Den Nachbarn stinkt’s gewaltig
Im Tölzer Land tobt ein Käse-Krieg. Der Geruch aus einem Laden sei furchtbar, finden Anwohner. Eine Allgäuer Expertin erklärt, welche Sorten das intensivste Aroma haben
Augsburg Kuhglockengebimmel, Kirchturmgeläut und duftende Semmeln und Brezen – das klingt nach bajuwarischer Gemütlichkeit. Zünftiges Freistaat-Idyll eben. Aber: All das treibt regelmäßig Menschen zur Weißglut. Immer wieder regen sich Bürger, die neben einem Bäcker, einer Kirche oder einer Viehweide wohnen, auf. In Bad Heilbrunn im Tölzer Land tobt derzeit ein ähnlicher Zoff. Genauer: Ein Käse-Krieg. Es geht darum, dass es den Nachbarn – im wahrsten Sinne des Wortes – ganz gewaltig stinkt. Aber trotzdem ist die Geschichte ein klein wenig anders als man das erwarten würde. Denn nicht die Nachbarn ziehen vor Gericht – sondern der Inhaber eines Käseladens.
Dieser Inhaber ist Wolfgang Hofmann. Und der hat die Nase gestrichen voll. Davon, dass sich die Menschen, die über seinem Laden wohnen, ständig beschweren. Eine Nachbarin verteilte sogar Plakate. Darauf zu sehen: Ein Verkehrsschild, auf das eine geruchsbelastete Nase gezeichnet wurde. „Das soll heißen: Vorsicht, hier stinkt’s. Und das ist einfach nicht hinnehmbar“, sagt Hofmann. Für ihn kommt das einer Rufschädigung gleich. Also reichte er Unterlassungsklage beim Münchner Landgericht ein. Es geht Hofmann dabei nicht nur um die Plakate, sondern auch darum, dass seine Nachbarn derlei negative Äußerungen bleiben lassen sollen. Die berufen sich indes auf ihre Meinungsfreiheit. Nächste Woche soll es eine Entscheidung geben.
„Im Laden riecht es natürlich nach Käse“, sagt Hofmann. „Aber draußen riecht man gar nichts und in den Wohnungen über dem Geschäft sowieso nicht.“Hofmann betreibt den Laden seit drei Jahren, davor war in den Räumen ein Supermarkt untergebracht. Egal, wie das Urteil ausfällt – eines ist schon sicher: Hofmann muss raus. „Mir wurde die Nutzung untersagt.“Deswegen hält er schon nach einem neuen Laden Ausschau – die ganze Gestank-Debatte habe die Suche aber erschwert.
Wenn Roswitha Boppeler das Wort „Gestank“im Zusammenhang mit Käse hört, dann kann sie nur den Kopf schütteln. Denn Käse stinke nicht. Er rieche. Boppeler ist Allgäuer Käse-Sommelière aus Kempten und erklärt: „Es handelt sich um ein natürliches Aroma, das auch ein Qualitätsmerkmal ist.“Es gebe natürlich Käse, der ein etwas intensiveres Aroma habe – aber es sei doch trotzdem viel besser, neben einem Käseladen oder Reifekeller zu wohnen als etwa neben einem Schweinestall.
Welche Sorten riechen denn nun am stärksten? Expertin Boppeler erklärt: „Käsesorten, die mit Rotkulturen behandelt werden, riechen intensiver, etwa Appenzeller, Romadur oder Bergkäse.“Die Käselaibe werden immer wieder mit den Rotkulturen eingerieben, nachdem sie aus dem Salzbad gekommen sind. Auch Rohmilchkäse habe einen stärkeren Geruch. Denn bei der Produktion sei die Temperatur niedrig, es blieben viele Vitamine enthalten, sagt Boppeler. Wird Käse hingegen aus pasteurisierter Milch hergestellt, riecht er später nicht so stark. Auch Käsesorten, die in Folien gereift sind, sind deutlich milder. Weil sie keine natürliche Rinde haben, werden sie sehr früh eingeschweißt. „Die riechen so gut wie gar nicht.“
Boppeler ist eigentlich gelernte Fleischereifachverkäuferin. Im Jahr 1990 zog sie nach Freiburg und arbeitete dort in einem Supermarkt. Weil sie aus dem Allgäu kam, hieß es: Die kennt sich sicher mit Käse aus, das wird ihr Aufgabengebiet. „Damals habe ich dann auch meine Liebe zu Käse entdeckt.“2010 absolvierte sie in Österreich die Ausbildung zur Käse-Sommelière. Seit 2012 gibt es die Ausbildung übrigens auch in Bayern.
Auf die Frage, ob sie eigentlich einen Lieblingskäse habe, antwortet Boppeler: „Das kommt auf die Uhrzeit an.“Am Morgen esse sie gerne einen milden Camembert, am Abend einen lange gereiften Bergkäse. Mit einem intensiven Geruch. Den mag beileibe nicht jeder, wie der Zoff in Bad Heilbrunn zeigt.