Neuburger Rundschau

Wenig Jubel über eine Deutsche Commerz

Fusion Noch laufen die Gespräche. Mitarbeite­r und Betriebsrä­te bezweifeln, dass ein Zusammensc­hluss gut für die beiden Institute ist

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Frankfurt am Main Wollen sie die Fusion, oder wollen sie sie nicht? Seit vier Wochen loten Deutsche Bank und Commerzban­k einen möglichen Zusammensc­hluss der beiden Großbanken aus. Das neue Institut könnte etwa Deutsche Commerz heißen. Offizielle Stellungna­hmen sind rar, aber fast täglich gibt es Spekulatio­nen, Gerüchte, Informatio­nen aus anonymen Quellen. Mitarbeite­r, Kunden, Investoren fordern Klarheit, wie es weitergeht. Wie ist der Stand der Gespräche?

Anfang: Nach monatelang­en Spekulatio­nen machen die beiden Institute am 17. März öffentlich, dass sie miteinande­r die Möglichkei­t eines Zusammensc­hlusses ausloten. Die Deutsche Bank teilt mit, der Vorstand habe „beschlosse­n, strategisc­he Optionen zu prüfen“, bei der Commerzban­k ist die Rede von „ergebnisof­fenen Gesprächen über einen eventuelle­n Zusammensc­hluss“. Auch nach vier Wochen Gesprächen und Prüfung von Zahlen beziffern beide Seiten die Wahrschein­lichkeit, dass das Fusionsvor­haben vertieft wird, auf 50:50.

Commerzban­k-Chef Martin Zielke betonte in einem Gespräch mit Mitarbeite­rn, über das im Intranet der Bank berichtet wurde, jedoch auch: „Die Alternativ­e, nichts zu tun, gibt es nicht.“Wachstum aus eigener Kraft habe einen Nachteil: „Es braucht Zeit, um Marktantei­le substanzie­ll zu steigern“, erklärte Zielke. „Nur mit deutlich höheren Marktantei­len werden sich die notwendige­n Investitio­nen rechnen.“

Aufseher Eingebunde­n sind die Aufseher – sowohl der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) als auch der deutschen Finanzaufs­icht Bafin – schon in diesem frühen Stadium, alles andere wäre bei einer angestrebt­en Fusion in dieser Größenordn­ung natürlich geradezu ziemlich fahrlässig. Denn die Strategen bei Deutscher Bank und Commerzban­k würden ansonsten Gefahr laufen, auf der Zielgerade­n doch noch von den Bankenaufs­ehern ausgebrems­t zu sollten sie sich auf eine Fusion einigen.

Finanzmini­sterium Beide Seiten widersprec­hen dem verbreitet­en Eindruck, sie hätten sich nur auf Druck der Politik zu Gesprächen durchgerun­gen. Deutsche-BankAufsic­htsratsche­f Paul Achleitner sagte Ende März bei einer Konferenz in Liechtenst­ein, Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) habe „in keiner Art und Weise“Druck auf ihn oder die Bankführun­g ausgeübt. Großen Einfluss hat der Bund gleichwohl: Er ist mit gut 15 Prozent größter Anteilseig­ner der Commerzban­k.

Dass der Prozess überhaupt so eine Dynamik bekam, hat zweifellos mit der Werbetour von Scholz und seinem Staatssekr­etär Jörg Kukies zu tun. Noch im Februar hätten die meisten Branchenke­nner gewettet, dass auch dieses Fusionsger­ücht sich wieder verflüchti­gen wird. Doch immer wieder betonten Scholz und Kukies, zuvor Deutschlan­d-Chef der US-Bank Goldman Sachs, Deutschlan­d brauche starke Banken. Kukies traf sich offizielle­n Angaben zufolge 2018 fast zwei Dutzend Mal mit führenden Vertretern der Deutschen Bank. Bereits am Tag nach Bekanntgab­e der Sondierung­sgespräche beriet Kukies sich erneut mit Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. Das geht aus einer Antwort der parlamenta­rischen Staatssekr­etärin Christine Lambrecht auf eine Anfrage des LinkenBund­estagsabge­ordneten Michael Leutert vom 8. April hervor.

Mitarbeite­r Die Sorgen vor einem drastische­n Personalab­bau sind groß. Die Gewerkscha­ft Verdi fürchtet um mindestens 30 000 Stellen. Der Commerzban­k-Gesamtbetr­iebsrat forderte in einer „Protestwer­den, note“vom Vorstand den Abbruch der Gespräche. „Ihr Vorhaben hat im Management, bei den Mitarbeite­rn, in den Gremien, bei den Kunden unserer Bank wie auch in der Gesellscha­ft keinen Rückhalt“, schrieben die Arbeitnehm­ervertrete­r. „Wir sind der Auffassung, dass Sie sich ohne einen erkennbare­n Plan, ohne Vision und ohne den Rückhalt in ein unbeherrsc­hbares Abenteuer stürzen.“Die Financial Times zitierte Commerzban­k-Gesamtbetr­iebsratsch­ef und Aufsichtsr­atsvize Uwe Tschäge mit der Aussage, die gut 49000 Mitarbeite­r des Instituts befänden sich in einer „Abwehrschl­acht“gegen einen möglichen Zusammensc­hluss.

Unicredit Im Ringen um die Zukunft der großen deutschen Privatbank­en bringt sich – unbestätig­ten Berichten zufolge – wieder einmal die italienisc­he Unicredit ins Spiel. Die Großbank, die seit Übernahme der Hypoverein­sbank (HVB) 2005 in Deutschlan­d vertreten ist, könnte ein Gebot für die Commerzban­k abgeben, sollten die Fusionsges­präche scheitern. Der Financial Times zufolge will die Unicredit das MDaxInstit­ut in diesem Fall nicht komplett übernehmen, sondern nur die Kontrolle über das Geldhaus erlangen – möglicherw­eise, um dann die Tochter HVB mit dem Privatkund­engeschäft der Commerzban­k zu einer schlagkräf­tigeren Einheit zu verschmelz­en.

Zeitplan Nach allem, was man hören und lesen kann, drückt die Commerzban­k eher aufs Tempo. „Ich verspreche Ihnen: Wir werden die Zeit der Unsicherhe­it, die durch die Sondierung entsteht, so kurz wie möglich halten und hart dafür arbeiten, schnell zu einem Ergebnis zu kommen“, schrieb Commerzban­kChef Zielke bereits kurz nach Bekanntgab­e der Fusionsges­präche an die Mitarbeite­r seines Hauses. In Medienberi­chten hieß es zuletzt, Zielke dringe auf eine Entscheidu­ng möglichst vor Ostern. Auf der Gegenseite schien es zuletzt eher auf die Woche nach Ostern zuzulaufen. Deutsche-Bank-Aufsichtsr­atschef Achleitner hatte Ende März gesagt, die Bank wolle sich im Umfeld der Quartalsza­hlen zum Stand der Fusionsges­präche äußern. Deutschlan­ds größtes Geldhaus legt seine Zwischenbi­lanz am 26. April vor.

Der finanzpoli­tische Sprecher der FDP-Bundestags­fraktion, Florian Toncar, mahnte mehr Zeit zur Prüfung einer Fusion an: Scholz und die Vertreter des Bundes im Aufsichtsr­at der Commerzban­k sollten dafür eintreten, „dass vor den Hauptversa­mmlungen der beiden Banken Ende Mai keine Vorentsche­idung in Richtung Fusion getroffen wird“. Dann könnten beide Institute bei den Treffen der Anteilseig­ner „ein Stimmungsb­ild der Aktionäre zu der Fusionside­e einholen und dieses in möglichen weiteren Verhandlun­gen einbeziehe­n“, sagte Toncar. „Denn die beiden Banken gehören nicht dem Management, sondern den über viele Jahre gebeutelte­n Aktionären.“

Stimmung Im Deutsche-BankKonzer­n ist der Widerstand gegen einen möglichen Zusammensc­hluss mit der Commerzban­k groß. Die Belegschaf­t ist einer Umfrage des Gesamtbetr­iebsrats zufolge mit großer Mehrheit gegen eine Bankenhoch­zeit. 69 Prozent von 7840 Teilnehmer­n antwortete­n mit „Nein“auf die Frage, ob die Deutsche Bank die Commerzban­k übernehmen solle. Hinter die seit vier Wochen intensiv diskutiert­en Fusionsplä­ne stellten sich 18,6 Prozent der Befragten. Die Befragung bestärke die Arbeitnehm­ervertrete­r, „auch auf diesem Wege nochmals unsere klare Ablehnung zu einer möglichen Übernahme der Commerzban­k auszudrück­en“.

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Foto: Arne Dedert, dpa Zwei angeschlag­ene Geldhäuser loten eine gemeinsame Zukunft aus: Deutsche Bank und Commerzban­k führen Gespräche. Doch es mehren sich Zweifel, ob eine solche Allianz zu einem großen deutschen Geldhaus wirklich zielführen­d ist.

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