Der Videobeweis, Blumen, Esel und Kröten
Eine Knospe wird nicht dadurch zur Blüte, dass du an ihr zupfst.
Anlass für diesen Gartentipp ist wieder einmal der Videobeweis, der inzwischen derart viele Lebensbereiche tangiert, dass sich keiner wundern muss, dass er nun auch tief in Blumenbeete hineinwirkt. Wie so oft aber ist es mit dem Zusammenspiel von Fußball und Botanik so, dass sie auf einer zweiten Ebene für andere Wesenselemente des Lebens stehen.
Im vorliegenden Fall geht es um Geduld. Eine Tugend, die besonders den intelligenten Eseln zugeschrieben wird, aus dem Warten entspringt, vom Zeitgeist allerdings links und rechts überholt wird. Häufig von ihm plattgemacht wie eine vertrocknete und 100-fach überrollte Kröte. Doch für die Geduld gibt es genauso keinen Ersatz wie für Wahrheit, Gerechtigkeit, Videobeweise und Kröten.
Das belegt die Partie Werder
Bremen gegen Paderborn, in der Paderborns Stürmer Sven Michel in der Nachspielzeit zum 1:0 für die Gäste traf. Ein Tor, dem fast alle im Stadion die Anerkennung versagt hätten, weil sie den Schützen im Abseits gesehen hatten. Ein Irrtum. Der Videobeweis befand: alles korrekt.
Das Dumme für alle, die an Knospen zupfen: Für diese Entscheidung benötigte der Videoschiedsrichter in seinem Kölner Keller beinahe 180 Sekunden. Knapp drei Minuten zwischen Niederlage und Unentschieden aus Bremer Sicht, zwischen Unentschieden und Sieg aus Paderborner Warte – das hält kein moderner Mensch aus. Auch nicht, wenn es der Wahrheit dient.
Dass Nachbarn gelegentlich über Gartenzäune und Jahre hinweg Gerichte beschäftigen – geschenkt. Entscheidungen im Fußball ertragen keine Verzögerung. Sagen sogar die, die am Ende davon profitieren. Der Videobeweis raube ihnen die Freude, jammern sie – als wäre Vorfreude nicht die größte Freude und brächte Geduld keine Rosen.