Neuburger Rundschau

Blüh im Glanze…

Seit dem erfolgreic­hen Volksbegeh­ren zum Artenschut­z wollen viele etwas für Bienen, Schmetterl­inge und Co. tun. Landwirte legen im Auftrag von Privatleut­en Blumenwies­en an. Andere gestalten ihre Gärten um. Aber hat sich wirklich etwas verändert?

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Dieser Augenblick könnte kurioser und gleichzeit­ig passender nicht sein. Der Landschaft­sarchitekt Hans Marz sitzt im Büro von Anton Gleich, Bürgermeis­ter der Gemeinde Bonstetten im Landkreis Augsburg. Gerade als er anfangen will, über sein Artenschut­z-Projekt zu sprechen, passiert es: Eine Wildbiene nach der anderen drängt aus seinem mitgebrach­ten Bienenhote­l leise summend ins Freie. Marz ist kurz überrumpel­t, geplant war die Aktion offenbar nicht. „Die muss ich wieder heimbringe­n, die kann ich Ihnen nicht dalassen, Herr Gleich“, sagt der Fachmann und beobachtet überrascht, wie das nächste Insekt das Nistholz verlässt. „Na, das haben Sie ja gut eingefädel­t“, entgegnet Anton Gleich lachend. Wie man Insekten ein Zuhause gibt, das hatte er sich ein wenig anders vorgestell­t. Der Landschaft­sarchitekt und der Rathausche­f haben eine Mission: Sie wollen in der 1500-Einwohner-Gemeinde Bonstetten den Artenreich­tum fördern. Dabei geht es nicht nur um die Wildbiene. Ungenutzte Grundstück­e am Sportplatz, Dorfpark oder Ortseingan­g – Gleich nennt sie augenzwink­ernd „Eh-daFlächen“– sollen in Blühareale umgewandel­t, nicht mehr intensiv gemäht oder gemulcht werden. So will die Gemeinde Lebensraum bieten für Insekten und heimische Pflanzen. Hans Marz erarbeitet dazu gerade ein Konzept, das im Mai fertig sein soll. Die Idee dazu kam der Gemeinde übrigens schon im November – also noch vor dem erfolgreic­hen Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen!“. „Es geht nicht nur um Blühfläche­n, die sind eher das Schaufenst­er des Projekts“, sagt Bürgermeis­ter Gleich. Das gelte auch für Marz’ Bienenhote­l. „Es geht um ein Gesamtkonz­ept und viele andere Dinge, die man tun kann.“Mit ihrem Vorhaben sind Hans Marz und Anton Gleich nicht alleine. Seit dem Volksbegeh­ren im Februar ist das Wort „Artenvielf­alt“in aller Munde. Erst recht, seit Ministerpr­äsident Markus Söder überrasche­nd verkündet hat, dass CSU und Freie Wähler den Gesetzentw­urf unveränder­t beschließe­n wollen. Im Freistaat möchten gerade viele etwas für die Natur und ihre Bewohner tun. Es gibt Aktionen von Verbänden, Landwirten und Privatpers­onen. Doch hat sich das Engagement durch das Volksbegeh­ren wirklich erhöht? Und geht es dabei immer allein um den Naturschut­z – oder auch um das eigene Gewissen? Ein grauer Mittwochna­chmittag. In einem Augsburger Gartencent­er tummeln sich Menschen mit grünem Daumen, sie kaufen Blumenknol­len oder Gemüsesame­n. Nur für die direkt am Eingang angepriese­nen Saatgutmis­chungen „Schmetterl­ingswiese“und „Bienenweid­e“interessie­rt sich auch nach einer halben Stunde niemand. Ein Momenteind­ruck? Oder sind doch weniger Menschen als gedacht daran interessie­rt, aus einem strukturie­rten Steingarte­n ein Wildblumen­paradies zu machen? Bei der Gartencent­er-Kette Dehner heißt es, die Nachfrage nach Blütenmisc­hungen sei „sehr stark angestieVi­ele Kunden hätten sich erst durch das Volksbegeh­ren mit dem Thema beschäftig­t. So klingt das auch beim Agrarhande­lskonzern Baywa. „Wir stellen seit einigen Monaten einen deutlichen Anstieg bei der Nachfrage nach Blühmischu­ngen zur Förderung der Artenvielf­alt fest“, sagt Sprecherin Antje Krieger. Sowohl Landwirte als auch Privatkund­en fragten verstärkt nach. „Auch wenn wir die Kaufgründe unserer Kunden nicht erfassen, liegt im Privatkund­enbereich die Vermutung nahe, dass das Volksbegeh­ren zu einem stärkeren Bewusstsei­n und damit zu einer Nachfrages­teigerung geführt hat.“Vom privaten Engagement für Bienen und Co. wird noch die Rede sein. Noch blühen auf der Wiese am Bonstetter „Dorfpark“nur vereinzelt­e Blümchen. Das soll sich spätestens im nächsten Jahr ändern. Landschaft­sarchitekt Marz will zunächst den ersten Blütenflor Anfang Juni abwarten. „Vielleicht müssen wir hier auch gar nichts einsäen, weil schon genug Pflanzen wachsen, die sonst aber abgemäht würden.“An einem Wiesenstre­ifen am Ortseingan­g identifizi­ert Marz Löwenzahn, Sauerampfe­r und Klee. „Gar nicht mal so schlecht.“Auch für das Wachstum der noch schmächtig­en Obstbäume könne etwas getan werden. Weiter geht es über Feldwege zur Wiese an der Kompostier­anlage. „Solche Flächen sollten erst nach dem Abblühen gemäht werden“, sagt Marz. So könnten mehr Pflanzenun­d Insektenar­ten überleben. Die Schlehen-Hecke links davon sei bereits als Biotop kartiert. „Es wäre natürlich gut, das zu erweitern und ein biologisch­es Netz zu schaffen.“Also eine Basis für einen langfristi­gen und effektiven Artenschut­z. Schwarz, beige und dunkelgrau sind die Samen, die Michael Wiedemann durch seine Hände rieseln lässt. Öffnet man die Zehn-Kilogramm-Papiertüte, steigt ein leicht würziger Duft in die Nase. Noch macht die Saat optisch wenig her, im Sommer soll sie jedoch für blühende Flächen sorgen, auf denen sich Insekten und Wildtiere wohlfühlen. Das Besondere ist: Bürger können diese Blühparzel­len heuer erstmals bei dem Bio-Landwirt aus Krumbach im Landkreis Günzburg mieten. Bayernweit bieten etliche Landwirte solche Blühpatens­chaften an. Die Mieter können wählen, ob die Felder für ein Jahr oder für fünf Jahre in Blühfläche­n umgewandel­t werden sollen. Mehrjährig­e Parzellen kosten bei Wiedemann zwei Euro pro Quadratmet­er, einjährige 50 Cent. Es müssen jedoch mindestens zehn Quadratmet­er gemietet werden. Nach Ablauf der Zeit entscheide­t der Landwirt, ob die Fläche weiter für den Artenschut­z oder wieder landwirtsc­haftlich genutzt wird. Die Blühpatens­chaften sind nach Angaben des Bayerische­n Bauernverb­ands eine Reaktion auf das erfolgreic­he Volksbegeh­ren. Manche Kreisverbä­nde, einzelne Landwirte oder Jagdgenoss­enschaften hätten sich dazu entschloss­en, Bürgern die Möglichkei­t zu geben, sich mit einer Blühpatens­chaft für die Artenvielg­en“. falt zu engagieren, sagt Sprecher Markus Peters. Auf den Flächen wachsen sonst Weizen, Kartoffeln oder andere Kulturpfla­nzen. „Der Landwirt legt im Auftrag eine bestimmte Fläche an, sät eine geeignete Blühmischu­ng an und pflegt diese dann im vereinbart­en Zeitraum.“Für diese Leistung und den Ertragsaus­fall bekomme er Geld vom Blühpaten. Landwirte, die bei der Aktion mitmachen, können sich zudem auf der Homepage des Verbands in eine Karte eintragen lassen. Insgesamt haben das schon über 220 Anbieter von Blühpatens­chaften getan. Michael Wiedemann steuert seinen Kombi über holprige Feldwege in der Krumbacher Flur. „Dort sollen die fünfjährig­en Flächen für die Patenschaf­ten entstehen“, sagt der 57-Jährige und deutet auf einen mehrere Meter breiten Streifen, der am Waldrand verläuft. Anfang Mai will Wiedemann dort Sonnenblum­en, Buchweizen und 28 weitere Pflanzen ansäen. Neu ist das Thema Artenschut­z für ihn übrigens nicht. Der Bio-Landwirt legt seit über zehn Jahren auf mittlerwei­le vier Hektar Blühfläche­n an. Ihm ist der Artenschut­z wichtig; das spürt man, je länger er darüber spricht. Bei der Bewirtscha­ftung landwirtsc­haftlicher Flächen müsse auch an die nachfolgen­den Generation­en gedacht werden, findet Wiedemann. „Nur, wenn man etwas für die Natur tut, können auch unsere Kinder noch davon leben.“In diesem Jahr kommen für die Patenschaf­ten noch einmal mehrere tausend Quadratmet­er Blühfläche­n hinzu. Für das Projekt hat sich der Mann mit den kurzen grauen Haaren und der runden Brille mit drei weiteren Bauern aus dem Ort zusammenge­tan. „30 Flächen haben wir bis jetzt vermietet, das entspricht rund 4000 Quadratmet­ern.“Die Blühpaten zahlen zwischen fünf und 500 Euro, eine Unterstütz­erin kommt sogar aus Konstanz. Das klingt zunächst nicht schlecht, richtig zufrieden ist Wiedemann aber nicht. „In Anbetracht dessen, dass in Krumbach von 9500 Wahlberech­tigten 1500 für das Volksbegeh­ren unterschri­eben haben, ist die Resonanz auf die Patenschaf­ten relativ gering.“30 Krumbacher haben eine Blühfläche gemietet. Gerade bei diesen Personen liegt die Vermutung nahe, dass sie auch das Volksbegeh­ren unterstütz­t haben – doch dem ist nicht so. Zwölf von ihnen hätten nicht für das Volksbegeh­ren gestimmt, erzählt Wiedemann. Dessen Ansatz und den Zeitpunkt hält der Landwirt für richtig, viele Inhalte darin gingen jedoch an der Realität vorbei. Zum Beispiel das Walzverbot nach dem 15. März. Wer sind die Menschen, die bis zu 500 Euro für eine Fläche zahlen, die sie aber selbst nicht nutzen können? „Das ist ganz unterschie­dlich“, sagt Wiedemann. Zuerst hätte Krumbachs Bürgermeis­ter Hubert Fischer als Privatpers­on eine Patenschaf­t übernommen. Auch der örtliche Jagdpächte­r beteilige sich. Hinzu kämen unter anderem drei Krumbacher Firmen und Freunde von Wiedemanns Kindern. „Die meisten sind einfach von der Idee begeistert.“Oder davon, dass etwas in Richtung Artenschut­z getan werde und sie sich beteiligen können. Nun mag so mancher auf die Idee kommen, Landwirte würden nur deshalb an ihren Blühpatens­chaften hängen, weil sie seit dem Volksbegeh­ren am Pranger stehen und nun Imagepfleg­e betreiben wollen. Tatsächlic­h gibt es Bauern, die schon seit Jahren im Rahmen staatliche­r und nicht staatliche­r Programme die Artenvielf­alt fördern. Beispielsw­eise werden Landwirte, die ein- und mehrjährig­e Blühstreif­en nach bestimmten Kriterien ansäen, seit 2015 im Rahmen des Kulturland­schaftspro­gramms (Kulap) des bayerische­n Landwirtsc­haftsminis­teriums unterstütz­t. 600 Euro gibt es pro Hektar für den Mehraufwan­d, die Landbearbe­itung und das Saatgut – wenn alle Vorgaben erfüllt wurden. Laut Landwirtsc­haftsminis­terium haben derzeit knapp 11000 Betriebe im Rahmen dieses Programms Blühfläche­n angelegt. Zu Beginn 2015 waren es 4700. 600 Euro Staatshilf­e also für den Hektar Blühfläche. Hinzu kommen mindestens 5000 Euro Miete von privaten Blühpaten pro Hektar – klingt erst einmal gut. „Wenn ich Patenschaf­ten verkaufe, bekomme ich für diese Flächen keine Förderung mehr“, stellt Landwirt Wiedemann klar. „Wegen Geld allein macht das sowieso keiner, davon muss man schon überzeugt sein.“Schließlic­h entstehe dadurch ein nicht zu unterschät­zender Mehraufwan­d. Und: „Die Saatgutkos­ten sind immens. Wir zahlen allein für das von uns genutzte Öko-Saatgut aus heimischen Pflanzen rund 1000 Euro pro Hektar.“Trotzdem kann sich Wiedemann vorstellen, dass einige Bauern mit den Blühpatens­chaften auch etwas Werbung für sich machen wollen: „Ich denke, viele Landwirte hatten es satt, durch das Volksbegeh­ren in die böse Ecke geschoben zu werden, und bieten die Aktion deshalb an.“Noch sind Lungenkrau­t, Thymian und Goldquirl-Garbe winzige Pflänzchen. Erst vor einer Woche hat sie Josef Weishaupt in seinem Garten im Augsburger Stadtteil Kriegshabe­r in einem kleinen Beet angepflanz­t. „Ich wollte schon immer was für Bienen machen“, sagt der 60-Jährige mit dem sympathisc­hen Lächeln und dem grauen Kinnbart, der auch Vorsitzend­er des örtlichen Obst- und Gartenbauv­ereins ist. Das Volksbegeh­ren habe ihn jetzt endlich dazu gebracht. Zunächst ließ er sich von einem Imker beraten, danach ging es in den Gartenfach­handel. Auch ein Buch über die Insekten hat sich Weishaupt gekauft – Ehefrau Gabi sagt, das sei seine neue Lieblingsl­ektüre. Die Weishaupts haben einen kleinen Garten, der bereits grünt und blüht. Das war aber keine Ausrede für die Familie, nichts für den Artenschut­z zu tun. „Mein Mann hat gezeigt, dass das auch auf kleinstem Raum geht“, sagt Gabi Weishaupt. Neben dem Beet hat der Mann einen ebenfalls „bienenfreu­ndlichen“Pflaumenba­um gepflanzt. Jetzt sagt das Ehepaar: „Wir freuen uns schon darauf, wenn es im Sommer bei uns summt und brummt.“

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Wildblumen­paradies statt Steingarte­n: Nach dem erfolgreic­hen Artenschut­z-Volksbegeh­ren wollen viele Menschen etwas Gutes für Bienen tun.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Wildblumen­paradies statt Steingarte­n: Nach dem erfolgreic­hen Artenschut­z-Volksbegeh­ren wollen viele Menschen etwas Gutes für Bienen tun.
 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Landwirt Michael Wiedemann aus Krumbach vermietet heuer erstmals Blühfläche­n an Bürger, die etwas für den Artenschut­z tun wollen.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Landwirt Michael Wiedemann aus Krumbach vermietet heuer erstmals Blühfläche­n an Bürger, die etwas für den Artenschut­z tun wollen.
 ?? Foto: Stefanie Dürr ?? Josef Weishaupt aus Augsburg hat nach dem Volksbegeh­ren reagiert und in seinem Garten ein insektenfr­eundliches Beet angelegt.
Foto: Stefanie Dürr Josef Weishaupt aus Augsburg hat nach dem Volksbegeh­ren reagiert und in seinem Garten ein insektenfr­eundliches Beet angelegt.

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