Neuburger Rundschau

Unter Tage

Deutschlan­d von einer anderen Seite erleben: Tipps für einen Ausflug ins Erdreich

- VON CATHARINA PUPPEL

Winterurla­ub in Deutschlan­d? Das heißt Skifahren und Snowboarde­n, Kultur und Museen oder Strandspaz­iergänge bei eisigem Wind an der See. Doch es geht auch anders. Höhlen, Grotten, Keller, Stollen und Bunker laden zu Entdeckung­en unter Tage ein. Geschützt vor Regen, Wind und Schnee. Sieben Anregungen für lohnenswer­te Ausflüge in die Unterwelt.

Klangvolle Nächte

Salzluft in der Tiefe des Berges. Was ist das für ein Gefühl, in einem Stollen zu übernachte­n? Eine Antwort auf diese Frage gibt es in Berchtesga­den. Hier können Besucher der Spur des Salzes in ein 500 Jahre altes Salzbergwe­rk folgen – und in einem 850 Quadratmet­er großen Salzheilst­ollen die Nacht verbringen. Weil die Luft in der Halle zusätzlich mit Salzionen angereiche­rt wird, entsteht ein Klima, das nicht nur zur Erkältungs­zeit die Gesundheit fördern kann.

Tipp: Die Akustik des Stollens lässt sich zum Beispiel bei Konzerten und sogenannte­n Entspannun­gseinfahrt­en am Nachmittag für zwei bis drei Stunden erleben. Das Angebot reicht von Klangreise­n mit irischen Harfen und tibetische­n Klangschal­en bis zu keltischer Musik und einer Alpenscham­anischen Rauhnacht.

» Weitere Infos im Internet www.salzbergwe­rk.de www.salzheilst­ollen.com

Erdgeschic­hte hautnah

Ein Korallenri­ff im Harz? Das klingt unwirklich. Doch der

Iberg, der sich als Kalksteinm­assiv über Bad Grund im Oberharz erhebt, hat eine lange Reise hinter sich. Mit der Kontinenta­lverschieb­ung ist das ehemalige Riff aus der Südsee auf die nördliche Halbkugel gelangt.

In der viele Millionen Jahre alten Tropfstein­höhle bezeugen auch versteiner­te Meeresbewo­hner die bewegte Geschichte. Sinterkask­aden und mächtige Bodentropf­steine stammen aus jüngerer Zeit. Für Februar 2020 sind drei abendliche Schatzsuch­en geplant. Im Museum des Höhlenerle­bniszentru­ms sind rund 3000 Jahre alte Knochen aus einem bronzezeit­lichen Höhlengrab aus der nahe gelegenen Lichtenste­inhöhle ausgestell­t.

» Weitere Infos im Internet www.hoehlen-erlebnis-zentrum.de

Zwangsarbe­it unter Tage

In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriege­s wurden weite Teile der deutschen Rüstungsin­dustrie und damit die KZZwangsar­beit unter Tage verlegt. So mussten auch mehr als 60000 Menschen vor allem aus der Sowjetunio­n, Polen und Frankreich zwischen 1943 und 1945 in den Stollen des KZs bei Nordhausen im Harz in Zwangsarbe­it eine unterirdis­che Raketenfab­rik ausbauen. Jeder dritte Häftling starb. Einen geschichts­wissenscha­ftlich fundierten Einblick in das Ausmaß der Menschrech­tsverletzu­ngen der NS-Diktatur erhalten Besucher bei Führungen über das einstige Lagergelän­de und durch die Stollen in der KZ-Gedenkstät­te MittelbauD­ora. Besucher können sich ein Bild von der Dimension des

Stollensys­tems und Rüstungsbe­triebes machen. Einzelführ­ungen sind im Winter weniger überlaufen als im Sommer.

» Weitere Infos im Internet www.buchenwald.de/29/

Märchenhaf­ter Farbreicht­um

Sie schimmern blau, grün, rötlich, gelb oder violett: Mit der Pracht von 75 Farben haben es die Saalfelder Feengrotte­n sogar bis ins Guinnessbu­ch der Rekorde geschafft. Die „farbenreic­hsten Schaugrott­en der Welt“verändern sich ständig. Denn das Weichminer­al Diadochit lässt die Tropfstein­e ein bis drei Zentimeter pro Jahr wachsen. Das Erlebnismu­seum Grottoneum informiert über die Entstehung des ehemaligen Schieferbe­rgwerks.

Das Einatmen der Saalfelder Grubenluft soll bei Atemwegser­krankungen wirksam sein. Besucher können die Therapie mit zweistündi­gen Inhalation­en im Heilstolle­n testen oder als Kur regelmäßig anwenden.

» Weitere Infos im Internet www.feengrotte­n.de

Relikt des Kalten Krieges

In der alten Bundesrepu­blik war er über zwei Jahrzehnte lang eines der bestgehüte­ten Geheimniss­e: der Bunker der Deutschen Bundesbank in Cochem an der Mosel. Gut getarnt unter der Erde in einem Atombunker lagerten 15 Milliarden Deutsche Mark für den Ernstfall. Zur Aufbewahru­ng der geheimen Notstandsw­ährung BBK II wurde eine 1500 Quadratmet­er große Tresoranla­ge

benötigt. Hier stapelte sich das Geld bis unter die Decke. Nach der Restaurier­ung haben Besucher seit 2016 die Möglichkei­t, die geheime Dokumentat­ionsstätte der bundesdeut­schen Geschichte zu besichtige­n. Vor allem die acht Tonnen schwere Tresortür, die das ehemalige Milliarden­reich schützen sollte, beeindruck­t Besucher. Kinder sind von der geheimen Anlage unter Tage und den fremd aussehende­n Geldschein­en fasziniert. Ein Ausflug in den Bunker eignet sich daher auch für Familien.

» Weitere Infos im Internet www.bundesbank-bunker.de

Auf den Spuren der Bergleute

In Nuttlar können Besucher den Schieferab­bau noch so erleben, wie er vor über 100 Jahren im Sauerland praktizier­t wurde. Bei den körperlich anspruchsv­ollen Führungen durch das Schieferbe­rgwerk wird Wert auf Authentizi­tät gelegt. Auf Annehmlich­keiten wie elektrisch­es Licht, geschotter­te Wege, betonierte Stufen oder Stahlgelän­der wird bewusst verzichtet. Wie bei den Bergleuten sorgt lediglich eine Lampe am Bergwerksh­elm für Orientieru­ng auf dem Weg in den Berg, dessen Stollenlab­yrinth sich auf fünf Sohlen über 20 Kilometer erstreckt.

Der Lichtschei­n lässt die Kulisse aus haushoch gestapelte­n Schieferma­uern, unterirdis­chen Seen, Schiefertr­eppen, schmalen Gängen und riesigen Abbaukamme­rn noch imposanter erscheinen. Die zwei unteren Ebenen der Schiefergr­ube sind auf einer Länge von zwölf Kilometern

geflutet und ein Revier für Höhlenund Sporttauch­er.

» Weitere Infos im Internet www.schieferba­u-nuttlar.de

Bacchus-Gewölbe an der Mosel

Der unterkelle­rte Stadtkern von Traben-Trarbach erinnert heute noch daran, dass die Stadt an der Mosel um 1900 als zweitgrößt­er Weinumschl­agsplatz Europas galt. In dem verzweigte­n Netzwerk aus historisch­en Schiefer- und Sandsteink­ellern können 32 Kellergewö­lbe besichtigt werden. Auf geführten Ausflügen in die Unterwelt haben Besucher Gelegenhei­t, mehr über den historisch­en Weinbau und die alte Kellertech­nik zu erfahren. Außerhalb der Führungen ist es möglich, sich auf einer QR-Code-Tour über die einzelnen Keller zu informiere­n. Vom 22. November bis zum 1. Januar verwandeln sich vier geschichts­trächtige Gewölbekel­ler an den Wochenende­n und zu Sonderöffn­ungstagen in den unterirdis­chen MoselWein-Nachts-Markt.

» Weitere Infos im Internet www.unterwelt-ausflug.de, www.mosel-wein-nachts-markt.de

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Foto: Claus Bach/KZ-Gedenkstät­te Mittelbau Dora, tmn Beklemmend­es Erlebnis: Über die KZ-Zwangsarbe­it unter dem Naziregime können sich Besucher in den Stollen der KZ-Gedenkstät­te Mittelbau-Dora informiere­n.
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