Und jetzt Trump für immer?
Nach monatelangen Ermittlungen und drei Wochen Prozess geht am Ende alles ganz schnell: Donald Trump ist freigesprochen. Keine Konsequenzen also? Nicht ganz. Warum keiner der Beteiligten ohne Schrammen davonkommt
Washington Es ist vorbei. Und Donald Trump antwortet auf seine Weise. Als Reaktion auf seinen Freispruch im Amtsenthebungsverfahren verbreitet der US-Präsident einen Videoclip auf Twitter. Darin: Trump auf einem nachgemachten Cover des Magazins Time mit Werbeschildern für seine Wahlkampagne für 2024, 2028, 2032 – und so weiter, bis zum Schluss die Aufschrift „Trump für immer“kommt. Das ist seine Botschaft: Nun kann mir keiner mehr was. Ab jetzt wird „durchregiert“? Doch ganz folgenlos ist das Impeachment-Verfahren nicht. Für keinen der Beteiligten.
● Donald Trump Die Anklagepunkte lauteten: Machtmissbrauch und Behinderung der Kongress-Ermittlungen. Er soll die ukrainische Führung gedrängt haben, sich zu seinen Gunsten in den US-Wahlkampf einzumischen und seinem Rivalen Joe Biden zu schaden – im Gegenzug für militärische Hilfe. Trump beteuerte, er habe nichts Unrechtes getan. Damit ist er durchgekommen. Ein Sieg für ihn zu Beginn des Wahljahres. Die Demokraten argumentieren aber, das Urteil des Senats sei „wertlos“– weil die Republikaner in dem Verfahren keine Zeugen zugelassen und so einen echten Prozess verhindert hätten. Der Freispruch ist ein politischer, kein juristischer. Die Senatoren fungierten als Geschworene, und selbst wenn sie einen Eid darauf geschworen haben, neutral zu sein, so waren die meisten in dem Verfahren doch offen parteiisch. In die Geschichtsbücher geht Trump nun ein als dritter Präsident der Vereinigten Staaten, der vom Repräsentantenhaus angeklagt wurde und sich einem Impeachment-Verfahren im Senat stellen musste. Und
ist der erste Präsident, der nach einer Impeachment-Anklage zur Wiederwahl antritt. Trump wird im Wahlkampf wohl versuchen, den Freispruch für sich zu nutzen und als vollständige Entlastung zu feiern – auch wenn die Demokraten ihm immer wieder entgegenschmettern werden, das Verfahren sei eine Farce gewesen. Bei seinen Anhängern stellt sich Trump mit Inbrunst als Opfer dar – und die Demokraten als großen Feind. Seiner Basis gefällt das. Doch ein wenig Schmach bleibt für ihn: Sein politisches Vermächtnis wird für immer von der Impeachment-Anklage befleckt sein.
● Joe Biden Auch an Ex-Vizepräsident Biden, der sich um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten für die Wahl im November bemüht, hinterlässt das Verfahren einen Makel. Weder Biden noch die Partei haben aufgearbeitet, warum sein Sohn einen hoch dotierten Posten beim ukrainischen Gaskonzern Burisma innehatte, während der Vater in der Regierung von Präsident Barack Obama für die UkrainePolitik zuständig war. Das mag nicht illegal gewesen sein. Den Anschein eines Interessenskonflikts erweckt es aber allemal. Während die Demokraten das unangenehme Thema totschweigen, brachten Trumps Verteidiger es wieder auf. Biden reagierte dünnhäutig. Sollte er sich als Kandidat durchsetzen, wird ihn Trump wegen des Burisma-Postens seines Sohnes im Wahlkampf frontal angehen.
● Die Republikaner Trumps Parteikollegen scheinen sich mit dessen teils fragwürdigen Methoden arrangiert zu haben. Manche von ihnen räumen zwar ein, dass Trumps Agieren in der Ukraine-Affäre „un
gewesen sei. Aber ihn deswegen aus dem Amt entfernen? Das ging ihnen zu weit. Nur einer stellte sich gegen die Parteilinie: Mitt Romney. Der Senator stimmte für eine Amtsenthebung. Trump habe sich eines „entsetzlichen Missbrauchs des öffentlichen Vertrauens“schuldig gemacht. Sein Votum änderte zwar nichts am Ergebnis. Es zeigt aber, dass auch bei den Repuer blikanern mancher nachdenklich geworden ist. Trump hat seine Partei bis zur Schmerzgrenze verbogen – wenn nicht darüber hinaus. Werte und Prinzipien, die unter früheren Führungsfiguren wie John McCain unverrückbar waren, stehen zur Disposition. Das zeigt das Impeachment-Votum wie nichts zuvor. Mit ihrem Rückhalt haben die Republikaner Trump unumkehrbar die Geangemessen“ folgschaft geschworen. Sie haben ihm einen Blankoscheck ausgestellt. ● Die Demokraten Die Demokraten scheinen am Ende ihrer parlamentarischen Möglichkeiten: Sie haben mit dem Impeachment-Verfahren zum Äußersten gegriffen, was die Verfassung zu bieten hat. Sie wussten um ihre geringen Erfolgsaussichten, gingen aber das Risiko dennoch ein. Nun sind sie gescheitert, den Präsidenten aus dem Amt zu entfernen. Ein zweites Impeachment in einer möglichen zweiten Amtszeit Trumps dürften sie kaum angehen. Er ist damit auf doppelte Weise gestärkt und entfesselt – durch den Freifahrtschein seiner eigenen Partei und die begrenzten Möglichkeiten seiner Gegner. Die Demokraten können nur mehr hoffen, dass von den Vorwürfen etwas in den Köpfen der Wähler hängen bleibt. Sie haben Trump in dem Prozess einen „Diktator“genannt, ihre Anklage zu einer Art Charakterstudie Trumps gemacht. Sie stellten ihn als Monarchen dar, der allmächtig sein wolle und vor nichts zurückschrecke, dem jedes Gefühl von Anstand und Moral abgehe. Dazu stellten sie die Frage, ob solch ein Mensch Präsident der Vereinigten Staaten sein dürfe. Ob das in der polarisierten US-Gesellschaft Wähler zum Umdenken bringt? Umfragen deuten nicht darauf hin. Trump Zustimmungswerte sind höher denn je. Tiefer denn je sind die gesellschaftlichen Gräben und die Verwerfungen zwischen Demokraten und Republikanern. Der Präsident und seine Verteidiger argumentierten über Wochen, die Wähler sollten entscheiden, nicht der Kongress. Ihr Urteil fällt am 3. November. Christiane Jacke und Can Merey, dpa