Sie reden wieder miteinander
Putin und Selenskyj erstmals gemeinsam an einem Tisch – und es gibt Anzeichen für ernsthafte Fortschritte
Paris/Moskau Im Ringen um einen Frieden in der Ostukraine gibt es Zeichen für ernsthafte Fortschritte. Der Ukraine-Gipfel zur Entschärfung des gefährlichen Konflikts im Osten des Kontinents debattierte am Montagabend in Paris überraschend eine gemeinsame Erklärung, wie Kreise der französischen Präsidentschaft bestätigten. Am Tisch saßen Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, Kanzlerin Angela Merkel, der russische Präsident Wladimir Putin und dessen ukrainischer Kollege Wolodymyr Selenskyj. Ein solches Treffen hatte es zuletzt vor gut drei Jahren in Berlin gegeben.
Die Zusammenkunft von Selenskyj und Putin am Rande des Vierergipfels im Élyséepalast wurde als ein wichtiges Signal der Annäherung gesehen. Die Staatschefs hatten bislang nur miteinander telefoniert, um den seit Jahren schwelenden Konflikt zu lösen. Beim Zweiertreffen sollte auch der Gas-Transitdurch die Ukraine zur Sprache kommen. Ein Vertrag dazu läuft zum Jahresende aus, die Verhandlungen für eine Verlängerung stocken bisher.
Der Vierergipfel, zu dem Macron eingeladen hatte, zog sich am Abend länger hin als ursprünglich erwartet. Wohl ein Indiz für intensive Debatten. In den ostukrainischen Regionen
Donezk und Luhansk stehen sich ukrainische Regierungstruppen und prorussische Separatisten gegenüber. Rund 13000 Menschen sind nach UN-Schätzung bisher ums Leben gekommen.
Der im April ins höchste Staatsamt gewählte Selenskyj steht innenpolitisch erheblich unter Druck. Direkt vor dem Präsidentensitz in Kiew hielten sich in der Nacht zum Montag bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mehrere Hundert Menschen auf, die gegen mögliche Zugeständnisse an Russland demonstrierten. Kiew will die Kontrolle
über den ukrainisch-russischen Grenzabschnitt zurück, der von prorussischen Separatisten kontrolliert wird. Diese werden von Moskau unterstützt. Zudem fordert die Ukraine einen weiteren Gefangenenaustausch und einen Waffenstillstand. Ein Friedensplan, der 2015 in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ausgehandelt wurde, liegt weitgehend auf Eis.
Russland ging mit der Vorgabe in die Verhandlungen, dass sich Selenskyj zum Minsker Friedensplan bekennen müsse. Dieser regelt Schritte wie die Entmilitarisierung und die noch immer brüchige Waffenruhe. Gastgeber Macron strebt einen umfassenden Dialog mit Moskau über Sicherheit und Stabilität in Europa an. Seine Annäherung an Moskau wird in Mittel- und Osteuropa mitunter misstrauisch verfolgt.
Vor Beginn des Spitzentreffens protestierten zwei Aktivistinnen der in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gegründeten Gruppe Femen vor Macrons Amtssitz: „Stoppt Putins Krieg. Putin ist kein Vermittler für den Frieden, er ist ein Kriegspropagandist!“Putin selbst zeigte sich nach dem Gespräch mit Selenskyj zufrieden. Nach Angaben der russischen Staatsagentur sagte er: „Yes, I’m happy!“