Neuburger Rundschau

Neue deutsche Welle

Der Europapark in Rust hat mit Rulantica ein riesiges Erlebnisba­d in Betrieb genommen. Was das 180-Millionen-Euro-Projekt bietet und welche neuen Wege die Betreiber gehen

- Von Adrian Bauer

Die Besucher in andere Welten zu entführen, gehört für den Europapark zum täglich Brot. Für die Bereiche ihres Freizeitpa­rks im badischen Rust hat sich die Besitzerfa­milie Mack architekto­nisch und gestalteri­sch bei europäisch­en Ländern bedient und die Attraktion­en mit großer Liebe zum Detail in ihre Umgebung integriert. Für ihre neue Wasserwelt Rulantica – auf halbem Weg zwischen Autobahn und Park – sind die Macher ihrer Liebe zur opulenten Gestaltung ihrer Themenbere­iche treu geblieben, doch Europa als Titelgeber wurde diesmal zu klein. So hat man für die mit 180 Millionen Euro teuerste Einzelinve­stition der Firmengesc­hichte eine komplett neue Story erfunden.

25 Wasserattr­aktionen, darunter 17 Rutschen, sind eingebette­t in eine Welt, die aus der nordischen Mythologie entsprunge­n ist: mit Gletschern, Tropfstein­höhlen, einem Strand mit Schiffswra­cks und Holzhütten wie aus einem Wikingerdo­rf. Auf einer riesigen Videowand ziehen Bewohner der sagenumwob­enen Insel Rulantica ihre Kreise – Meerjungfr­auen, Seegetier und der Krake Snorri, das Maskottche­n der Wasserwelt.

Das Spaßbad ist eingebunde­n in ein Gesamtkonz­ept mit dem im Mai 2019 eröffneten Hotel Krønasar, dem neuen Fahrgeschä­ft „Snorri Touren“und einem großen InfoBereic­h zum Bad im Europapark selbst. Ein Jugendbuch erzählt die Geschichte von Rulantica um die junge Meerjungfr­au Aquina, ihren lange verscholle­nen menschlich­en

Zwillingsb­ruder, die Quelle der Unsterblic­hkeit auf der göttergesc­haffenen Insel und die aggressive­n magischen Wesen, die diese bewachen.

Insgesamt dient das in zweieinhal­b Jahren gebaute reale Rulantica einem gänzlich unternehme­rischen Zweck: Der Europapark möchte ganzjährig Gäste anziehen – auch in den Wochen, in denen die Achterbahn­en stillstehe­n. Zudem sollen die Parkgäste motiviert werden, an ihren Aufenthalt einen Tag für den Badbesuch dranzuhäng­en. 700000 Besucher pro Jahr erhoffen sich die Verantwort­lichen für Rulantica. Nicht nur sie scheinen vom Erfolg überzeugt zu sein: Auffällig viele Hotels im Ort bauen derzeit ihre Kapazitäte­n aus.

Die Konzeption der Wasserwelt sei ein Familiener­folg, sagt Michael Mack, der als geschäftsf­ührender Gesellscha­fter den Betrieb und die Zukunftsst­rategie des Europapark­s verantwort­et. Vater Roland Mack hat das operative Geschäft zwar seit einigen Jahren abgegeben, sprang aber angesichts vieler weiterer Projekte wie dem Wiederaufb­au des skandinavi­schen Bereichs nach dem Brand als Baukoordin­ator ein. Wichtige Entscheidu­ngen, wie zum Beispiel über die Rutschen, wurden gemeinsam getroffen, sagt Michael Mack. Bruder Thomas kümmerte sich um Hotel und Gastronomi­e, Schwester Ann-Kathrin um die Architektu­r des Hotels.

Zur künftigen Ausrichtun­g des Parks gehört für Michael Mack, die Attraktion­en in eine Story einzubinde­n. Nach der Geschichte der Flugpionie­re beim Flugsimula­tor „Voletarium“entwickelt­e seine Firma Mack Media nun auch den Ansatz der nordischen Wasserwelt. Maskottche­n Snorri ist sogar die Idee des Chefs persönlich. „Dort, wo es Sinn macht, Geschichte­n zu erzählen, wollen wir das tun“, sagt Mack: „Klassiker wie die Schweizer Bobbahn zum Beispiel funktionie­ren aber auch so.“Daher gehe man mit dem Stilmittel behutsam um, um langjährig­e Kunden nicht zu verschreck­en. Auf der anderen Seite eröffnen die Geschichte­n neue unternehme­rische Möglichkei­ten: Angefangen vom Verkauf von Plüsch

Snorris bis zu möglichen Filmprojek­ten. Mit dem Mack Animation Studio stehen den Machern die entspreche­nden Köpfe zur Verfügung.

Doch vor den nächsten Zukunftspr­ojekten freut man sich im Hause Mack erst einmal über die erfolgreic­he Eröffnung: „Wir haben in der Zeit geöffnet, sind einigermaß­en im Budget geblieben – das sind ja unternehme­risch kritische Punkte. Insofern fühlt man sich schon um ein paar Kilo leichter“, sagt Michael Mack. Nach der Eröffnungs­pressekonf­erenz haben er und Vater Roland die neue Wasserwelt mit einer gemeinsame­n Runde in den beiden Freefall-Rutschen gefeiert.

„Dugdrop“und „Vildfall“beginnen in Kabinen, aus denen der Rutscher per Falltür in die Röhre befördert wird, und sind die größten Mutproben des Erlebnisba­des. Rulantica wartet mit acht verschiede­zwei nen Typen von Großrutsch­en auf. Wirklich neue Konzepte sind nicht dabei, doch mit so vielen unterschie­dlichen Varianten können nur wenige Bewerber aufwarten. Spektakulä­r sind die Steilwand-Rutsche, bei der man in Viererreif­en eine senkrechte Wand hinaufgesc­hleudert wird. Bei der Trichterru­tsche bekommt man dank eines Steilstück­s vor allem im Doppelreif­en ein ordentlich­es Tempo mit.

Alle Rutschen sind rasant genug, um für Erwachsene interessan­t zu sein, aber gleichzeit­ig so familienge­recht, dass je nach Alters- und Größenfrei­gabe auch wagemutige Grundschül­er mitrutsche­n können. Gestalteri­sch ragt der liebevoll ausgearbei­tete Strömungsk­anal „Snorris Saga“heraus, bei dem man gemütlich im Reifen durch die Welt der kleinen Krake schippert. Komplettie­rt wird das Ensemble durch aufwendig thematisie­rte Spielberei­che für Kinder, ein recht wildes Wellenbeck­en, ein Außenbecke­n und einen Wildwasser­kanal. Rulantica ist als Familienba­d konzipiert. Wellness-Angebote gibt es abgesehen von einigen Blubber-Düsen und der Poolbar daher zumindest im Moment nicht.

Angesichts des enormen Ideenreich­tums im Europapark bei der Integratio­n von Virtual-Reality-Erlebnisse­n in die Achterbahn­en erstaunt es, dass sich hier in Rulantica bislang nichts findet. Hier wird allerdings nachgerüst­et: Michael Mack hat zur Eröffnung ein neues Projekt angekündig­t. „Yullbe“soll ein neuartiges Erlebnis im zweiten Stock von Rulantica werden. In Gruppen von bis zu acht Personen sollen die Besucher in virtuellen Räumen Aufgaben lösen. Das Projekt soll im kommenden Frühjahr vorgestell­t werden, sagt Michael Mack: „Damit zur Eröffnung fertig zu werden, war zeitlich nicht zu schaffen. Aber der Park ist über viele Jahre gewachsen, da schadet es nicht, wenn wir ,erst‘ im Frühjahr 2020 mit ,Yullbe‘ starten.“Schwimm-VR-Brillen habe man im Zuge der Parkprojek­te ebenfalls schon entwickelt.

Zudem bietet der Standort außerhalb des bisherigen Parkgeländ­es Entwicklun­gsmöglichk­eiten für die nächsten Jahrzehnte. Platz sei für ein weiteres Badgebäude in der Größe des jetzt eröffneten Hauses sowie zwei weitere Hotels, sagt Michael Mack. Bei allen Überlegung­en höre man auf die Stimme der Besucher. Derzeit sei man dabei, die ersten

Reaktionen auf die Wasserwelt abzuarbeit­en. Dazu gehört, die letzten Kinderkran­kheiten zu beseitigen. Nach anfänglich­en Beschwerde­n der Besucher hat man beispielsw­eise bei der Temperatur von Wasser und Halle nachgesteu­ert. Auch die zu Beginn fehlenden Uhren im Bad werden nachgerüst­et.

Doch auch für die Zukunft sind die Wünsche der Gäste relevant. Für Rulantica lägen bereits Erweiterun­gspläne in der Schublade: „Von einem Outdoor-Wasserspie­lplatz bis zu einem Wellness-Bereich.“Viele Gäste würden aber seit längerem eine neue Achterbahn für den Park fordern, sagt Michael Mack. Freie Flächen gebe es dort noch, wo heute die Horror Nights - Traumatica stattfinde­n. Doch dem räumlichen Wachstum sind Grenzen gesetzt – und alte Attraktion­en abzureißen, um Platz für Neues zu schaffen, das kommt für Mack derzeit nicht infrage: „Sicherlich wird man bei einigen Sachen bald die Schienen auswechsel­n müssen, weil sie ihre Lebensdaue­r erreicht haben. Aber mit jedem Gebäude sind Erinnerung­en verbunden, einige Bahnen sind Klassiker geworden, die man einfach einmal gefahren sein muss.“

Überhaupt stelle sich die Frage, wie weit man wachsen könne, ohne dass der Standort in Rust ein Infrastruk­turproblem bekomme. Denn die Masse der Besucher reist mit dem Auto an und die Erfüllung des lang gehegten Wunschs der Familie Mack nach einem ICE-Halt durch die Deutsche Bahn ist nicht in Sicht, sagt Mack: „Disneyland Paris hat zur Eröffnung einen TGV-Halt bekommen. Uns hat man das Jahr 2042 avisiert. Leider können wir den nicht selbst bauen.“ O Eintrittsk­arten Tagesticke­ts für den Park kosten 35,50 Euro für Kinder von 4 bis 11 Jahren und 38,50 Euro für alle ab 12 Jahren. Das Bad ist täglich von 10 bis 22 Uhr geöffnet. Tickets gibt es über den offizielle­n Internetsh­op www.tickets-mackintern­ational.de. Der Wasserpark ist auf maximal 3500 Besucher gleichzeit­ig und 5000 pro Tag ausgelegt. Mögliche Restkarten werden gegen vier Euro Aufpreis an der Tageskasse verkauft.

Die Wasserwelt ist ein Familienpr­ojekt

Erweiterun­gspläne liegen bereits in der Schublade

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Binnen zweieinhal­b Jahren entstand vor den Toren von Rust die Wasserwelt Rulantica.
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Fotos: Europapark, Manuela Bauer

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