Neue deutsche Welle
Der Europapark in Rust hat mit Rulantica ein riesiges Erlebnisbad in Betrieb genommen. Was das 180-Millionen-Euro-Projekt bietet und welche neuen Wege die Betreiber gehen
Die Besucher in andere Welten zu entführen, gehört für den Europapark zum täglich Brot. Für die Bereiche ihres Freizeitparks im badischen Rust hat sich die Besitzerfamilie Mack architektonisch und gestalterisch bei europäischen Ländern bedient und die Attraktionen mit großer Liebe zum Detail in ihre Umgebung integriert. Für ihre neue Wasserwelt Rulantica – auf halbem Weg zwischen Autobahn und Park – sind die Macher ihrer Liebe zur opulenten Gestaltung ihrer Themenbereiche treu geblieben, doch Europa als Titelgeber wurde diesmal zu klein. So hat man für die mit 180 Millionen Euro teuerste Einzelinvestition der Firmengeschichte eine komplett neue Story erfunden.
25 Wasserattraktionen, darunter 17 Rutschen, sind eingebettet in eine Welt, die aus der nordischen Mythologie entsprungen ist: mit Gletschern, Tropfsteinhöhlen, einem Strand mit Schiffswracks und Holzhütten wie aus einem Wikingerdorf. Auf einer riesigen Videowand ziehen Bewohner der sagenumwobenen Insel Rulantica ihre Kreise – Meerjungfrauen, Seegetier und der Krake Snorri, das Maskottchen der Wasserwelt.
Das Spaßbad ist eingebunden in ein Gesamtkonzept mit dem im Mai 2019 eröffneten Hotel Krønasar, dem neuen Fahrgeschäft „Snorri Touren“und einem großen InfoBereich zum Bad im Europapark selbst. Ein Jugendbuch erzählt die Geschichte von Rulantica um die junge Meerjungfrau Aquina, ihren lange verschollenen menschlichen
Zwillingsbruder, die Quelle der Unsterblichkeit auf der göttergeschaffenen Insel und die aggressiven magischen Wesen, die diese bewachen.
Insgesamt dient das in zweieinhalb Jahren gebaute reale Rulantica einem gänzlich unternehmerischen Zweck: Der Europapark möchte ganzjährig Gäste anziehen – auch in den Wochen, in denen die Achterbahnen stillstehen. Zudem sollen die Parkgäste motiviert werden, an ihren Aufenthalt einen Tag für den Badbesuch dranzuhängen. 700000 Besucher pro Jahr erhoffen sich die Verantwortlichen für Rulantica. Nicht nur sie scheinen vom Erfolg überzeugt zu sein: Auffällig viele Hotels im Ort bauen derzeit ihre Kapazitäten aus.
Die Konzeption der Wasserwelt sei ein Familienerfolg, sagt Michael Mack, der als geschäftsführender Gesellschafter den Betrieb und die Zukunftsstrategie des Europaparks verantwortet. Vater Roland Mack hat das operative Geschäft zwar seit einigen Jahren abgegeben, sprang aber angesichts vieler weiterer Projekte wie dem Wiederaufbau des skandinavischen Bereichs nach dem Brand als Baukoordinator ein. Wichtige Entscheidungen, wie zum Beispiel über die Rutschen, wurden gemeinsam getroffen, sagt Michael Mack. Bruder Thomas kümmerte sich um Hotel und Gastronomie, Schwester Ann-Kathrin um die Architektur des Hotels.
Zur künftigen Ausrichtung des Parks gehört für Michael Mack, die Attraktionen in eine Story einzubinden. Nach der Geschichte der Flugpioniere beim Flugsimulator „Voletarium“entwickelte seine Firma Mack Media nun auch den Ansatz der nordischen Wasserwelt. Maskottchen Snorri ist sogar die Idee des Chefs persönlich. „Dort, wo es Sinn macht, Geschichten zu erzählen, wollen wir das tun“, sagt Mack: „Klassiker wie die Schweizer Bobbahn zum Beispiel funktionieren aber auch so.“Daher gehe man mit dem Stilmittel behutsam um, um langjährige Kunden nicht zu verschrecken. Auf der anderen Seite eröffnen die Geschichten neue unternehmerische Möglichkeiten: Angefangen vom Verkauf von Plüsch
Snorris bis zu möglichen Filmprojekten. Mit dem Mack Animation Studio stehen den Machern die entsprechenden Köpfe zur Verfügung.
Doch vor den nächsten Zukunftsprojekten freut man sich im Hause Mack erst einmal über die erfolgreiche Eröffnung: „Wir haben in der Zeit geöffnet, sind einigermaßen im Budget geblieben – das sind ja unternehmerisch kritische Punkte. Insofern fühlt man sich schon um ein paar Kilo leichter“, sagt Michael Mack. Nach der Eröffnungspressekonferenz haben er und Vater Roland die neue Wasserwelt mit einer gemeinsamen Runde in den beiden Freefall-Rutschen gefeiert.
„Dugdrop“und „Vildfall“beginnen in Kabinen, aus denen der Rutscher per Falltür in die Röhre befördert wird, und sind die größten Mutproben des Erlebnisbades. Rulantica wartet mit acht verschiedezwei nen Typen von Großrutschen auf. Wirklich neue Konzepte sind nicht dabei, doch mit so vielen unterschiedlichen Varianten können nur wenige Bewerber aufwarten. Spektakulär sind die Steilwand-Rutsche, bei der man in Viererreifen eine senkrechte Wand hinaufgeschleudert wird. Bei der Trichterrutsche bekommt man dank eines Steilstücks vor allem im Doppelreifen ein ordentliches Tempo mit.
Alle Rutschen sind rasant genug, um für Erwachsene interessant zu sein, aber gleichzeitig so familiengerecht, dass je nach Alters- und Größenfreigabe auch wagemutige Grundschüler mitrutschen können. Gestalterisch ragt der liebevoll ausgearbeitete Strömungskanal „Snorris Saga“heraus, bei dem man gemütlich im Reifen durch die Welt der kleinen Krake schippert. Komplettiert wird das Ensemble durch aufwendig thematisierte Spielbereiche für Kinder, ein recht wildes Wellenbecken, ein Außenbecken und einen Wildwasserkanal. Rulantica ist als Familienbad konzipiert. Wellness-Angebote gibt es abgesehen von einigen Blubber-Düsen und der Poolbar daher zumindest im Moment nicht.
Angesichts des enormen Ideenreichtums im Europapark bei der Integration von Virtual-Reality-Erlebnissen in die Achterbahnen erstaunt es, dass sich hier in Rulantica bislang nichts findet. Hier wird allerdings nachgerüstet: Michael Mack hat zur Eröffnung ein neues Projekt angekündigt. „Yullbe“soll ein neuartiges Erlebnis im zweiten Stock von Rulantica werden. In Gruppen von bis zu acht Personen sollen die Besucher in virtuellen Räumen Aufgaben lösen. Das Projekt soll im kommenden Frühjahr vorgestellt werden, sagt Michael Mack: „Damit zur Eröffnung fertig zu werden, war zeitlich nicht zu schaffen. Aber der Park ist über viele Jahre gewachsen, da schadet es nicht, wenn wir ,erst‘ im Frühjahr 2020 mit ,Yullbe‘ starten.“Schwimm-VR-Brillen habe man im Zuge der Parkprojekte ebenfalls schon entwickelt.
Zudem bietet der Standort außerhalb des bisherigen Parkgeländes Entwicklungsmöglichkeiten für die nächsten Jahrzehnte. Platz sei für ein weiteres Badgebäude in der Größe des jetzt eröffneten Hauses sowie zwei weitere Hotels, sagt Michael Mack. Bei allen Überlegungen höre man auf die Stimme der Besucher. Derzeit sei man dabei, die ersten
Reaktionen auf die Wasserwelt abzuarbeiten. Dazu gehört, die letzten Kinderkrankheiten zu beseitigen. Nach anfänglichen Beschwerden der Besucher hat man beispielsweise bei der Temperatur von Wasser und Halle nachgesteuert. Auch die zu Beginn fehlenden Uhren im Bad werden nachgerüstet.
Doch auch für die Zukunft sind die Wünsche der Gäste relevant. Für Rulantica lägen bereits Erweiterungspläne in der Schublade: „Von einem Outdoor-Wasserspielplatz bis zu einem Wellness-Bereich.“Viele Gäste würden aber seit längerem eine neue Achterbahn für den Park fordern, sagt Michael Mack. Freie Flächen gebe es dort noch, wo heute die Horror Nights - Traumatica stattfinden. Doch dem räumlichen Wachstum sind Grenzen gesetzt – und alte Attraktionen abzureißen, um Platz für Neues zu schaffen, das kommt für Mack derzeit nicht infrage: „Sicherlich wird man bei einigen Sachen bald die Schienen auswechseln müssen, weil sie ihre Lebensdauer erreicht haben. Aber mit jedem Gebäude sind Erinnerungen verbunden, einige Bahnen sind Klassiker geworden, die man einfach einmal gefahren sein muss.“
Überhaupt stelle sich die Frage, wie weit man wachsen könne, ohne dass der Standort in Rust ein Infrastrukturproblem bekomme. Denn die Masse der Besucher reist mit dem Auto an und die Erfüllung des lang gehegten Wunschs der Familie Mack nach einem ICE-Halt durch die Deutsche Bahn ist nicht in Sicht, sagt Mack: „Disneyland Paris hat zur Eröffnung einen TGV-Halt bekommen. Uns hat man das Jahr 2042 avisiert. Leider können wir den nicht selbst bauen.“ O Eintrittskarten Tagestickets für den Park kosten 35,50 Euro für Kinder von 4 bis 11 Jahren und 38,50 Euro für alle ab 12 Jahren. Das Bad ist täglich von 10 bis 22 Uhr geöffnet. Tickets gibt es über den offiziellen Internetshop www.tickets-mackinternational.de. Der Wasserpark ist auf maximal 3500 Besucher gleichzeitig und 5000 pro Tag ausgelegt. Mögliche Restkarten werden gegen vier Euro Aufpreis an der Tageskasse verkauft.
Die Wasserwelt ist ein Familienprojekt
Erweiterungspläne liegen bereits in der Schublade