Lasst 1000 Blumen blühen
Zu „Der Bluttest muss die Ausnahme bleiben“(Politik) vom 11. April: Ich, 74, bin mit einer Downsyndrom-Schwester groß geworden. Sie ist mit 49 Jahren verstorben, unsere Eltern sind auch seit 20 Jahren verstorben. Somit meine ich, die Dinge mit gebührendem Abstand zu beurteilen. Zu ihren Zeiten gab es weder Fruchtwasserpunktion noch Blutuntersuchung. Ich weiß nicht, wie sie sich entschieden hätten, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten. Praktisch erlebt habe ich, dass sie das Kind mit vollem Herzen angenommen und immer für es gekämpft haben. Wobei sie über den tatsächlichen medizinischen Sachverhalt etwa acht bis zehn Jahre im Unklaren gelassen wurden und immer wieder mal zu eventuell erfolgreichen Behandlungen, welche die Krankenkasse nicht bezahlte, verführt wurden. Einen religiösen Blick auf diese Dinge hatte und habe ich nicht. Es kommt meines Erachtens darauf an, die Aufmerksamkeit darauf zu richten, ob die solchermaßen „Behinderten“sich selbst wohlfühlen und – relativ – glücklich sind (auch „Normale“sind ja nicht immer glücklich). Die Zeiten, in denen ein „lebenswertes Leben“bedeutete, dass jeder zumindest seinen eigenen Lebensunterhalt verdienen muss, sollten wohl vorüber sein. Trisomie 21 äußert sich in ganz unterschiedlichen Formen. Aus meiner Sicht hatte meine Schwester ein durchaus glückliches Leben. Grundsätzlich befürworte ich, dass jede Frau nach dem Prinzip entscheidet „Mein Bauch gehört mir“und gegebenenfalls eine Abtreibung vornehmen lässt. Doch bei weiteren Fortschritten in der Pränataldiagnostik und deren Umsetzung in die Praxis sehe ich schon eine Gefahr, dass die Menschen perspektivisch immer mehr auf „Designerbabys“getrimmt werden. Lasst doch 1000 Blumen blühen. Kurt Wirth, Kempten