Des Widerspenstigen Zähmung
Martin Schmidt schlägt versöhnliche Töne an und lässt die Türe für Michael Gregoritsch offen. Nach dem Hertha-Spiel gibt es ein ausführliches Gespräch
Augsburg Martin Schmidt ist ein durch und durch höflicher Mensch. Nicht weil er muss, sondern weil es sein Naturell ist. Wenn die Teilnehmer an einer Medienrunde überschaubar sind, begrüßt der Trainer des FC Augsburg die Journalisten gerne persönlich. Am Freitag ließ er es sich am Ende der Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC (So., 15.30 Uhr) nicht nehmen, mit dem Teenager im Rollstuhl, der als Hospitant in dieser Woche hinter die Kulissen des Bundesligisten blickte, ein paar Worte zu wechseln. Am Ende gab er ihm wie selbstverständlich die Hand.
Schmidt, 52, würde wohl nie über einen seiner Spieler in aller Öffentlichkeit losledern. All das hat Michael Gregoritsch in dieser Woche getan. Der österreichische Nationalspieler hatte sich während zwei EMQualifikationsspielen über seine derzeitige Rolle als Ersatzspieler beim FCA beschwert. Seine Gemütslage fasste er in zwei Worten zusammen: „Hauptsache weg.“
Sein Arbeitgeber hat den 25-Jährigen nun in Absprache mit dem Trainer bis Dienstag suspendiert. Als Schmidt nach Gregoritsch gefragt wurde, hätte er durchaus sagen können, dass sich der Mittelfeldspieler respektlos gegenüber dem Team verhalten hat. Oder dass seine bisherigen Leistungen nicht mit seiner Forderung übereingestimmt hätten. Diese harten Worte wählte Schmidt nicht. Er sagte: „Ich glaube, dass die Tür immer offen ist und offen sein muss. Ich bin nicht nachtragend.“Damit hält er sich natürlich auch selbst alle Türen offen. Er sagt, dass man bei einem Gespräch am Dienstag mit dem widerspenstigen Gregoritsch und Stefan Reuter durchaus wieder zueinanderfinden kann: „Er wird zurückkommen.“
Schmidt zeigte sogar ein wenig Verständnis für die Gemütslage von Gregoritsch: „Dass ein unzufriedener Spieler seine Meinung auch mal äußert, ist normal, aber mit der Art und Weise waren wir nicht ganz zufrieden.“Auch weil er gegen den Teamkodex verstoßen hat: „Wir haben gesagt, wenn was ist, lösen wir das intern und keiner darf sich über das Team stellen und keiner ist größer als der Verein.“
Dabei hatte Schmidt Gregoritsch zu Beginn der Saison sein Vertrauen geschenkt. Er stand in vier von elf Punktspielen in der Startelf. Dabei konnte Gregoritsch in seiner modifizierten Rolle hinter den Spitzen, weiter weg vom gegnerischen Tor als früher, aber nicht so sehr seine Stärken, seinen Schuss und seine Technik, einsetzen. Es lief nicht für den FCA und nicht für Gregoritsch.
Schmidt reagierte, stellte um und die Wende gelang. Der FCA spielte 2:2 gegen Bayern, 0:0 in Wolfsburg und gewann 1:0 gegen Paderborn. Ohne Gregoritsch. „Die letzten vier, fünf Spiele wurde der Trend immer besser, aber da war er leider nicht dabei“, sagte Schmidt fast entschuldigend. „Als Trainer stößt man dann nicht dauernd alles um, sondern stützt das Pflänzchen, das langsam wächst.“Man hätte das aber auch intern kommuniziert. Schmidt: „Wir wollen alle mitnehmen auf den Weg.“Auch Gregoritsch. Den einen mal mit einer Haupt-, den anderen mal mit einer Nebenrolle.
Gregoritsch hätte gegen Hertha durchaus wieder die Rolle wechseln können. Zum Beispiel als Ersatz für Alfred Finnbogason. Die Vorrunde ist für den Stürmer nach einer Schulterluxation beendet. Jetzt muss sich Schmidt etwas anderes einfallen lassen. Was, verriet er nicht. Es gibt genügend Alternativen. Julian Schieber oder Sergio Córdova als zweiten Stürmer neben Florian Niederlechner, oder mit einem zusätzlichen Mittelfeldspieler wie Jan Moravek oder Fredrik Jensen. Gut möglich, dass Schmidt auch in der Abwehr umbauen muss. Felix Uduokhai hat sich Anfang der Woche selbst gegen den Knöchel geschlagen. Folge: Eine Risswunde, die mit zwei Stichen genäht werden musste. „Er konnte bisher noch nicht mit dem Fuß gegen den Ball hauen“, meinte Schmidt. Fällt der Innenverteidiger aus, wird Jeffrey Gouweleeuw in die Startelf zurückkehren.
Aber egal, wer am Sonntag in der fast ausverkauften WWK-Arena (es gibt nur noch ein paar hundert Restkarten) auflaufen wird, Schmidt will, dass seine Mannschaft mutig agiert: „Wir wollen mit unserem
Spiel durchkommen, das Spiel bestimmen, uns auf unsere Stärken und Waffen konzentrieren.“
Mit einem Sieg würde der FCA (zehn Punkte) an der Hertha (elf Zähler) vorbeiziehen. Angesichts der finanziellen Möglichkeiten eigentlich eine Schmach für den Hauptstadtklub. Denn seit Juni hat der neue Investor Lars Windhorst 225 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, zudem vor kurzem Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann als Aufsichtsrat installiert. Abstiegskampf ist in diesem Businessplan nicht vorgesehen. Darum steht der neue Trainer Ante Covic mächtig unter Druck. „Elf Punkte nach elf Runden, damit sind wir nicht zufrieden“, sagte Manager Michael Preetz vor kurzem.
Kein Wunder, ist doch nicht nur der Aufsichtsrat prominent besetzt, sondern auch der Kader mit Spielern wie Dodi Lukebakio, Marius Wolf, Ondrej Duda, David Selke, Veda Ibisevic oder dem Neu-Nationalspieler Niklas Stark.