Transfer-Absprachen in der Grauzone
Vor allem bei Leihgeschäften ist es beliebte Praxis: Vereine hindern Spieler, die gewechselt sind, gegen die alten Kollegen zu spielen. Warum das umstritten ist
Augsburg Spiele gegen den Ex-Klub sind eine heikle Sache. Viele Spieler jubeln der Etikette wegen gar nicht erst, wenn sie gegen alte Kollegen ein Tor schießen. Doch bei einigen Transfers verhindern Vereine aktuell im Vorfeld, dass es überhaupt so weit kommt: Erst kürzlich haben sich sowohl Hertha BSC als auch Schalke 04 zusichern lassen, dass verliehene Spieler gegen sie nicht zum Einsatz kommen dürfen. Das betrifft den Schalker Mark Uth, der in der Rückrunde für Köln auflaufen wird, wie auch den Berliner Davie Selke, der bis 2021 nach Bremen verliehen ist. Derweil sind solche Abmachungen unter Juristen höchst umstritten.
Markus Buchberger, Fachanwalt und Professor an der Hochschule Koblenz in den Bereichen Sportund Arbeitsrecht, bezeichnet mögliche Absprachen als „unfair und wettbewerbsverzerrend“. Vereine wollten sich damit vor Kritik schützen, sollte ein abgegebener Spieler gegen den Stammverein treffen. Verstoße ein Klub gegen die Abmachung, passiere seiner Auffassung nach „nichts, was rechtlich wirken wird“. Denn: Für eine Unterlassungsverfügung sei es zu spät, wenn der Spieler einmal auf dem Spielberichtsbogen erscheint. Mögliche Vertragsstrafen im Anschluss hält Buchberger für „rechtlich zweifelhaft“. Der Jurist geht nicht davon aus, dass ein Sportgericht eingreift. „Wenn der verpflichtete Spieler erst einmal drei Tore gegen den alten Klub erzielt hat, wird sich keine Verbandsinstanz finden, die diese wieder aberkennt“, sagt Buchberger. Dennoch fühlten sich die Vereine an die Absprachen gebunden.
Zustimmung erhält Buchberger von Horst Kletke, der einst den Mainzer Torhüter Heinz Müller als Anwalt vor Gericht vertrat. „Es darf keine Beschränkungen für den Trainer in seiner Aufstellung geben“, erklärt er. „Wenn man das weiterspinnt, könnten irgendwann Sponsoren mitreden, wer spielt.“Er weist darauf hin, dass ein verliehener Spieler seinem Stammverein gegenüber keine vertraglichen Verpflichtungen hat. „Der Spieler muss frei eingesetzt werden können“, sagt Kletke.
Bekannt sind die Absprachen unter dem Namen „Grifo-Klausel“. Vincenzo Grifo war vor einem Jahr von Hoffenheim nach Freiburg verliehen worden und durfte gegen Hoffenheim nicht spielen. Beobachter spekulierten im Anschluss, dass
Freiburg den Italiener so zu günstigeren Konditionen bekam – offiziell wurden keine Details zum Transfer bekannt. Dabei ist oft unklar, ob Vereinbarungen schriftlich festgehalten oder mündlich getroffen werden. Auch das macht sie schwer angreifbar. Als kürzlich Kevin Vogt von Hoffenheim zu Bremen verliehen wurde, lehnte der Profi die „Grifo-Klausel“ab: „Es war mein ausdrücklicher Wunsch, für Werder auch gegen Hoffenheim zu spielen“, sagte er dem Kicker.
Im Wintertrainingslager gab Manager Stefan Reuter vom FC Augsburg an, dass bei Hertha-Leihspieler Eduard Löwen und dem nach
Schalke verliehenen Michael Gregoritsch keine derartige Vereinbarung bestehe. Als Raul Bobadilla 2017 nach Mönchengladbach wechselte, trafen beide Vereine unmittelbar danach aufeinander. Sie einigten sich, dass Bobadilla nicht zum Einsatz kommt. „Das Spiel war noch in der Transferperiode“, sagte Reuter. „Theoretisch hätten wir den Wechsel auch verzögern können.“Grundsätzlich vermutet er, dass „Grifo-Klauseln“häufiger zum Einsatz kommen, wenn die Begegnungen der zwei beteiligten Vereine kurz bevorstehen.
Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) nimmt keinen Anstoß an den aktuellen Transfer-Gepflogenheiten der Bundesligisten. „Sollte eine Vertragsklausel nicht im Einklang mit dem Ligastatut stehen, darf sie nicht angewendet werden“, teilt ein
Sprecher mit. Eingeschritten ist die DFL bisher in noch keinem Fall, hat also offenbar keine Verstöße erkannt. Auch nicht bei Stefan Ilsanker.
Der war kürzlich von RB Leipzig zu Eintracht Frankfurt gewechselt, nicht als Leihspieler, sondern fest verpflichtet. Beim Pokalspiel der Frankfurter am Dienstag gegen RB durfte er aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung nicht auflaufen. Der Fall zeigt, dass nicht jeder Jurist die Klauseln für nichtig hält. „Es handelt sich hierbei um eine zivilrechtliche Vereinbarung. Und diese ist bindend“, sagte etwa Christoph Schickhardt der Bild. Er ist ebenfalls Fachanwalt für Sport- und Arbeitsrecht. Seiner Einschätzung nach hätte RB Schadenersatz fordern können, wenn Ilsanker für Frankfurt aufgelaufen wäre.
Kevin Vogt bestand auf Einsatz gegen Stammverein