Wie das Handwerk um Azubis buhlt
Beruf Auslandserfahrungen, Smartphones, Autos: Das Handwerk sucht händeringend Lehrlinge. Manche Betriebe lassen sich da ganz besondere Anreize einfallen
Augsburg Als Franck Ribéry in Dubai sein mit Blattgold überzogenes Steak verspeiste und das Netz darüber spottete, reagierte ein Freisinger Handwerksbetrieb mit einem Facebook-Video. Zwei Männer stehen über einen Tisch gebeugt, einer hält ein Messer, der andere klatscht in die Hände – wie in dem Originalvideo des FC-Bayern-Stars. Doch statt eines Fußballprofis steht dort ein Metzger, es läuft nicht Elektro-, sondern Blasmusik, und anstelle eines Goldsteaks liegt eine in Alufolie gehüllte Weißwurst auf dem Teller.
Das Video ging viral. Etwa 3500 Menschen haben es geteilt. Die Freisinger Metzgerei Hack entdeckte Facebook bereits 2016 als Möglichkeit, an Azubis zu kommen, in einem Beruf, in dem das immer schwieriger wird: Metzger. „Wir hatten jahrelang keine Bewerbungen, also wirklich null“, sagt Metzgermeister Steffen Schütze.
Generell fehlen im Handwerk Bewerber – viele Betriebe können ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen. Bei der Metzgerei Hack half nicht einmal eine übertarifliche Bezahlung, Azubis zu finden – ein kostenloses iPhone als Anreiz schon. Die Internetkampagne schaffte die nötige Aufmerksamkeit.
„Keine Diskriminierung – wir nehmen auch Abiturienten“. So klingen die harmlosen Facebook- der Metzgerei. Etwas derber: Ein Bild einer jungen Frau mit einem Mett-Igel. Darüber: „Berufswunsch: Irgendwas mit Tieren.“Diese Beiträge polarisieren, schaffen aber in jedem Fall Aufmerksamkeit. Das funktioniert anscheinend. „Mittlerweile haben wir statt null etwa sieben oder acht Bewerbungen pro Jahr“, sagt Schütze. Neben dem Smartphone und ihrer Vergütung bekommen seine Auszubildenden ein Budget von 400 Euro pro Jahr, das sie für Freizeitaktivitäten wie Sprachkurse oder Musikunterricht ausgeben können.
Auch in Schwaben bieten Betriebe ihren Auszubildenden besondere Anreize: Das Holzbauunternehmen Baufritz in Erkheim im Unterallgäu etwa ermöglicht seinen Auszubildenden Auslandsaufenthalte: Die Zimmerer können zwei Wochen in Norwegen in einer Stadt nördlich von Trondheim verbringen. Die Firma Baufritz pflegt eine Partnerschaft mit einer dortigen Schule. Die Unterallgäuer Auszubildenden leben bei den norwegischen Azubis und arbeiten in verschiedenen norwegischen Baufirmen. Außerdem unternehmen sie Ausflüge in die Natur Norwegens.
Die Industriekaufleute der Firma Baufritz haben die Möglichkeit über ihre Berufsschule an einem Programm teilzunehmen, bei dem sie sich drei Wochen in London am European College of Business and Ma- nagement weiterbilden und ihre Englischkenntnisse verbessern können.
Weiter im Norden Schwabens hat das Nördlinger Bauunternehmen Eigner 2016 einen anderen Anreiz geschaffen: Einer der aktuell 20 Auszubildenden bekommt für mindestens einen Monat ein kleines Auto samt Sprit. Laut Elisabeth Grimm, die bei der Firma Eigner die Ausbildung leitet, bekommen diejenigen das Auto, die sich am meisten verbessern. „So etwas motiviert die Auszubildenden schon“, sagt sie – auch wenn manche nichts gegen ein größeres Modell einwenden würden.
Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben, sieht solche Anreize als „zweischneidiges Schwert“. Es sei nachvollziehbar, dass Betriebe herausstechen wollen, es dürfe aber auch keine „Blend-Effekte“geben. „Wenn ein Betrieb seinem Azubi den Führerschein bezahlt oder einen Auslandsaufenthalt ermöglicht, ist das gut, im Vordergrund muss aber die qualitativ hochwertige und solide Ausbildung stehen.“
Möglicherweise der wichtigste Anreiz für Auszubildende ist die Bezahlung. Hier gibt es, je nach GePosts werk, große Unterschiede. Wagner sieht Branchen wie das Baugewerbe, das im ersten Jahr bereits 1000 Euro zahlt, als „durchaus konkurrenzfähig“. Die Vergütungen seien in allen Branchen gestiegen. CDU-Bundesbildungsministerin Anja Karliczek sind sie in manchen Regionen und Branchen trotzdem zu niedrig. Sie hatte kürzlich eine Mindestausbildungsvergütung gefordert. Der schwäbische HandwerkskammerChef hat nichts dagegen: „Zuletzt war eine Mindestvergütung von 500 bis 600 Euro im Gespräch. Das ist für das Handwerk kein Problem.“Vier von fünf Auszubildenden im Bereich seiner Kammer bekämen ohnehin eine höhere Vergütung.
Auch Metzgermeister Schütze in Freising weiß, dass Geld bei seinen Auszubildenden eine große Rolle spielt – gerade im teuren Münchner Umland. „Man sollte seinen Berufswunsch nicht aufgeben müssen, weil man zu wenig verdient“, sagt er. Er orientiere sich daher an anderen Berufen. Seine Auszubildenden bekommen im dritten Lehrjahr 1400 Euro. „Wer gute Arbeit leistet, der sollte dafür auch Geld bekommen.“