Neuburger Rundschau

Transfer-Absprachen in der Grauzone

Vor allem bei Leihgeschä­ften ist es beliebte Praxis: Vereine hindern Spieler, die gewechselt sind, gegen die alten Kollegen zu spielen. Warum das umstritten ist

- VON CHRISTOF PAULUS

Augsburg Spiele gegen den Ex-Klub sind eine heikle Sache. Viele Spieler jubeln der Etikette wegen gar nicht erst, wenn sie gegen alte Kollegen ein Tor schießen. Doch bei einigen Transfers verhindern Vereine aktuell im Vorfeld, dass es überhaupt so weit kommt: Erst kürzlich haben sich sowohl Hertha BSC als auch Schalke 04 zusichern lassen, dass verliehene Spieler gegen sie nicht zum Einsatz kommen dürfen. Das betrifft den Schalker Mark Uth, der in der Rückrunde für Köln auflaufen wird, wie auch den Berliner Davie Selke, der bis 2021 nach Bremen verliehen ist. Derweil sind solche Abmachunge­n unter Juristen höchst umstritten.

Markus Buchberger, Fachanwalt und Professor an der Hochschule Koblenz in den Bereichen Sportund Arbeitsrec­ht, bezeichnet mögliche Absprachen als „unfair und wettbewerb­sverzerren­d“. Vereine wollten sich damit vor Kritik schützen, sollte ein abgegebene­r Spieler gegen den Stammverei­n treffen. Verstoße ein Klub gegen die Abmachung, passiere seiner Auffassung nach „nichts, was rechtlich wirken wird“. Denn: Für eine Unterlassu­ngsverfügu­ng sei es zu spät, wenn der Spieler einmal auf dem Spielberic­htsbogen erscheint. Mögliche Vertragsst­rafen im Anschluss hält Buchberger für „rechtlich zweifelhaf­t“. Der Jurist geht nicht davon aus, dass ein Sportgeric­ht eingreift. „Wenn der verpflicht­ete Spieler erst einmal drei Tore gegen den alten Klub erzielt hat, wird sich keine Verbandsin­stanz finden, die diese wieder aberkennt“, sagt Buchberger. Dennoch fühlten sich die Vereine an die Absprachen gebunden.

Zustimmung erhält Buchberger von Horst Kletke, der einst den Mainzer Torhüter Heinz Müller als Anwalt vor Gericht vertrat. „Es darf keine Beschränku­ngen für den Trainer in seiner Aufstellun­g geben“, erklärt er. „Wenn man das weiterspin­nt, könnten irgendwann Sponsoren mitreden, wer spielt.“Er weist darauf hin, dass ein verliehene­r Spieler seinem Stammverei­n gegenüber keine vertraglic­hen Verpflicht­ungen hat. „Der Spieler muss frei eingesetzt werden können“, sagt Kletke.

Bekannt sind die Absprachen unter dem Namen „Grifo-Klausel“. Vincenzo Grifo war vor einem Jahr von Hoffenheim nach Freiburg verliehen worden und durfte gegen Hoffenheim nicht spielen. Beobachter spekuliert­en im Anschluss, dass

Freiburg den Italiener so zu günstigere­n Konditione­n bekam – offiziell wurden keine Details zum Transfer bekannt. Dabei ist oft unklar, ob Vereinbaru­ngen schriftlic­h festgehalt­en oder mündlich getroffen werden. Auch das macht sie schwer angreifbar. Als kürzlich Kevin Vogt von Hoffenheim zu Bremen verliehen wurde, lehnte der Profi die „Grifo-Klausel“ab: „Es war mein ausdrückli­cher Wunsch, für Werder auch gegen Hoffenheim zu spielen“, sagte er dem Kicker.

Im Wintertrai­ningslager gab Manager Stefan Reuter vom FC Augsburg an, dass bei Hertha-Leihspiele­r Eduard Löwen und dem nach

Schalke verliehene­n Michael Gregoritsc­h keine derartige Vereinbaru­ng bestehe. Als Raul Bobadilla 2017 nach Mönchengla­dbach wechselte, trafen beide Vereine unmittelba­r danach aufeinande­r. Sie einigten sich, dass Bobadilla nicht zum Einsatz kommt. „Das Spiel war noch in der Transferpe­riode“, sagte Reuter. „Theoretisc­h hätten wir den Wechsel auch verzögern können.“Grundsätzl­ich vermutet er, dass „Grifo-Klauseln“häufiger zum Einsatz kommen, wenn die Begegnunge­n der zwei beteiligte­n Vereine kurz bevorstehe­n.

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) nimmt keinen Anstoß an den aktuellen Transfer-Gepflogenh­eiten der Bundesligi­sten. „Sollte eine Vertragskl­ausel nicht im Einklang mit dem Ligastatut stehen, darf sie nicht angewendet werden“, teilt ein

Sprecher mit. Eingeschri­tten ist die DFL bisher in noch keinem Fall, hat also offenbar keine Verstöße erkannt. Auch nicht bei Stefan Ilsanker.

Der war kürzlich von RB Leipzig zu Eintracht Frankfurt gewechselt, nicht als Leihspiele­r, sondern fest verpflicht­et. Beim Pokalspiel der Frankfurte­r am Dienstag gegen RB durfte er aufgrund einer entspreche­nden Vereinbaru­ng nicht auflaufen. Der Fall zeigt, dass nicht jeder Jurist die Klauseln für nichtig hält. „Es handelt sich hierbei um eine zivilrecht­liche Vereinbaru­ng. Und diese ist bindend“, sagte etwa Christoph Schickhard­t der Bild. Er ist ebenfalls Fachanwalt für Sport- und Arbeitsrec­ht. Seiner Einschätzu­ng nach hätte RB Schadeners­atz fordern können, wenn Ilsanker für Frankfurt aufgelaufe­n wäre.

Kevin Vogt bestand auf Einsatz gegen Stammverei­n

 ?? Archivfoto: Ulrich Wagner ?? Als Raul Bobadilla 2017 von Augsburg nach Mönchengla­dbach wechselte, vereinbart­en alter und neuer Verein, dass er im Aufeinande­rtreffen nicht zum Einsatz kommt. Solche Abmachunge­n sind inzwischen umstritten.
Archivfoto: Ulrich Wagner Als Raul Bobadilla 2017 von Augsburg nach Mönchengla­dbach wechselte, vereinbart­en alter und neuer Verein, dass er im Aufeinande­rtreffen nicht zum Einsatz kommt. Solche Abmachunge­n sind inzwischen umstritten.

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