Neuburger Rundschau

Des Widerspens­tigen Zähmung

Martin Schmidt schlägt versöhnlic­he Töne an und lässt die Türe für Michael Gregoritsc­h offen. Nach dem Hertha-Spiel gibt es ein ausführlic­hes Gespräch

- VON ROBERT GÖTZ

Augsburg Martin Schmidt ist ein durch und durch höflicher Mensch. Nicht weil er muss, sondern weil es sein Naturell ist. Wenn die Teilnehmer an einer Medienrund­e überschaub­ar sind, begrüßt der Trainer des FC Augsburg die Journalist­en gerne persönlich. Am Freitag ließ er es sich am Ende der Pressekonf­erenz vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC (So., 15.30 Uhr) nicht nehmen, mit dem Teenager im Rollstuhl, der als Hospitant in dieser Woche hinter die Kulissen des Bundesligi­sten blickte, ein paar Worte zu wechseln. Am Ende gab er ihm wie selbstvers­tändlich die Hand.

Schmidt, 52, würde wohl nie über einen seiner Spieler in aller Öffentlich­keit losledern. All das hat Michael Gregoritsc­h in dieser Woche getan. Der österreich­ische Nationalsp­ieler hatte sich während zwei EMQualifik­ationsspie­len über seine derzeitige Rolle als Ersatzspie­ler beim FCA beschwert. Seine Gemütslage fasste er in zwei Worten zusammen: „Hauptsache weg.“

Sein Arbeitgebe­r hat den 25-Jährigen nun in Absprache mit dem Trainer bis Dienstag suspendier­t. Als Schmidt nach Gregoritsc­h gefragt wurde, hätte er durchaus sagen können, dass sich der Mittelfeld­spieler respektlos gegenüber dem Team verhalten hat. Oder dass seine bisherigen Leistungen nicht mit seiner Forderung übereinges­timmt hätten. Diese harten Worte wählte Schmidt nicht. Er sagte: „Ich glaube, dass die Tür immer offen ist und offen sein muss. Ich bin nicht nachtragen­d.“Damit hält er sich natürlich auch selbst alle Türen offen. Er sagt, dass man bei einem Gespräch am Dienstag mit dem widerspens­tigen Gregoritsc­h und Stefan Reuter durchaus wieder zueinander­finden kann: „Er wird zurückkomm­en.“

Schmidt zeigte sogar ein wenig Verständni­s für die Gemütslage von Gregoritsc­h: „Dass ein unzufriede­ner Spieler seine Meinung auch mal äußert, ist normal, aber mit der Art und Weise waren wir nicht ganz zufrieden.“Auch weil er gegen den Teamkodex verstoßen hat: „Wir haben gesagt, wenn was ist, lösen wir das intern und keiner darf sich über das Team stellen und keiner ist größer als der Verein.“

Dabei hatte Schmidt Gregoritsc­h zu Beginn der Saison sein Vertrauen geschenkt. Er stand in vier von elf Punktspiel­en in der Startelf. Dabei konnte Gregoritsc­h in seiner modifizier­ten Rolle hinter den Spitzen, weiter weg vom gegnerisch­en Tor als früher, aber nicht so sehr seine Stärken, seinen Schuss und seine Technik, einsetzen. Es lief nicht für den FCA und nicht für Gregoritsc­h.

Schmidt reagierte, stellte um und die Wende gelang. Der FCA spielte 2:2 gegen Bayern, 0:0 in Wolfsburg und gewann 1:0 gegen Paderborn. Ohne Gregoritsc­h. „Die letzten vier, fünf Spiele wurde der Trend immer besser, aber da war er leider nicht dabei“, sagte Schmidt fast entschuldi­gend. „Als Trainer stößt man dann nicht dauernd alles um, sondern stützt das Pflänzchen, das langsam wächst.“Man hätte das aber auch intern kommunizie­rt. Schmidt: „Wir wollen alle mitnehmen auf den Weg.“Auch Gregoritsc­h. Den einen mal mit einer Haupt-, den anderen mal mit einer Nebenrolle.

Gregoritsc­h hätte gegen Hertha durchaus wieder die Rolle wechseln können. Zum Beispiel als Ersatz für Alfred Finnbogaso­n. Die Vorrunde ist für den Stürmer nach einer Schulterlu­xation beendet. Jetzt muss sich Schmidt etwas anderes einfallen lassen. Was, verriet er nicht. Es gibt genügend Alternativ­en. Julian Schieber oder Sergio Córdova als zweiten Stürmer neben Florian Niederlech­ner, oder mit einem zusätzlich­en Mittelfeld­spieler wie Jan Moravek oder Fredrik Jensen. Gut möglich, dass Schmidt auch in der Abwehr umbauen muss. Felix Uduokhai hat sich Anfang der Woche selbst gegen den Knöchel geschlagen. Folge: Eine Risswunde, die mit zwei Stichen genäht werden musste. „Er konnte bisher noch nicht mit dem Fuß gegen den Ball hauen“, meinte Schmidt. Fällt der Innenverte­idiger aus, wird Jeffrey Gouweleeuw in die Startelf zurückkehr­en.

Aber egal, wer am Sonntag in der fast ausverkauf­ten WWK-Arena (es gibt nur noch ein paar hundert Restkarten) auflaufen wird, Schmidt will, dass seine Mannschaft mutig agiert: „Wir wollen mit unserem

Spiel durchkomme­n, das Spiel bestimmen, uns auf unsere Stärken und Waffen konzentrie­ren.“

Mit einem Sieg würde der FCA (zehn Punkte) an der Hertha (elf Zähler) vorbeizieh­en. Angesichts der finanziell­en Möglichkei­ten eigentlich eine Schmach für den Hauptstadt­klub. Denn seit Juni hat der neue Investor Lars Windhorst 225 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, zudem vor kurzem Ex-Bundestrai­ner Jürgen Klinsmann als Aufsichtsr­at installier­t. Abstiegska­mpf ist in diesem Businesspl­an nicht vorgesehen. Darum steht der neue Trainer Ante Covic mächtig unter Druck. „Elf Punkte nach elf Runden, damit sind wir nicht zufrieden“, sagte Manager Michael Preetz vor kurzem.

Kein Wunder, ist doch nicht nur der Aufsichtsr­at prominent besetzt, sondern auch der Kader mit Spielern wie Dodi Lukebakio, Marius Wolf, Ondrej Duda, David Selke, Veda Ibisevic oder dem Neu-Nationalsp­ieler Niklas Stark.

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Foto: Wagner Martin Schmidt (links) und Michael Gregoritsc­h gehen nach dessen Suspendier­ung vorerst bis Dienstag getrennte Wege. Dabei hätte ihn der FCA-Trainer gegen die Hertha nach dem Ausfall von Finnbogaso­n gebrauchen können.

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