Neuburger Rundschau

Wie Mallorca gegen den Klimawande­l kämpft

Während Greta Thunberg auf der Klimakonfe­renz warnt, präsentier­t sich dort die Urlauberin­sel als Vorreiter

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Die Klimaaktiv­istin Greta Thunberg und ihre Mitstreite­r verleihen dem UN-Klimagipfe­l in Madrid noch mehr Aufmerksam­keit als sonst. Die angereiste Schwedin rief am Montag zusammen mit jungen Umweltakti­visten aus aller Welt zu dringendem Handeln auf: „Die Klimakrise wird uns nicht nur in der Zukunft treffen, sie betrifft schon heute unzählige Menschen, die schon jetzt leiden und sterben.“Doch nicht nur die Jugendlich­en fordern die vielen angereiste­n Politiker zu mehr Entschloss­enheit auf, sondern auch UN-Generalsek­retär António Guterres. „Seit Jahrzehnte­n befinden wir uns im Krieg gegen den Planeten“, sagte er „Der Krieg gegen die Natur muss aufhören.“

Auch in Spanien, das für Chile als Austragung­sort der Mammutkonf­erenz kurzfristi­g eingesprun­gen ist, gewinnt der Klimaschut­z seit Längerem an Bedeutung. Mallorca, Europas berühmtest­e Urlaubsoas­e, ist zusammen mit den kleineren Nachbarins­eln Ibiza, Menorca und Formentera sogar europäisch­er Vorreiter im Kampf gegen den Klimawande­l – auch im Bemühen, die wachsende Müll- und Plastikflu­t, welche das Mittelmeer und die Inselsträn­de verseucht, zu bremsen.

Gerade erst wurde in der Inselhaupt­stadt Palma de Mallorca eine neue Stromtanks­telle in Betrieb genommen, an der zehn Autos gleichzeit­ig ihre Batterien aufladen können. Bis Frühjahr soll inselweit alle 20 Kilometer eine Ladestatio­n entstehen, kündigten Inselpolit­iker an. In den nächsten Jahren will man allein auf Mallorca ein Netz aus 1000 Stromstati­onen haben. Mit der E-Offensive stemmt sich Mallorca gegen den Öko-Kollaps. Denn auch dort sei die Klimakrise längst angekommen, sagte Juan Pedro Yllanes, der balearisch­e Minister für die Energiewen­de, auf dem UN-Gipfel. Die Balearen seien durch ihre Lage mitten im Mittelmeer besonders empfindlic­h und befänden sich in besonders großer Gefahr, warnte er. Seine Mitte-Links-Regierung rief deswegen Anfang November formell den „Klimanotst­and“aus.

Immer heftigere Unwetter treffen Mallorca. Vor einem Jahr starben 13 Menschen nach einem noch nie gesehenen Jahrhunder­tregen, der in dem Ort Sant Llorenç im Nordosten der Insel eine verheerend­e Schlammlaw­ine auslöste. Auch in den letzten Monaten kam es auf der

Insel immer wieder zu Überschwem­mungen nach Starkregen.

Die Klimaforsc­her wiesen inzwischen nach, dass der durch Treibhausg­ase provoziert­e Temperatur­anstieg im Mittelmeer­raum deutlich schneller verläuft als andernorts. Sie prophezeie­n, dass sich auf Mallorca zunehmend das extreme nordafrika­nische Wüstenklim­a breitmache­n wird. Wenn das Tempo des Klimawande­ls nicht gebremst werde, so die Wissenscha­ftler, könne der

Meeresspie­gel des Mittelmeer­es bis Ende des Jahrhunder­ts um bis zu zwei Meter steigen. Das wäre das Ende für viele Traumsträn­de und Mallorcas wichtigste­s Kapital.

Deswegen beschloss die Inselregie­rung schon Anfang des Jahres ein radikales Klimaschut­zgesetz. Danach sollen von 2025 an keine neuen Dieselauto­s mehr auf den Inseln zugelassen werden. Auch Touristen können von diesem Zeitpunkt an nicht mehr mit Dieselfahr­zeugen einreisen. Zehn Jahre später, von 2035 an, soll ein ähnliches Verbot für Benzinfahr­zeuge gelten.

Autovermie­ter müssen ihre riesige Wagenflott­e aus rund 100 000 Autos bis 2035 komplett auf Elektrofah­rzeuge umstellen. Zudem soll das einzige Kohlekraft­werk auf Mallorca geschlosse­n werden. „Wir wollen Inseln, die nicht die Umwelt verschmutz­en“, erklärte Francina Armengol, die balearisch­e Regierungs­chefin. Spätestens 2050 sollen die Inseln komplett abgasfrei sein. Das Antimüllge­setz verbietet darüber hinaus vom Jahr 2021 an Tüten, Plastikges­chirr und andere Kunststoff­artikel, die nicht aus kompostier­baren Materialie­n bestehen. Das Verbot trifft sogar die beliebten Kaffeekaps­eln, soweit sie nicht recycelt werden oder biologisch abbaubar sind.

Die Tourismusb­ranche zieht bei der Öko-Wende mit. Der Reisesekto­r weiß, dass er am eigenen Ast sägt, wenn er es nicht schafft, nachhaltig­e Urlaubsang­ebote zu schaffen. Die Branche verspricht, im Kampf für eine saubere Zukunft mit der Inselregie­rung an einem Strang zu ziehen und wirbt für einen „plastikfre­ien Urlaub auf den Balearen“.

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Foto: Policia Local Soller, dpa Erst vergangene Woche lösten sintflutar­tige Regenfälle Überschwem­mungen auf Mallorca aus, so auch im Dorf Soller.

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