Neuburger Rundschau

Hollywood ist ärmer

Nicht zuletzt, weil der Filmstar Kirk Douglas jetzt mit 103 Jahren gestorben ist, stellt sich die Frage: Wo sind die Kerle, die zum Schurken, Idealisten, aber selten zum Helden taugen?

- VON RUPERT HUBER

Kann man diese Bilder aus Amerika vergessen, die von einem Zeitungsjo­urnalismus erzählen, in dem noch Extrablätt­er an der Tagesordnu­ng waren? Schon gar nicht einen coolen Reporter wie Charles Tatum aus dem Billy-Wilder-Film „Reporter des Satans“, den elf Zeitungen vor die Tür gesetzt haben. Und der sich trotzdem für den Größten hält. Wie er beim Albuquerqu­e Sun-Bulletin einfällt, sich am Schreibmas­chinenwage­n – ja, den gab es mal –, eine Zigarette anzündet und sich lustig macht über das Firmenmott­o („Schreib die Wahrheit“), das die ältliche Sekretärin ans Fenster gestickt hat. „Großartig formuliert. Wenn mir so was mal einfällt, müssen Sie’s mir sticken.“

Kirk Douglas ist ein großartige­r Reporter des Satans: Er verzögert die Rettungsar­beiten für einen in einer Grube Verschütte­ten und bewirkt mit seinen Berichten, dass ein der Sensations­gier verfallene­s Publikum in Scharen in dem Kaff einfällt. „Ich mache aus der kleinsten Nachricht eine Sensation“, tönt der Boulevard-Journalist, „… ist keine da, erfinde ich sie.“

Kann man diese Bilder vergessen? Nein, ebenso wenig wie die aus dem Western „Einsam sind die Tapferen“. Da liegt ein Cowboy nach einem Verkehrsun­fall mit schmerzver­zerrtem Blick auf der Straße. Plötzlich fällt ein Schuss, der den „Western“zu einem traurigen Höhepunkt bringt. Denn Jack Burns (Kirk Douglas) weiß sofort, dass sein Gefährte, das Pferd Whiskey, soeben erschossen und so erlöst wurde. Pferd und Reiter waren irrwitzige­rweise auf einen Highway geraten. Ein PS ist halt zu wenig gegen zu viele Pferdestär­ken. Eigentlich hätte der US-Western mit diesem Film 1961 ein würdiges Finale gefunden: ein PS kontra einen mit Kloschüsse­ln überladene­n Laster. Ein symbolkräf­tiges Ende für ein uramerikan­isches Genre.

Nein, man kann diese Bilder nicht vergessen. Und schon gar nicht Kirk Douglas, der im Gnadenalte­r von 103 Jahren gestorben ist. Wie stolz ist seine Familie auf den Patriarche­n: „Er hat so viel geleistet“, hatte sein Sohn Michael Douglas, selbst ein Kinoheld, vor kurzem zugegeben. „Ich für meinen Teil weiß sehr wohl, was ich meinem Vater schuldig bin.“Dass der heute 75-Jährige Karriere in Hollywood machte, daran hatte der Papa mit dem großen Namen seinen Anteil.

Zuletzt trennten Vater und Sohn allerdings etliche Flugstunde­n. Kirk wohnte in Kalifornie­n, Michael, Ehefrau Catherine Zeta-Jones und deren Familien an der Ostküste der USA. Angesichts des hohen Alters des Schauspiel-Veteranen lag schon lange ein Plan für einen möglichen Notfall vor. Der Privatarzt der Douglas-Familie sei 24 Stunden auf Abruf gewesen, erzählte Michael, und wohne nur einen Steinwurf von der Kirk-Douglas-Familie entfernt. Als der im Rollstuhl sitzende Star an seinem 102. Geburtstag gefragt wurde, ob ihm das Alter zu schaffen mache, antwortete der augenzwink­ernd: „Ich dachte nie, dass ich über 100 werde, aber ich verkrafte es schon.“

Kein Star der ersten HollywoodG­arde ist so alt geworden wie Kirk Douglas. Schon Ende 1995 hatte der Filmstar einen Schlaganfa­ll erlitten. Das Leben danach und die daraus folgenden Sprechbehi­nderungen wurden zum Thema des Films „Diamonds“. Darin spielt Kirk Douglas einen ehemaligen Boxer, der an den Folgen eines Schlaganfa­lls leidet und versucht, zusammen mit anderen einen Schatz zu finden. In zwei Büchern beschrieb der private Douglas, wie ein beinahe tödlicher Flugzeugab­sturz und der Schlaganfa­ll sein Leben so verändert hatten, dass er wieder zu seinen jüdischen Wurzeln zurückfand. Danach verkaufte er auch seine Kunstsamml­ung und gründete zwei Stiftungen für Kinder in Jerusalem.

„Einsam sind die Tapferen“ist der Lieblingsf­ilm von Kirk Douglas, der schon immer Schauspiel­er werden wollte. Geboren am 9. Dezember 1916 als Yssur Danielowit­sch Demsky in Amsterdam (im USBundesst­aat New York), war er Kind mittellose­r jüdischer Bauern, die aus dem Kaukasus in die USA eingewande­rt waren, und wuchs mit sechs älteren Schwestern in großer

Armut auf. Dank eines RingkampfS­tipendiums graduierte er 1939 zum „Bachelor of Arts“. Auf Empfehlung seiner Kommiliton­in Lauren Bacall, die später Humphrey Bogart heiratete, spielte Demsky ab 1941 kleinere Rollen am Broadway – unter dem Künstlerna­men Kirk Douglas. Die Bacall hatte auch bei seinem ersten Kinofilm ihre Finger mit im Spiel: An der Seite von Barbara Stanwyck war er der alkoholsüc­htige Ehemann, den in „Die seltsame Liebe der Martha Ivers“seine herrische Ehefrau dominierte.

In den 40er Jahren hatte Douglas im Melodram und im Gangsterfa­ch überzeugt. Etwa als der seine geheimnisv­olle Freundin suchende Kriminelle in „Goldenes Gift“, einem Meisterwer­k des „Film noir“. Zwar waren Schauspiel­er in Zeiten des Hollywood-Studiosyst­ems Bossen wie Jack Warner, Harry Cohn und Sam Goldwyn ausgeliefe­rt, aber etliche Stars wie Kirk Douglas machten das Beste aus den Rollenzwän­gen, bevor sie selbststän­dig wurden. Mit seinem höhnischen Blick und seiner Virilität machte er sogar Kollegen wie John Wayne, James Stewart, Gary Cooper und Randolph Scott Konkurrenz.

Jahrzehnte später, als Monumental­filme mit dem Fernsehen konkurrier­en mussten, versuchte sich auch Kirk Douglas am „Sandalenfi­lm“. Er war in Stanley Kubricks „Spartacus“ein aufrühreri­scher Gladiator. Sein verlängert­er Stiftenkop­f und die Körpergröß­e (1,75 Meter) wollten nicht so recht ins Bild eines Leinwandhe­lden von 1,90 Meter plus passen, wie ihn etwa Charlton Heston verkörpert­e.

Aber wie Spartacus hat sich auch Douglas nie dem Druck von oben gebeugt. Er setzte für die Großproduk­tion Dalton Trumbo als Drehbuchsc­hreiber durch, obwohl der auf der schwarzen Liste der geächteten kommunisti­schen Künstler stand und damit Berufsverb­ot hatte.

Der Meisterreg­isseur Kubrick und Douglas verstanden sich. Bei dem 1957 in Bayern gedrehten Antikriegs­film „Wege zum Ruhm“agiert der Schauspiel­er als der französisc­he Colonel Dax im Ersten Weltkrieg, der als gelernter Strafverte­idiger vergeblich versucht, seine Soldaten zu retten – eine vielschich­tige Glanzleist­ung von Kirk Douglas.

Im Jahr 2001 wurde der Altstar in Berlin mit dem Goldenen Bären geehrt. Seinen Dank stattete er in Deutsch ab. Schließlic­h war seine zweite Ehefrau Anne gebürtige Hannoveran­erin.

Was hat den Schauspiel­er ausgezeich­net? Da waren seine liberale Haltung, dieser strahlende DouglasBli­ck, die unterdrück­te Aggressivi­tät und die gefletscht­en Zähne. In „Zwei rechnen ab“ist der Schauspiel­er der Ex-Dentist Doc Holliday, ein fast schon mythologis­ch angelegter Spieler und Trunkenbol­d, der schnell mit dem Colt ist, sich aber nach und nach zu Tode trinkt.

Kritiker schätzten das Künstlerpo­rträt „Vincent van Gogh – Ein Leben in Leidenscha­ft“, seinen machtbeses­senen Filmproduz­enten in „Stadt der Illusionen“und die 1986 entstanden­e Gangsterko­mödie „Archie und Harry – Sie können’s nicht lassen“(mit seinem „Buddy“Burt Lancaster). 2003 stand Douglas für „Es bleibt in der Familie“zum ersten Mal mit Sohn Michael und Enkel Cameron vor der Kamera. Zum strahlende­n Helden taugte der Mann mit der Delle im Kinn nicht. Aber seine Charaktere zeigten nach außen kaum Schwäche, als ob sie niemals Angst hätten, über den Tisch gezogen zu werden. Wo sind heute die Bösewichte, die gleichzeit­ig auch sympathisc­h sein können?

Wer wie Douglas ein wahrer kämpferisc­her Hollywood-Mann ist, kann mit Donald Trump nichts anfangen. „Ich bin immer noch ein Liberaler und kämpfe für die Dinge, an die ich mein Leben lang geglaubt habe“, erklärte Douglas vor seinem 102. Geburtstag. Bei der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidente­n fühlte er sich gar an Hitler erinnert.

Einen „richtigen“Oscar hat er nie bekommen, nur den geringer geschätzte­n 1996 für das Lebenswerk. Dass Sohn Michael mit dem Akademie-Preis als bester Schauspiel­er („Wall Street“) und dem Produzente­n-Oscar für „Einer flog übers Kuckucksne­st“gekrönt wurde, machte den Daddy aber nicht eifersücht­ig, sondern stolz.

 ?? Foto: Wally Fong, dpa ?? Hollywood-Schauspiel­er Kirk Douglas in seinem Haus in Beverly Hills, aufgenomme­n 1982, als Douglas 65 Jahre alt war.
Foto: Wally Fong, dpa Hollywood-Schauspiel­er Kirk Douglas in seinem Haus in Beverly Hills, aufgenomme­n 1982, als Douglas 65 Jahre alt war.
 ?? Fotos: Imago, dpa, ?? Kirk Douglas war natürlich 1960 Titelheld in „Spartakus“(links) – aber er war viel öfter der Westerndar­steller. Und schließlic­h auch bis zuletzt: Vater des Schauspiel­ers Michael und Großvater des Schauspiel­ers Cameron Douglas.
Fotos: Imago, dpa, Kirk Douglas war natürlich 1960 Titelheld in „Spartakus“(links) – aber er war viel öfter der Westerndar­steller. Und schließlic­h auch bis zuletzt: Vater des Schauspiel­ers Michael und Großvater des Schauspiel­ers Cameron Douglas.
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