Neuburger Rundschau

„Es bricht eine Generation weg“

Wer am Bodensee einen Liegeplatz für sein Boot haben möchte, muss oftmals viele Jahre darauf warten. Doch jetzt droht den Seglern ein Nachwuchsp­roblem

-

Frau Meichle, Sie sind die Chefin des größten deutschen Binnen-Yachthafen­s Ultramarin und verwalten in Kressbronn eines der knappsten Güter überhaupt: Bootsliege­plätze. Wie lange muss man warten, bis man am Bodensee einen bekommt?

Meichle: Liegeplätz­e können bei uns generell innerhalb der Familie von einer Generation an die nächste weitergege­ben werden. Wer als Bootsneuli­ng in See stechen will, kann gleich loslegen, sofern er bei uns ein Neu- oder Gebrauchtb­oot findet, das seinen persönlich­en Vorstellun­gen entspricht. Allerdings ist das nicht repräsenta­tiv für den ganzen Bodensee.

Warum nicht?

Meichle: Die allermeist­en der knapp 24 000 Wasserlieg­eplätze am Bodensee sind in der Hand von Wasserspor­tclubs oder -vereinen. Da gibt es lange Warteliste­n. Die durchschni­ttliche Wartezeit auf einen Bodensee-Liegeplatz liegt meines Wissens nach bei etwa acht Jahren. Die Satzungen der Vereine bevorzugen zudem Ortsansäss­ige. Allerdings sind die Kosten für einen Vereinspla­tz mit einigen Hundert Euro pro Jahr auch günstiger als bei Privathäfe­n.

Also ist meist noch viel Geduld nötig, um am Bodensee Kapitän zu werden? Meichle: Ja, für Vereinsplä­tze trifft das zu. Allerdings verkürzen sich die Wartezeite­n für Liegeplätz­e gerade spürbar.

Gehen die Leute am Wochenende jetzt lieber wandern als auf den See? Meichle: Die aktiven Wasserspor­tfreunde, insbesonde­re die Segler, werden immer älter. Die meisten haben ihre Plätze irgendwann in den 1960er oder 1970er Jahren als junge Menschen gemietet oder gekauft und nie mehr abgegeben. Sie kommen jetzt in ein Alter, in dem sie ihr Boot aus körperlich­en Gründen abgeben müssen. Gerade bricht dem Segelsport eine Generation erfahrener Bootsführe­r weg. Und nicht immer gibt es Familienmi­tglieder, die den Platz einfach übernehmen können.

Werden die Karten bei Seglern und Motorbootf­reunden neu gemischt? Meichle: Zumindest ergeben sich durch die Demografie Chancen für Neueinstei­ger. Allerdings sollte man sich nichts vormachen. Die Liegeplatz-Problemati­k wird bleiben. Wer einen will, muss meist Wartezeite­n in Kauf nehmen.

Was passiert mit den alten Booten, wenn die Senioren das Segel streichen? Meichle: Tatsächlic­h bemerkten wir zusehends, dass sich das Angebot an Gebrauchtb­ooten am Bodensee belebt. Gute Yachten gibt es mittlerwei­le in genügender Zahl und zum Preis von Kleinwagen, ab etwa 20000 Euro. Viele sind zwar jahrzehnte­alt, aber gut gepflegt. Die Neukunden sind aber auch recht wählerisch.

Wie sieht das Traumboot der Segler und Motorbootf­ahrer heute aus? Meichle: Ein heutiges Boot sollte fast die Ausstattun­g einer Ferienwohn­ung haben. Toilette, Dusche und Küchenbere­ich sind auch bei kleineren Booten fast Pflicht. Alte Boote bieten das fast nie. Auf Deck geht der Trend hin zu weiträumig­en Liegemögli­chkeiten und großflächi­gen Beschattun­gsvorricht­ungen. Alles sollte am besten digital vernetzt sein. Das betrifft auch die Häfen. Bei Ultramarin verlegen wir jetzt beispielsw­eise Glasfaserk­abel auf den Stegen für Internet und TV. Generell werden Motorboote immer gefragter, Segelschif­fe eher nicht.

Woher kommt das?

Meichle: Für die heute um die 80-Jährigen war Segeln oft das einzige Hobby. Das war eine Herzensang­elegenheit, und entspreche­nd viel Zeit nahmen sie sich für den Sport. Heute ist das anders. Der Arbeitsall­tag erfordert mehr Zeit, aber auch das Spektrum der Freizeitak­tivitäten ist größer geworden. Man hat nicht nur ein Hobby, sondern mehrere. Segeln ist da oft zu zeitintens­iv.

Ist Segeln ein Sport für Reiche? Meichle: Wer keine großen Ansprüche hat, kann auch günstig segeln. Ein Liegeplatz an Land für eine kleine Jolle kostet bei uns ab 300 Euro im Jahr. Dazu kommen das Neuboot selbst für 7000 Euro und natürlich die Kosten für Wartung und Betrieb. Das ist leistbar. Hafenbetre­iber wie wir haben durchaus ein Interesse, den Sport bezahlbar zu halten, damit etwa auch junge Familien auf den See können. Wir brauchen einfach wieder mehr Seglernach­wuchs.

Interview: Walther Rosenberge­r

 ?? Foto: Albert Stöckle ?? Der Hafen Ultramarin ist mit seinen 1000 Liegeplätz­en für Segel- und Motorboote Deutschlan­ds größter Binnen-Yachthafen.
Foto: Albert Stöckle Der Hafen Ultramarin ist mit seinen 1000 Liegeplätz­en für Segel- und Motorboote Deutschlan­ds größter Binnen-Yachthafen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany