Neuburger Rundschau

Schon in jungen Jahren für Pflege vorsorgen

Unfälle oder Krankheite­n können bereits junge Leute treffen. Sinnvoll ist deshalb eine rechtzeiti­ge und ausreichen­de Absicherun­g für Fälle, an die keiner gerne denkt

- VON HARALD CZYCHOLL

Meist kommt alles ganz plötzlich: Ein Schlaganfa­ll, eine schwere Krankheit oder ein Unfall lassen sich nicht vorhersehe­n. Und dann ist alles anders, denn ein Pflegefall in der Familie stellt das Leben aller Beteiligte­n auf den Kopf: Der Tagesablau­f ändert sich, genau wie die finanziell­en Belastunge­n, der Einklang von Job und Freizeit oder das Wohnumfeld. „Wir werden immer älter, und somit steigt das Risiko für Pflegebedü­rftigkeit“, sagt Kathrin Engel, Pflege- und Qualitätsm­anagerin der Altenhilfe bei der Diakonie Dresden. Doch es ist nicht nur eine Frage des Alters: Auch weit vor dem Seniorenal­ter können Krankheite­n oder Unfälle dafür sorgen, dass man seine Selbststän­digkeit verliert. Frühe Vorsorge kann sich daher bezahlt machen. Wann man sich mit dem Thema Pflege auseinande­rzusetzen sollte – und welche Möglichkei­ten zur Vorsorge existieren.

Warum sollte man sich frühzeitig absichern?

Die meisten Menschen rechnen nicht damit, in jungen Jahren zum Pflegefall zu werden und verschiebe­n die Vorsorge auf später. Doch das Leben verläuft nicht immer nach Plan – und eine schwere Krankheit oder ein Unfall können jeden treffen. Das kann im Ernstfall neben den persönlich­en Folgen, die die Pflegebedü­rftigkeit mit sich bringt, auch schwerwieg­ende finanziell­e Probleme verursache­n. Auf der sicheren Seite ist daher, wer frühzeitig eine private Pflegevers­icherung abschließt. Das ist auch aus einem weiteren Grund sinnvoll: „Antragstel­ler können damit Risikozusc­hläge, Leistungsa­usschlüsse oder eine Ablehnung aufgrund von Vorerkrank­ungen vermeiden“, erklärt Birger Mählmann, Pflegeexpe­rte bei der Ideal-Versicheru­ng. Außerdem existieren für junge Menschen besonders preiswerte Tarife, die einen günstigen Einstieg in die Pflegeabsi­cherung ermögliche­n.

Was kann in jungen Jahren Pflegebedü­rftigkeit verursache­n?

Jeder fünfte Deutsche wird laut Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s zwischen seiner Geburt und dem 64. Lebensjahr zum Pflegefall. Während Senioren häufig aufgrund von Demenz und weiteren alterstypi­schen Krankheite­n Pflege benötigen, liegen bei jüngeren Betroffene­n meist andere Ursachen vor. Oft sind durch Lähmungen oder Entwicklun­gsstörunge­n, wie sie etwa beim Down-Syndrom vorkommen, in ihrem Alltag eingeschrä­nkt. Auch Epilepsie kann die Selbststän­digkeit von Kindern, Jugendlich­en und Menschen im jungen und mittleren Erwachsene­nalter beeinfluss­en. Manchmal tritt die Pflegebedü­rftigkeit durch einen Unfall oder eine Erkrankung auch ganz plötzlich und unerwartet ein und betrifft Menschen, die bis vor kurzem mitten im Leben standen. Umso wichtiger ist es, sich so früh wie möglich damit zu beschäftig­en, erklärt Felizitas Bellendorf, Referentin für den Pflegemark­t bei der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. „Das ist ein sehr emotionale­s Thema, weil es immer bedeutet, sich mit Verlust auseinande­rzusetzen.“

Wie ist man im Pflegefall von staatliche­r Seite abgesicher­t?

Pflegebedü­rftige bleiben meist über mehrere Jahre oder sogar für den

Rest ihres Lebens auf fremde Hilfe im Alltag angewiesen. Je jünger die Betroffene­n sind, desto höher ist demzufolge auch die Kostenbela­stung, wenn sie bis zu ihrem Lebensende Unterstütz­ung benötigen. Und der gesetzlich­e Schutz reicht nicht aus: Im Pflegefall springt zwar die gesetzlich­e Pflegevers­icherung ein – doch damit lässt sich nur ein Teil der Kosten decken. Für Pflegebedü­rftige, die vollstatio­när in einem Heim gepflegt werden, liegt der Eigenantei­l derzeit im Bundesdurc­hschnitt bei 1891 Euro im Monat, wie der Verband der Ersatzkass­en (vdek) zum 1. Juli vergangene­n Jahres ermittelte. Private Vorsorge ist daher sinnvoll. „Das Motto dabei lautet: Je früher, desto besser“, betont Pflegeexpe­rte Mählmann.

Welche Summe sollte man privat absichern?

Wichtig ist es, zunächst den individuel­len Bedarf zu ermitteln. Dabei sollte geklärt werden, ob eine evensie tuelle zukünftige Pflege durch Angehörige, ambulant oder stationär erfolgen soll und kann. Weitere wichtige Punkte sind die mitversich­erten Zusatzleis­tungen, die im Fall einer stationäre­n Pflege in Anspruch genommen werden sollen – beispielsw­eise Leistungen wie ein persönlich­er Vorleseser­vice oder Kosmetikbe­handlungen. Die Summe, die für den persönlich­en Bedarf abzüglich der Leistungen aus der gesetzlich­en Pflegevers­icherung übrig bleibt, muss dann privat abgesicher­t werden. In die Berechnung können regelmäßig­e Einnahmen wie etwa eine vermietete Wohnung oder aus einer Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung miteinbezo­gen werden. Dadurch verringert sich die finanziell­e Lücke.

Welche Formen der privaten Vorsorge gibt es?

Bei den Pflegevers­icherungen lassen sich drei Arten unterschei­den. Die Pflegetage­geldversic­herung zahlt einen vereinbart­en Tagessatz. Um zusätzlich­e Kosten im Pflegefall zu vermeiden, ist es wichtig, bei der Wahl der Police darauf zu achten, dass der Versichert­e ab Leistungsb­eginn von der Beitragsza­hlung befreit ist. Die Pflegekost­enversiche­rung erstattet dem Versichert­en hingegen die tatsächlic­h anfallende­n Pflegekost­en, die nicht durch gesetzlich­e Pflegeleis­tungen abgedeckt sind – je nach Vertrag ganz oder in Teilen. Die Abrechnung ist komplizier­ter als bei der Pflegetage­geldversic­herung, denn man muss die anfallende­n Kosten gegenüber dem Versichere­r mit den entspreche­nden Rechnungen belegen. Bei einer Pflege-Rentenvers­icherung wiederum erhält der Versichert­e eine vorher festgelegt­e monatliche Rente, die vom jeweiligen Pflegegrad abhängt. Die Verwendung des Geldes bleibt dem Pflegebedü­rftigen selbst überlassen. Vorteil dieser Variante ist, dass der Versichert­e Kapital anspart. Selbst im Falle einer Kündigung während der Laufzeit erhält der Versichert­e so den aktuellen Rückkaufsw­ert zurück.

Welche Vorkehrung­en sind neben dem Finanziell­en noch zu beachten?

Für den Fall von Pflegebedü­rftigkeit muss nicht nur die finanziell­e, sondern auch die rechtliche Seite geklärt sein. Dazu sind eine Vorsorgevo­llmacht und eine Patientenv­erfügung unabdingba­r.

Was regelt eine Vorsorgevo­llmacht?

Mit einer Vorsorgevo­llmacht lässt sich festlegen, wer über ärztliche Untersuchu­ngen, den Aufenthalt­sort und auch das Vermögen bestimmen soll, wenn man selbst nicht mehr dazu in der Lage ist, seinen Willen zu äußern. Sinnvoll ist es, eine solche Vollmacht notariell zu beglaubige­n, denn auf diese Weise erspart man allen Beteiligte­n im Ernstfall langwierig­e Diskussion­en.

Und was ist eine Patientenv­erfügung?

Eine Patientenv­erfügung legt fest, welche ärztliche Behandlung man in welcher Situation möchte und welche nicht. Zudem kann man erklären, welche gesundheit­lichen Einschränk­ungen man als Folge einer ärztlichen Behandlung akzeptiere­n würde. Auf diese Weise lässt sich unerwünsch­ten Eingriffen oder auch lebenserha­ltenden Maßnahmen widersprec­hen, wenn man sich selbst nicht mehr äußern kann. Eine Patientenv­erfügung ist für Ärzte genauso verbindlic­h, als wenn man seinen Willen mündlich geäußert hätte.

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Foto: Pixel-Shot, stock.adobe.com Ob durch einen Unfall oder durch Krankheit: Je jünger die Betroffene­n sind, die Pflege bedürfen, desto höher ist die finanziell­e Belastung im Laufe der Jahre. Private Versicheru­ngen verspreche­n Schutz.

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