„Das ist doch absurd“
Drei Tage lang wurde das Handy von Ingolstadts Ex-OB Alfred Lehmann abgehört. Er telefonierte mit einem Bauträger und mit seiner Schwester. Jedes Mal zeigte er sich fassungslos: Woher kommen nur die Korruptionsvorwürfe?
Ingolstadt Anfang Dezember 2016 standen Staatsanwalt und Polizisten vor der Wohnung von Ingolstadts Ex-OB Alfred Lehmann. In der Hand hatten sie einen Durchsuchungsbeschluss. Sie suchten nach Beweisen für eine mögliche Bestechlichkeit Lehmanns, nahmen einen Ordner mit und fuhren wieder davon. Was Lehmann da nicht wusste: Bereits einen Tag vorher haben die Ermittler begonnen, sein Handy zu überwachen. Drei Tage lang wurden Telefonate mitgeschnitten. Er hat mit jenem Bauträger telefoniert, von dem er seine Privatwohnung zu billig gekauft haben soll, und mit seiner Schwester. „Ach Alfred, es ist doch fürchterlich“, sagte die. Anzuhören war all das am Dienstag am Landgericht.
Ende 2016 war Alfred Lehmann mitten in den Strudel um die Klinikumsaffäre hineingezogen worden. Beim Ex-OB geht es um Vorwürfe, die Studentenwohnungen auf dem ehemaligen Pioniergelände und seine eigene Privatwohnung in der Ingolstädter Innenstadt betreffen. In allen Fällen soll er billiger an die Wohnungen gekommen sein. Die Absprache mit den Käufern der Areale soll laut Staatsanwaltschaft gewesen sein: Ihr bekommt den Zuschlag fürs Gelände und ich anschließend billige Wohnungen. Von einem finanziellen Vorteil von rund einer Dreiviertelmillion geht die Anklage aus.
Bei der Durchsuchung im Dezember interessierten sich die Ermittler allein für die Privatwohnung und die Umstände deren Verkaufs. Die Wohnung liegt auf dem ehemaligen Krankenhaus-Areal. Als es um den Verkauf des Geländes ging, hatten zwei Bauträger exakt den gleichen Preis geboten: 3,2 Millionen Euro. Den Zuschlag bekam schließlich ein Unternehmer aus München. Warum er? Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass sich Lehmann, der Vorsitzender des Krankenhauszweckverbands war, auf diese Weise eine billige Wohnung sichern wollte. Doch Lehmann sagt: Das dritte Baufeld sollte bewusst ein anderer Käufer erhalten als die beiden anderen, die an eine einzige Firma gegangen waren. Und an deren Solvenz habe der Ex-OB zudem Zweifel gehabt. Aus diesen Gründen sei auch ein angeblicher Losentscheid ins Protokoll aufgenommen worden, der nie stattgefunden hat. Und zu billig, betont Lehmann, sei die Wohnung keineswegs gewesen. Er war der erste Käufer, danach seien die Immobilienpreise nochmal eklatant gestiegen. Und Teile des Innenausbaus hätte er privat machen lassen. All diese Details erzählt er in den abgehörten Telefonaten.
Lehmann und der Bauträger zeigten sich bei einem abgehörten Gespräch nach der Hausdurchsuchung fassungslos. „Das ist an den Haaren herbeigezogen“, sagte Lehmann über die Korruptionsvorwürfe. „Das ist doch absurd in einem Bieterverfahren“. Gegenseitig beteuerten sie, keine Absprachen miteinander ausgehandelt zu haben. Lehmann forderte noch am Tag der Hausdurchsuchung eine Schlussrechnung vom Bauträger für die Wohnung – auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles fertig gestellt war. Der Bauträger versprach, sich schnellstmöglich darum zu kümmern.
Bei einem Telefonat mit seiner Schwester berichtet Lehmann von den Vorwürfen ihm gegenüber und klagte: Er habe sich nach seiner OBZeit auf ruhige Zeiten eingestellt, doch jetzt sei ihm „ die Freude in Ingolstadt erstmal genommen“. Eine Vermutung, wie die Anschuldigungen aufgekommen sein könnten, äußerte Lehmann auch. Der ehemalige Klinikum-Geschäftsführer „versucht, jetzt alle mit reinzureißen“.