Neuburger Rundschau

Unsere Demokratie wird jeden Tag mehr bedroht

Nach der tödlichen Attacke auf einen Feuerwehrm­ann wütet im Internet der Mob. Das ist brandgefäh­rlich. Medien, Politik und Justiz müssen reagieren

- VON DANIEL WIRSCHING wida@augsburger-allgemeine.de

Die Attacke vom Augsburger Königsplat­z ist erschütter­nd, zweifelsoh­ne. Und erschütter­nd ist auch, wie sie in „sozialen“Medien kommentier­t wird. Hier spielen Hass und Hetze die Begleitmus­ik – und das in einem immer besorgnise­rregendere­n Ausmaß. Ein Ausmaß, das nun sogar die Polizei während ihrer Pressekonf­erenz am Montag thematisie­rte. Polizei genau wie seriös berichtend­en Medien wurde vorgeworfe­n, zu vertuschen und zu beschönige­n: die Herkunft der Tatverdäch­tigen oder die Gewalt, die von Flüchtling­en sowie Jugendlich­en mit Migrations­hintergrun­d ausgehe.

Darauf hatte sich der wütende Mob im Netz, hatten sich die angeblich so „besorgten Bürger“sofort geeinigt: Schuld am Tod des Feuerwehrm­anns können ja nur Ausländer sein, die „politische

Korrekthei­t“und, natürlich, Kanzlerin Angela Merkel. In den sozialen Medien sind alle Hemmungen gefallen. Mit Blick auf die Tatverdäch­tigen wurde gefordert: „Strick um den Hals und gut is“. Unsere Redaktion erreichten hasserfüll­te Reaktionen, eine davon: „Wer wie ihr sein Vaterland verrät (...) gehört aus dem Land gejagt.“Wenn das „Volk“in Augsburg aufstehe, werde die Redaktion brennen. Auf der Facebook-Seite der AfD Bayern postete ein Nutzer Fotos von Waffen und Munition.

Und Alice Weidel, AfD-Fraktionsc­hefin im Bundestag, instrument­alisierte die Tat umgehend: „Der in Augsburg zu Tode geprügelte Feuerwehrm­ann war ein neuerliche­s Opfer von Migranteng­ewalt“, twitterte sie ohne Interesse an Tathergang und Wahrheit.

Spätestens seit der Ermordung des Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke, mutmaßlich durch einen Rechtsextr­emen, kann niemand mehr behaupten, Hass und Hetze seien ein Internetph­änomen. Längst sind sie allgegegen­wärtig und vergiften das gesellscha­ftliche Klima in Deutschlan­d. Rechtspopu­listen bis hin zu Rechtsextr­emen warten nur auf Fälle wie den aus Augsburg: die AfD, um damit Politik zu machen; Rechtsextr­eme, um an den Fundamente­n der Demokratie zu rütteln. Im Netz erinnerten sie bereits an „Chemnitz“. Dort kam es zu Ausschreit­ungen, nachdem ein Deutschkub­aner erstochen worden war, sowie dem Zusammensc­hluss der AfD mit Rechtsextr­emen während eines „Trauermars­ches“. In vorderster Reihe AfD-Politiker Björn Höcke, dessen völkischer „Flügel“die Partei inzwischen zu dominieren scheint.

In den vergangene­n Jahren ist Deutschlan­d ein gefährdete­s Land geworden: Mit der Vergiftung der öffentlich­en Debatte wird zunehmend die Demokratie bedroht, jeden Tag mehr. Internet-Kommentare

und Umfragen zeigen, wie wenig Vertrauen Politik, Justiz oder Medien noch genießen. Aufrufe zur Lynchjusti­z, Faschismus, Rassismus, Antisemiti­smus mischen sich mit Zukunftsän­gsten, Verschwöru­ngstheorie­n, Umsturzged­anken. Die eine Antwort darauf ist in den vergangene­n Jahren nicht gefunden worden.

Aber es gibt Wege, Hass und Hetze zu begegnen. Indem Internetnu­tzer darauf nicht aggressiv reagieren und so mit an der Eskalation­sspirale drehen. Indem Journalist­en nach bestem Wissen und Gewissen Fakten recherchie­ren, sachlich berichten und deutlich machen, wie sie vorgehen. Indem die Polizei, wie jetzt die Augsburger, die Öffentlich­keit frühzeitig informiert. Indem die Politik die Voraussetz­ungen dafür schafft, Hass und Hetze im Netz endlich wirksam zu bekämpfen – und die Justiz die personelle­n Möglichkei­ten erhält, dies durchzuset­zen. Deutschlan­d hat ein gewaltiges Problem mit rechtem Hass. Das müssen Medien, Politik oder Justiz künftig viel deutlicher als solches benennen.

Nutzer fordern im Netz zur Lynchjusti­z auf

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