen war, bei der Sattlerei Böttcher. Sein Arbeitgeber und seine Kollegen wollten seine Abschiebung nicht hinnehmen und starteten eine Online-Petition. Was im Juli 2018 ins Rollen gebracht wurde, ist bis heute nicht entschieden. Die Abschiebung von Ramazani sei zwar ausgesetzt, bis über die Petition entschieden sei, so Thomas Böttcher, aber seither habe sich nichts getan.
Dabei gibt es eine Menge Unterstützer. Immer wieder versucht Böttcher, zumindest eine Arbeitserlaubnis für seinen früheren Mitarbeiter zu erhalten. Postwendend aber sei jedes Mal die Absage vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gekommen. Und die werde mit der Gesetzeslage begründet.
Der junge Afghane hatte Probleme, seine Papiere vorzulegen, weil er einfach keine hatte. Geboren irgendwo auf dem Land in Afghanistan, war eine Geburtsurkunde schwer aufzutreiben. Inzwischen liegen die Papiere laut Böttcher beim BAMF vor. Aber die lange Dauer wurde Ramazani negativ ausgelegt, obwohl der junge Mann und auch sein Arbeitgeber alles versucht hatten, wie sie erzählen, um an Papiere aus Afghanistan zu kommen.
Zeit, die für die weitere Integration und Ausbildung verwendet hätte werden können, verstreicht ungenutzt. Dabei bräuchte Böttcher seinen fleißigen Sattler. Ali Ramazani lernt indes weiter eifrig Deutsch, um vor dem Petitionsausschuss genügend Argumente für ein Bleiberecht zu haben. Der Ausschuss hat das Innenministerium gebeten, die Abschiebung auszusetzen. Dort hofft man auf ein Zuwanderungsgesetz, das aber auf sich warten lässt. Da die drei Monate, für die der Aufschub der Abschiebung gilt, auch schon fast wieder vorbei sind, vermutet Böttcher, dass sich der Petitionsausschuss vielleicht noch einmal mit dem Fall Ramazani beschäftigen wird. Weiterhin bemüht sich das Ingolstädter Unternehmen um eine Arbeitserlaubnis für den jungen Afghanen. Böttcher versteht nicht, wieso nicht einfach unterschieden wird, wie lange der Asylant im Land ist, wie integrationswillig er ist und ob er arbeitet. All dies treffe auf Ali Ramazani zu. Nie habe eine Nachfrage von irgendeinem Amt die Firma erreicht, so Böttcher, um sich zu erkundigen, wie der Afghane integriert sei und wie er lebe. Inzwischen ist viel Zeit vergangen. Die Hängepartie geht aber weiter.
Auch das Schicksal von Peyman Mormand bewegt viele Menschen in der Region. Er sitzt ebenfalls mit einem abgelehnten Asylantrag in einer Gemeinschaftsunterkunft. Mormand hat den Vorteil, dass er arbeiten darf. Als Koch ist er im Restaurant Antalya beschäftigt und ist mit seiner Arbeit sehr zufrieden. Genauso zufrieden ist sein Chef Deniz Panné, der nicht versteht, dass sein Angestellter kein Bleiberecht erhält. Mormand ist ebenfalls Afghane. Sein afghanischer Vater kam als Flüchtling in den Iran. In Afghanistan, wohin er abgeschoben werden könnte, war Mormand nie. Auch in seinem Fall hat sein Arbeitgeber eine Online-Petition angestrengt.
Peyman Mormand und auch Ali Ramazani sind nur zwei von vielen, die auf ein Ergebnis warten.