Neuburger Rundschau

Sylt statt Stuttgart

Die Grünen wollen die Schiene stärken. Doch weil ihr Verkehrsmi­nister in Baden-Württember­g zögerte, bekommt die eingleisig­e Strecke nach Zürich keinen Extraschub. Stattdesse­n profitiert der Norden. Ein Lehrstück

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin/Stuttgart Die Bahnstreck­e zwischen Stuttgart und Zürich ist ein Lehrstück dafür, warum es der Zug noch lange schwer haben wird gegen Auto und Flugzeug. Seit über 20 Jahren scheitert Deutschlan­d daran, ein zweites Gleis zu verlegen, um beide Wirtschaft­smetropole­n besser zu verbinden. Einst war die Gäubahn zweigleisi­g, bis die Franzosen nach dem Krieg einen Strang abbauen ließen. Jetzt ließ BadenWürtt­embergs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann eine Gelegenhei­t sausen, wenigstens etwas verlorene Zeit aufzuholen.

Der Grünen-Politiker entschied sich dagegen, die Strecke auf die Liste mit Projekten zu setzen, die schneller geplant und gebaut werden sollen. Das soll gelingen, indem sie nicht mehr per Planfestst­ellung genehmigt werden, sondern direkt durch Beschluss des Bundestage­s. Durch das sogenannte Maßnahmenv­orbereitun­gsgesetz schuf das Parlament die rechtliche Grundlage dafür. „Der Landesverk­ehrsminist­er verpasst hier eine große Chance für die Gäubahn und damit für ganz Baden-Württember­g. Andere Bundesländ­er lachen über uns“, sagte der CDU-Verkehrspo­litiker Felix Schreiner unserer Redaktion.

Der Abgeordnet­e aus Waldshut an der Schweizer Grenze ärgert sich besonders, dass andere Landesregi­erungen beherzter zugegriffe­n haben. Schleswig-Holstein sorgte zum Beispiel mit einer Kraftanstr­engung dafür, dass die Marschbahn von Elmshorn nach Sylt jetzt schneller ein zweites Gleis bekommen könnte. Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) setzte seine Leute in Berlin in Bewegung, damit das Projekt auf der Liste mit den deutschlan­dweit 13 prioritäre­n Vorhaben landet. Sie bearbeitet­en das Verkehrsmi­nisterium und die Verkehrspo­litiker im Bundestag. Zuvor war die Verbindung

auf die Insel von der Liste gefallen, doch Günther gab nicht auf. Täglich pendeln 4000 bis 6000 Menschen nach Sylt, um dort zu arbeiten. Zeitweise kam jeder zweite Zug zu spät.

Winfried Hermann und sein Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) setzten niemanden in Bewegung. Zwar findet es auch Hermann unerträgli­ch, dass es bei der Verlegung neuer Gleise in die Schweiz nicht vorwärtsge­ht, er hat aber rechtliche Bedenken. Der Minister rechnet damit, dass gegen das Maßnahmeng­esetz geklagt wird, weil es die Beteiligun­g Betroffene­r beschränkt. „Damit besteht auch die Gefahr, dass Projekte wie die Gäubahn verzögert und nicht beschleuni­gt werden, falls sie in das Gesetz aufgenomme­n würden“, sagte Hermann unserer Redaktion.

Mit deutlichen Worten nahm sich der Grünen-Politiker hingegen Bahn und Bundesregi­erung vor. Denn immerhin für einen ersten Abschnitt zwischen Horb und Neckarhaus­en liegt eine Baugenehmi­gung vor. „Man kann einfach anfangen. Es ist völlig inakzeptab­el, dass knapp zwei Jahre nach dem Planfestst­ellungsbes­chluss der Ausbau noch immer nicht begonnen hat“, beschwert sich der 67-Jährige.

Deutschlan­d steht bei der Gäubahn internatio­nal im Wort. 1996 unterzeich­nete die Bundesregi­erung einen Staatsvert­rag mit der Schweiz. Zwei Gleise und Neigetechn­ikzüge sollten die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Zürich auf 2 Stunden 15 Minuten verkürzen. Derzeit braucht ein Zug rund 3 Stunden. Häufig müssen die Reisenden unterwegs umsteigen. Die Schweiz hat ihren Teil des Vertrages erfüllt: Bis zur Grenze ist die Strecke fertig.

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Foto: Felix Kästle, dpa Scheint komplizier­t: Die Gäubahn am Rand des Schwarzwal­ds bräuchte ein zweites Gleis.

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