Neuburger Rundschau

„Das war von vornherein eine Katastroph­e“

Bayerns FDP-Chef Thomas Föst spricht über Parteiaust­ritte und das Krisenmana­gement des Bundesvors­itzenden Christian Lindner

- Interview: Michael Pohl

Wie haben Sie als bayerische­r FDPChef das Debakel um die Thüringer Ministerpr­äsidentenw­ahl erlebt? Daniel Föst: Das war für mich am Mittwoch ein äußerst schwierige­r Tag. Wir als FDP sind das Gegenteil zur AfD: Wir glauben an Europa. Wir haben Respekt vor allen Menschen. Wir sind für eine offene Gesellscha­ft und wollen Zukunft gestalten. Und da ist es für mich unerträgli­ch, dass die AfD einen FDPMiniste­rpräsident­en ins Amt hebt.

Hätte Herr Kemmerich nicht schon die Wahl ablehnen müssen, nachdem er jetzt unter Druck doch zurücktrit­t? Föst: Ich habe Respekt vor Thomas Kemmerichs Versuch, die Probleme Thüringens aus der Mitte heraus zu lösen. Dass die AfD in Thüringen so stark ist, liegt auch am Versagen von Rot-Rot-Grün. Kemmerich hat immer klargemach­t, weder will er einen Altkommuni­sten an der Spitze Thüringens noch kann er das Land den Rechtsnati­onalisten überlassen. Aber er hätte die Wahl mit den Stimmen der AfD nicht annehmen dürfen. Eine Regierung hätte sich niemals von dem Makel befreien können, dass sie durch Nazis wie Björn Höcke an die Macht gekommen ist.

Aber was war denn die Strategie? Glauben Sie wirklich, dass Ihr Parteifreu­nd nicht vorher einkalkuli­ert hat, dass die AfD für ihn stimmt?

Föst: Nachdem Ministerpr­äsident Bodo Ramelow in jedem Wahlgang gescheiter­t war, hat Kemmerich in der dritten Runde offensicht­lich auf Stimmen aus der demokratis­chen Mitte gehofft, von CDU, SPD oder den Grünen. Dass die AfD ihrem eigenen Kandidaten null Stimmen gegeben hat, zeigt, dass diese Partei die Axt an unsere Demokratie legen will. Aber nach dem Ergebnis hätte Kemmerich gleich sagen müssen, ich lasse mich mit keiner AfD-Stimme, etwa der von Höcke, zum Ministerpr­äsident wählen. Er hätte gleich sagen müssen: Ich nehme die Wahl nicht an.

Ist die FDP der AfD blauäugig in die Falle gegangen?

Föst: Die Taktik war von vornherein eine Katastroph­e. Ich halte den gesamten Ablauf für einen schweren Fehler.

Wie ist die Stimmung an Ihrer Basis? Man hört von ersten Austritten?

Föst: Die gibt es. Die Mitglieder in Bayern sind schockiert, dass sich ein Liberaler mit den Stimmen der AfD hat wählen lassen. Das ist für uns in Bayern unerträgli­ch. Jeder bayerische Freie Demokrat weiß, eine Zusammenar­beit mit der AfD kann es nicht geben.

Haben Sie Verständni­s für die Demonstran­ten vor Ihrer Parteizent­rale? Föst: Wir leben in einer Erregungsz­eit. In München haben vor allem auch Anhänger der Parteien gegen uns demonstrie­rt, die in Thüringen abgewählt wurden. Diese Demos werden aber das Problem nicht lösen, dass wir erstarkend­e Kräfte am rechten Rand haben. Die Art, wie auf Bundeseben­e Politik gemacht wird, ist nicht geeignet, die Menschen von den Verführern am rechten Rand zurückzuho­len. Die Große Koalition löst derzeit keine Probleme.

Aber was hilft es, wenn man wie Herr Kemmerich Linke und Rechtsextr­eme immer nur in einem Atemzug nennt? Föst: Nochmals: Definitiv hat Thomas Kemmerich einen Fehler gemacht. Ich hätte mich nicht zur Wahl gestellt. Aber wer die Probleme klein macht, von denen die Rechtsextr­emen leben, macht die Rechtsextr­emen mit klein. Es gibt ungeklärte Fragen der Zuwanderun­g, in der Klimapolit­ik oder der großen Strukturun­terschiede in Ost- und Westdeutsc­hland. Erst wenn wir die großen Probleme lösen, die den Menschen auf der Seele brennen, geht der Spuk der AfD zu Ende.

Welche Folgen sehen Sie für Ihren bayerische­n Kommunalwa­hlkampf? Föst: Was die Thüringer Parteikoll­egen da gemacht haben, ist sicher keine Hilfe für uns in Bayern. Wir haben aber landauf, landab hervorrage­nde Kandidaten und so viele Listen aufgestell­t wie noch nie, seit ich in der Partei bin.

Wie sehen Sie das Krisenmana­gement von Christian Lindner?

Föst: Christian Lindner hat ein Ultimatum gestellt und zum Ausdruck gebracht, dass Thomas Kemmerich den Weg für Neuwahlen frei machen soll. Das hätte man vielleicht am Donnerstag noch klarer und schneller ausdrücken müssen. Wir müssen das Ganze jetzt kritisch aufarbeite­n. Dazu brauchen wir die Sondersitz­ung des Bundesvors­tandes.

Herr Lindner will jetzt die Vertrauens­frage stellen. Kommt es nun zur Führungsde­batte in der FDP?

Föst: Christian Lindner ist extra nach Thüringen gefahren und hat sich persönlich für eine schnelle Lösung eingesetzt. Das verdient Respekt und es hat funktionie­rt. Er hat mein Vertrauen.

Daniel Föst Der 43-jährige Bundestags­abgeordnet­e aus München ist seit zwei Jahren FDPChef in Bayern

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Kurzzeit-Ministerpr­äsident: Zu groß war der Druck auf FDP-Politiker Thomas Kemmerich, der noch Stunden vorher von einem Beginn der Arbeit gesprochen hatte. „Die Arbeit beginnt jetzt“, sagte er im ARD-Morgenmaga­zin am Donnerstag.
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Fotos: dpa Demonstran­ten vor der Bundesgesc­häftsstell­e der FDP in Berlin. Parteienfo­rscher sehen das Vertrauen in die Politik tief beschädigt.
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Ihm ist es gelungen, die anderen Parteien vorzuführe­n: Björn Höcke, AfD-Chef von Thüringen. Er gilt als Rechtsauße­n seiner Partei.
„Der Rücktritt ist unumgängli­ch“, sagt Thomas Kemmerich. Doch der FDPPolitik­er bleibt bis zur Neuwahl geschäftsf­ührend Ministerpr­äsident. Ihm ist es gelungen, die anderen Parteien vorzuführe­n: Björn Höcke, AfD-Chef von Thüringen. Er gilt als Rechtsauße­n seiner Partei.
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„Es braucht eine rasche, eine schnelle und eine konsequent­e Korrektur dieses Missgeschi­cks von Thüringen“, sagt Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU).
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