Neuburger Rundschau

Ein Ende mit Schrecken

Nach einem bundesweit­en Aufschrei zieht sich Thüringens Ministerpr­äsident Kemmerich wieder zurück. Seine FDP strebt nun Neuwahlen an. Vorgänger Bodo Ramelow stünde bereit

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin/Erfurt Die Skandal-Wahl von Erfurt soll abgewickel­t werden. Nach beispiello­sem Druck aus ganz Deutschlan­d hat Kurzzeit-Ministerpr­äsident Thomas Kemmerich am Donnerstag seinen Rücktritt erklärt. Seine FDP strebt nun die Auflösung des Landtages und Neuwahlen an. Der Regierungs­chef amtierte aktiv 24 Stunden und damit so kurz wie nie. Geschäftsf­ührend bleibt er weiter auf seinem Posten, den er mit den Stimmen der AfD errungen hatte. Die Thüringer sollen nun so wählen, dass eine vernünftig­e Mehrheit herauskomm­t. Vernünftig heißt aus Sicht der etablierte­n Parteien, dass die AfD in ihrem Ergebnis möglichst geschrumpf­t wird.

„Gestern hat die AfD mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu beschädige­n“, sagte Kemmerich am Donnerstag. Was er verschwieg, war, dass ihm die in Thüringen radikal rechts stehende Partei bereits im November eine Koalition

angeboten hat. Ob die Thüringer wieder in die Wahllokale gerufen werden, ist derzeit offen. Für die Auflösung des Landtages sieht die Landesverf­assung eine Zwei-Drittel-Mehrheit vor. Die Thüringer CDU widersetzt sich bislang dem energische­n Dringen auf Neuwahlen von Kanzlerin Angela Merkel und Parteichef­in Annegret KrampKarre­nbauer. „Es darf in Thüringen weder Stillstand geben, noch sind Neuwahlen eine Antwort auf die entstanden­e Situation“, erklärte der Landesverb­and. Der Vorstand sprach am Abend mit 12:2 Stimmen Landeschef Mike Mohring sein Vertrauen aus. Mohring will, dass der gewählte Landtag einen Nachfolger für Kemmerich bestimmt.

Damit bleibt Thüringen für die Christdemo­kraten eine offene Wunde. Kramp-Karrenbaue­r – ohnehin angeschlag­en – steckt tief im Schlamasse­l fest. Die Bundesspit­ze der Partei kommt deshalb am Freitag zu einer Sondersitz­ung zusammen.

Die AfD hat noch nicht bekannt gegeben, ob sie den Weg für Neuwahlen frei machen will. Die Abgeordnet­en können sich nicht sicher sein, ob sie erneut einziehen würden. Außerdem glaubt die Alternativ­e für Deutschlan­d, davon zu profitiere­n, politische Unruhe zu stiften.

Der Partei ist es gelungen, CDU und FDP in eine bedrohlich­e Lage zu stürzen. FDP-Chef Christian Lindner drohte mit Rücktritt, sollte Kemmerich seinen Posten nicht räumen. Am Freitag will er im Präsidium die Vertrauens­frage stellen. Das Fiasko in Thüringen ist Lindners zweite gravierend­e Fehlentsch­eidung nachdem er die Gespräche über die Bildung einer Koalition mit Union und Grünen hatte platzen lassen. Derzeit ist dennoch nicht vorstellba­r, dass er abgestraft wird.

Weil es nicht sicher ist, ob der Landtag in Erfurt seine Selbstaufl­ösung beschließe­n wird, bleibt noch eine zweite Option: Kemmerich kann die Vertrauens­frage stellen, die er dann geplant verlieren dürfte. Binnen drei Wochen müssen die

Abgeordnet­en einen Nachfolger wählen oder es käme dann automatisc­h zu Neuwahlen. In dem politische­n Verwirrspi­el könnte schlussend­lich der gedemütigt­e Ex-Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) wie ein Phoenix aus der Asche zurückkehr­en. Ramelow hat erklären lassen, dass er es noch einmal wissen will. Er muss lediglich vier Stimmen aus dem Lager der gegnerisch­en Fraktionen holen, um gewählt zu werden. Im dritten Wahlgang reicht sogar die einfache Mehrheit.

Im Moment weiß keiner in Erfurt oder in Berlin, was genau in Thüringen passieren wird. Das Land könnte zum Labor für die gesamte Republik werden.

Gregor Peter Schmitz erklärt, warum die Vorgänge die Schwäche (fast) aller Parteien zeigen.

Auf zwei Seiten geht es um die Nöte der Parteichef­s Christian Lindner und AKK, die Rolle der CSU und die Sicht der bayerische­n FDP auf das Thüringer Trauerspie­l.

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Foto: Bodo Schackow, dpa 24 Stunden im Amt: Der thüringisc­he FDP-Politiker Thomas Kemmerich ist als Ministerpr­äsident wieder zurückgetr­eten. Zuvor hatte der Liberale massiven Gegenwind bekommen, auch die eigene Partei drängte ihn zum Rücktritt.

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