Das Handwerk braucht wieder die Meisterpflicht
Die Auftragsbücher gerade im Baubereich sind voll. Kunden warten oft lang. Doch vielen Betrieben fehlen Mitarbeiter. Daher müssen die Berufe attraktiver werden
Wer einen Handwerker braucht, muss oft sehr lange warten. Weil die Auftragsbücher vieler Handwerker brechend voll sind. Gerade der Baubranche geht es glänzend, gerade ihr fehlen aber Mitarbeiter. Seit Jahren schon kämpft das Handwerk um mehr Fachkräfte. Gesucht sind nicht nur junge Leute für eine Ausbildung. Qualifizierte Nachfolger für Betriebe gibt es auch zu wenig. Was das Handwerk zusätzlich vermisst, ist Wertschätzung.
Auf Menschen, die vor allem körperlich arbeiten, wird leider noch zu oft herabgeblickt. Da wundert es nicht, dass viele Jugendliche nicht ins Handwerk wollen. Geschadet hat dem Ruf des Handwerks aber noch etwas anderes: der Wegfall der Meisterpflicht in vielen Gewerken. Er droht das ganze Handwerk abzuwerten und das ohnehin schwer angekratzte Image weiter zu verschlechtern. Denn der Wegfall der Meisterpflicht macht das Handwerk in Teilen zu einem Auffangbecken für Ungelernte. Daher sollte dieser Fehler revidiert und die Meisterpflicht wieder eingeführt werden.
Es ist der Meistertitel, der für Qualität steht. Das gibt vor allem Kunden Sicherheit. Dass aber auch von Meisterhand Pfusch kommen kann, ist klar. Schwarze Schafe gibt es überall. Dennoch sorgen gerade Meisterbetriebe, indem sie ausbilden, für qualifizierten Nachwuchs und für einen wichtigen Wissenstransfer von einer Generation zur nächsten. Das oft traditionsreiche Können muss erhalten werden. Zumal der Austausch zwischen Jung und Alt die Basis bildet, damit Innovationen entstehen – etwa neue Techniken.
Doch mit Innovationskraft und Kreativität wird das Handwerk noch immer zu wenig verbunden. Dafür mit Schufterei. Mit Drecksarbeit bei jeder Witterung. Und zum Teil stimmt es ja auch, dass etliche Handwerksberufe – etwa am Bau – nichts für empfindliche Wesen sind, die bei jedem Regenguss eine Erkältung fürchten oder kriegen. Allerdings macht die Technisierung der Arbeitswelt auch nicht ausgerechnet vor dem Handwerk Halt. Viele Handwerker können heute viel komfortabler arbeiten. Und wer mal schaut, was Handwerker für ihre Dienste verlangen können (und sich als Kunde darüber ärgert), dem sollte klar sein, dass diese Branche beste Berufschancen bietet. Er kann den eigenen Kindern eigentlich nur raten, sich die Sache zumindest einmal anzusehen.
Aber eine fundierte Ausbildung mit einem anschließend auskömmlichen Gehalt bieten eben die meisten der vielen Kleinstbetriebe nicht, die nach dem Wegfall der Meisterpflicht entstanden sind. Sicher, es gab eine Gründerwelle. Und ja, viele dieser fleißigen Generalisten machen einen guten Job und helfen dabei, den Auftragsberg abzuarbeiten. Aber es bleiben eben oft nur Kleinstbetriebe. Zudem nicht selten mit geringer Überlebensdauer. Doch das Problem ist: Ohne Ausbildungsbereitschaft und Ausbildungsqualifikation verschärft sich die Fachkräftenot im Handwerk noch schneller und stärker.
Viele Handwerker wissen längst, dass die Zukunft ihrer Berufe auf dem Spiel steht. Sie nehmen sich die Zeit und gehen in Kindergärten und Schulen. Sie versuchen, dort die Kinder und Jugendlichen direkt für ihre Branche zu begeistern. Das ist der richtige Weg. Und warum nicht die Idee der Gewerkschaft IG Bau aufgreifen und ein verpflichtendes Praktikum im Handwerk einführen? Jugendliche sollen doch auch Lebenspraxis lernen. Es schadet keinem Schüler, wenn er sich in einer handwerklichen Arbeit zumindest einmal versucht hat. Fein heraus ist längst jeder, der ein Handwerk gelernt hat und selbst etwas reparieren kann. Denn, geht der Fachkräftekampf so weiter, wird sich die Wartezeit auf einen Handwerker massiv verlängern.
Pflicht-Praktikum im Handwerk schadet keinem Schüler