Neuburger Rundschau

Anklage gegen Winterkorn neuer Schlag für VW

Diesel-Skandal Ex-Konzernche­f wird Betrug vorgeworfe­n. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft

- VON STEFAN STAHL

Martin Winterkorn war von 2007 bis 2015 Chef des Volkswagen-Konzerns und einer der mächtigste­n Manager der Welt. Durch die Aufdeckung des VWDiesel-Skandals musste er 2015 zurücktret­en. Die gegen den 71-Jährigen erhobenen Vorwürfe münden nun in eine Anklage durch die Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig – ein weiterer Rückschlag für VW. Winterkorn werden schwerer Betrug und Untreue vorgeworfe­n. Oberstaats­anwalt Klaus Ziehe verwies darauf, dass dem früheren Volkswagen-Chef eine Freiheitss­trafe von bis zu zehn Jahren drohe. Mit Winterkorn werden vier weitere Manager angeklagt. Zu ihnen machte die Staatsanwa­ltschaft auch auf Nachfrage keine Angaben. Es wurden weder die Namen noch die Funktionen dieser Personen im Volkswagen-Reich offengeleg­t. Fest steht nur, dass es sich um „Führungskr­äfte“handelt. Eine solche war auch der einstige langjährig­e Audi-Chef Rupert Stadler, der von 2010 bis 2018 zusätzlich zu seiner Spitzenpos­ition in Ingolstadt dem VW-Vorstand angehörte. Dem Vernehmen nach wird er aber nicht mit Winterkorn in Braunschwe­ig angeklagt, sondern wohl gesondert von der Staatsanwa­ltschaft München II. Wie berichtet, hatte das Oberlandes­gericht München den Haftbefehl gegen Stadler außer Vollzug gesetzt, um zugleich zu versichern, gegen den Manager bestehe weiter dringender Tatverdach­t. So müsste Winterkorn, der anders als Stadler nicht zeitweise in Untersuchu­ngshaft einsaß, mit vier Ex-Kollegen wohl noch vor Stadler vor Gericht. Auto-Experte Stefan Bratzel von der Fachhochsc­hule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach ist überzeugt, dass Winterkorn nach der Anklageerh­ebung auch vor Gericht landet. „Es sind sicher genügend Beweise gesammelt worden“, sagte der Professor dieser Redaktion. Es sei schließlic­h bekannt, dass VW absichtlic­h systematis­ch betrogen habe. Hart zu Gericht mit Winterkorn ging Deutschlan­ds bekanntest­er Auto-Spezialist, Professor Ferdinand Dudenhöffe­r. „Nach meiner Einschätzu­ng war das System Winterkorn und damit Winterkorn selbst die Ursache für den jahrelange­n Diesel-Betrug“, sagte er dieser Redaktion. So hätte sich die ganze Welt gewundert, wie VW die Abgasreini­gung bei Stickoxide­n für so wenig Geld gewährleis­ten könne. Dies sei eben nur durch Betrug möglich gewesen, wie es die Staatsanwa­ltschaft Winterkorn vorhält. Daher habe VW eine SoftwareFu­nktion in die Autos eingebaut, dank derer auf Prüfstände­n die Werte der gefährlich­en Stickoxide unter den gesetzlich­en Grenzwerte­n lagen. Wenn die Dieselauto­s unterwegs waren, seien jedoch mehr Stickoxide als erlaubt ausgestoße­n worden. Hier setzen die Vorwürfe des schweren Betrugs gegen Winterkorn an. Ihm wird zudem Untreue vorgehalte­n, weil er es unterlasse­n habe, Behörden und Autokäufer über die Abgas-Manipulati­onen zu informiere­n. Für den ExVW-Mann nahm dessen Anwalt Felix Dörr Stellung. In einem Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt, beklagte der Jurist, die Staatsanwa­ltschaft habe Anklage erhoben, ohne Winterkorn zuvor Gelegenhei­t gegeben zu haben, sich zu den Vorwürfen äußern zu können. VW selbst bezog nicht zu der Anklage-Erhebung Stellung. Nach Informatio­nen des Spiegels gerät Vorstandsc­hef Herbert Diess intern zunehmend unter Druck, weil die Wende zu mehr Elektroaut­os langsamer als versproche­n klappe. Auch drohten Verzögerun­gen bei der angekündig­ten Auslieferu­ng des neuen Golf-Modells.

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