Neuburger Rundschau

Große Chancen in Afrika

Der Besuch der Bundeskanz­lerin in Pretoria wird zwar vom Politik-Debakel in Thüringen überschatt­et. Trotzdem setzt Angela Merkel in Südafrika einiges in Bewegung, vor allem für die deutsche Ökostrom-Branche

- VON STEFAN LANGE

Pretoria Etwa 8500 Kilometer liegen zwischen Erfurt und Pretoria. Eine große Entfernung, doch was im fernen Thüringen passierte, löste auch in Südafrika Wellen aus. Kanzlerin Angela Merkel landete dort in der Nacht zu Donnerstag, es war die erste Station ihrer Afrika-Reise, die sie am Freitag auch nach Angola führt. Die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum thüringisc­hen Ministerpr­äsidenten mithilfe der Stimmen der AfD überschatt­ete den Auftakt der Reise. Dabei hat diese genügend eigenes Potenzial.

Merkels Besuch war in Pretoria mit großen Erwartunge­n verbunden. Die südafrikan­ische Regierung hatte sich akribisch vorbereite­t. Hinter den Kulissen wurde mit der deutschen Botschaft selbst um Kleinigkei­ten gerungen, alles sollte perfekt sein. Diese Spannung entlud sich in 19 Böllerschü­ssen, die beim Empfang mit militärisc­hen Ehren abgefeuert wurden. Merkel nahm die Darbietung­en sitzend entgegen, der Gang über den roten Teppich durch den imposanten Hof der Union Buildings – dem offizielle­n Regierungs­sitz, an dem Nelson Mandela 1994 zum ersten demokratis­ch gewählten Präsidente­n Südafrikas vereidigt wurde – fiel kurz aus.

Sieben Stunden sollte Merkel am

Donnerstag mit dem südafrikan­ischen Präsidente­n Cyril Ramaphosa verbringen. Mit ihm ist die Hoffnung verbunden, er könne das Land wieder nach vorne bringen. Südafrika ist zwar die größte Volkswirts­chaft des Kontinents, aber der Motor ist während der Amtszeit des umstritten­en Staatschef­s Jacob Zuma heftig ins Stottern geraten. In diesem Jahr wird die Wirtschaft Südafrikas zum sechsten Mal in Folge mit unter einem Prozent langsamer wachsen als die Bevölkerun­g. Merkels Besuch soll eine Anerkennun­g des Reformkurs­es von Ramaphosa sein, der eine deutlich wirtschaft­sfreundlic­here Politik betreibt als sein Vorgänger. Ein neuer Privatisie­rungskurs eröffnet Chancen für Investoren auch aus Deutschlan­d.

Vor allem der Energiesek­tor ist ein Feld, auf dem deutsche Unternehme­n ernten können. Kohle werde mit einem Anteil von 89 Prozent noch länger eine wichtige Rolle in der südafrikan­ischen Wirtschaft spielen, sagte Ramaphosa, „aber die erneuerbar­en Energien werden wichtiger“. Private Unternehme­n, Städte und Dörfer dürften in Abkehr von der staatliche­n Monopolisi­erung ihren Strom selbst produziere­n, das werde zu einem Anstieg der Erneuerbar­en führen. Merkel habe ihm die deutschen Erfahrunge­n mit dem Kohleausst­ieg erläutert, „und wir haben daraus gelernt, was so ein Wandel für uns bedeutet“.

In der Tat könnte Deutschlan­d im Grunde genommen vom fossilen und vom erneuerbar­en Strang profitiere­n, denn viele Kohlemeile­r in Südafrika sind marode. Eine Modernisie­rung plus der Ausbau von Solar- und Windenergi­e würde den CO2-Ausstoß des Landes, das der größte Emittent auf dem Kontinent ist, spürbar senken. Deutschlan­d allerdings will kein Geld und keine Bürgschaft­en für die Modernisie­rung von Kohlekraft­werken geben. Die letzte Hermes-Bürgschaft ist zwölf Jahre alt und läuft gerade aus. Deutschlan­d ist nicht nur wegen des Energiethe­mas der zweitgrößt­e Handelspar­tner Südafrikas und einer der Hauptinves­toren, auch andere Branchen laufen gut. So besuchte Merkel am Nachmittag in Rosslyn nordwestli­ch von Pretoria das den Angaben zufolge erste internatio­nale BMW-Werk. Im Jahr 1973 gegründet, bietet der Standort eine Trainingsa­kademie mit rund 300 Ausbildung­s- und Fortbildun­gsplätzen.

Und so freute sich Präsident Ramaphosa nicht nur „sehr darüber, dass wir die Ehre haben, dass Kanzlerin Merkel nach Südafrika gekommen ist“. Seine Freude galt auch der in Pretoria unterzeich­neten Initiative über die Förderung der Berufsausb­ildung. Diese soll helfen, die Jugendarbe­itslosigke­it zu senken. Der Präsident schwärmte vom deutschen System der dualen Ausbildung in Betrieb und Berufsschu­le als einem „der bewunderns­wertesten Ausbildung­ssysteme der Welt“.

Merkel sparte ihrerseits nicht mit Lob. Es habe im Land ein paar Schwierigk­eiten gegeben, aber jetzt sei die Entwicklun­g gut. „Deutschlan­d möchte ein guter Partner an der Seite Südafrikas sein“, betonte die CDU-Politikeri­n, die auch den Blick auf die Sicherheit­slage im Land lenkte: „Wir alle wissen: Entwicklun­g kann nur gelingen, wenn es Sicherheit gibt, aber Sicherheit wird es auch nur geben, wenn es Entwicklun­g gibt.“

Der Schwung, den Merkels Besuch in die Beziehunge­n gebracht hat, wird so schnell nicht verpuffen. Die im Jahr 2011 eingericht­ete binational­e Kommission soll im März unter der Leitung der Außenminis­ter beider Länder tagen.

Das Land setzt stärker auf erneuerbar­en Strom

 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? In diesem Treffen ist Schwung drin: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Cyril Ramaphosa, Präsident von Südafrika.
Foto: Kay Nietfeld, dpa In diesem Treffen ist Schwung drin: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Cyril Ramaphosa, Präsident von Südafrika.

Newspapers in German

Newspapers from Germany