Zwischen Rio und Neuburg
Sport und Arbeit bringen Sebastian Liepelt um die Welt. Das verdankt er Einsätzen bei der Bundeswehr und seinem Gewehr. Was ihn auszeichnet und wie er all das schafft
Neuburg Sebastian Liepelt arbeitet bei der Bundeswehr und ist Scharfschütze. Das klingt so, als würde es gut zusammenpassen. Tut es auch. Aber nicht so, wie man vielleicht denkt.
Sebastian Liepelt zielt zwar mit seinem Gewehr auf Ziele in 300 Metern Entfernung und trifft sie auch noch genau. So genau, dass er zu den Besten der gesamten Bundeswehr zählt – auch im weltweiten Vergleich zählt er sich zum erweiterten Kreis der Elite-Distanzschützen. Doch die Trophäen, die Liepelts Schüsse ihm einbringen, sind lange nicht so martialisch, wie mancher nun vermuten mag. Tatsächlich brachten sie dem 30-Jährigen eine Medaillensammlung ein, die ungefähr so schwer ist wie eine einfache Kaffeemaschine. Liepelt schießt nicht auf Lebewesen, seine Schüsse sollen niemanden verletzen. Er ist Sportschütze. Im Einsatz schießt Sebastian Liepelt nicht. Er ist Informatiker. So nämlich verdient er sein Geld.
Vereinbaren lassen sich Sport und Arbeit bei ihm hervorragend: Beide bringen Liepelt um die Welt. „Der Sport hat mich definitiv weiter rumkommen lassen“, sagt er. Bei den Military World Games, den Olympischen Spielen für Soldaten, gehört Liepelt inzwischen zu den alten Hasen im Teilnehmerfeld. 2011 war er in Rio de Janeiro, 2015 im südkoreanischen Mungyeong und 2019 in Wuhan, China – übrigens mehrere Wochen, bevor dort die CoronaPandemie ihren Ursprung fand. Dazu kommen Weltmeisterschaften für Soldaten in Kroatien, Katar und der Schweiz.
Dabei ist der Neuburger ein Exot unter den Schützen. Meist schießen die Athleten auf zehn bis 50 Meter entfernte Scheiben. Liepelts Ziele sind jedoch so weit weg, dass sie mit dem bloßen Auge fast nicht mehr zu erkennen sind: Ohne Fernrohr, mit
Ringkorn und Diopter, visiert er die Scheiben in satten 300 Metern Entfernung an. Anlagen dieser Größe sind absolute Raritäten, an Distanzschützen gibt es aktuell im Sportkader der Bundeswehr nur zwei weitere Athleten. Mit ihnen und den anderen Athleten verbindet Liepelt eine „gute Kameradschaft“, wie er sagt. Auch außerhalb der Bundeswehr gehört er zu den besten Schützen in Deutschland: Mehrfach war er Deutscher Meister, bei den Titelkämpfen holte er seit über zehn Jahren fast immer eine Medaille. Nur selten klappte das nicht: Nämlich dann, wenn er im Einsatz war.
Als Informatiker geht er dazu auch ins Ausland, kümmert sich um die Serverstruktur. Nach Estland und Lettland hat ihn die Bundeswehr geschickt, auch im Irak und Jordanien war er bereits. Dabei startete er bei der Bundeswehr im Wehrdienst als Sportsoldat, war somit vom Dienst zeitweise freigestellt, um zu schießen. Heute gehört er ganz normal zur Truppe. Zu den Wettkämpfen im Auftrag der Bundeswehr wird er von seinem Chef abkommandiert. Er arbeitet in Fürstenfeldbruck, täglich fährt er von Neuburg rund eine Stunde dorthin. Ständig unterwegs zu sein, passt zu ihm. „Es ist immer eine Gratwanderung“, sagt er. Schließlich ist er verheiratet, hat eine kleine Tochter. „Natürlich war es hart, wenn ich lange weg war“, beschreibt Liepelt das Familienleben während eines Einsatzes im Ausland. „Aber sonst geht es ganz gut.“
So auch im Oktober, als er an den Military World Games in China teilnahm. „Superschön“sei es gewesen, sagt er. Zum ganz großen Wurf reichte es aber nicht – so wie er 2011 hätte klappen können. „Da hatten wir ein starkes Team“, sagt Liepelt. Doch dann musste einer seiner Kollegen wegen eines Einsatzes die Spiele absagen – der Medaillentraum war geplatzt. In Wuhan schoss Liepelt nun im Team zwei Wettkämpfe auf 300 Meter – einer davon mit normaler Wettkampfdauer, ein Schnellfeuerwettbewerb mit verkürzter Zeit. Platz elf und 13 sprang dabei für Deutschland heraus. „Es wäre mehr drin gewesen“, lautet Liepelts Bilanz.
Wo die nächsten Spiele stattfinden, ist noch nicht bekannt. Und auch, ob die 300-Meter-Distanz dann im Wettkampfplan steht, ist noch offen – schließlich gibt es sie nicht häufig, die großen Schießstände. Liepelt muss sich also noch ein wenig gedulden und hoffen, bevor er weiß, welche Region der Erde er vielleicht in den nächsten Jahren besuchen wird.