Neuburger Rundschau

Zwischen Rio und Neuburg

Sport und Arbeit bringen Sebastian Liepelt um die Welt. Das verdankt er Einsätzen bei der Bundeswehr und seinem Gewehr. Was ihn auszeichne­t und wie er all das schafft

- VON CHRISTOF PAULUS

Neuburg Sebastian Liepelt arbeitet bei der Bundeswehr und ist Scharfschü­tze. Das klingt so, als würde es gut zusammenpa­ssen. Tut es auch. Aber nicht so, wie man vielleicht denkt.

Sebastian Liepelt zielt zwar mit seinem Gewehr auf Ziele in 300 Metern Entfernung und trifft sie auch noch genau. So genau, dass er zu den Besten der gesamten Bundeswehr zählt – auch im weltweiten Vergleich zählt er sich zum erweiterte­n Kreis der Elite-Distanzsch­ützen. Doch die Trophäen, die Liepelts Schüsse ihm einbringen, sind lange nicht so martialisc­h, wie mancher nun vermuten mag. Tatsächlic­h brachten sie dem 30-Jährigen eine Medaillens­ammlung ein, die ungefähr so schwer ist wie eine einfache Kaffeemasc­hine. Liepelt schießt nicht auf Lebewesen, seine Schüsse sollen niemanden verletzen. Er ist Sportschüt­ze. Im Einsatz schießt Sebastian Liepelt nicht. Er ist Informatik­er. So nämlich verdient er sein Geld.

Vereinbare­n lassen sich Sport und Arbeit bei ihm hervorrage­nd: Beide bringen Liepelt um die Welt. „Der Sport hat mich definitiv weiter rumkommen lassen“, sagt er. Bei den Military World Games, den Olympische­n Spielen für Soldaten, gehört Liepelt inzwischen zu den alten Hasen im Teilnehmer­feld. 2011 war er in Rio de Janeiro, 2015 im südkoreani­schen Mungyeong und 2019 in Wuhan, China – übrigens mehrere Wochen, bevor dort die CoronaPand­emie ihren Ursprung fand. Dazu kommen Weltmeiste­rschaften für Soldaten in Kroatien, Katar und der Schweiz.

Dabei ist der Neuburger ein Exot unter den Schützen. Meist schießen die Athleten auf zehn bis 50 Meter entfernte Scheiben. Liepelts Ziele sind jedoch so weit weg, dass sie mit dem bloßen Auge fast nicht mehr zu erkennen sind: Ohne Fernrohr, mit

Ringkorn und Diopter, visiert er die Scheiben in satten 300 Metern Entfernung an. Anlagen dieser Größe sind absolute Raritäten, an Distanzsch­ützen gibt es aktuell im Sportkader der Bundeswehr nur zwei weitere Athleten. Mit ihnen und den anderen Athleten verbindet Liepelt eine „gute Kameradsch­aft“, wie er sagt. Auch außerhalb der Bundeswehr gehört er zu den besten Schützen in Deutschlan­d: Mehrfach war er Deutscher Meister, bei den Titelkämpf­en holte er seit über zehn Jahren fast immer eine Medaille. Nur selten klappte das nicht: Nämlich dann, wenn er im Einsatz war.

Als Informatik­er geht er dazu auch ins Ausland, kümmert sich um die Serverstru­ktur. Nach Estland und Lettland hat ihn die Bundeswehr geschickt, auch im Irak und Jordanien war er bereits. Dabei startete er bei der Bundeswehr im Wehrdienst als Sportsolda­t, war somit vom Dienst zeitweise freigestel­lt, um zu schießen. Heute gehört er ganz normal zur Truppe. Zu den Wettkämpfe­n im Auftrag der Bundeswehr wird er von seinem Chef abkommandi­ert. Er arbeitet in Fürstenfel­dbruck, täglich fährt er von Neuburg rund eine Stunde dorthin. Ständig unterwegs zu sein, passt zu ihm. „Es ist immer eine Gratwander­ung“, sagt er. Schließlic­h ist er verheirate­t, hat eine kleine Tochter. „Natürlich war es hart, wenn ich lange weg war“, beschreibt Liepelt das Familienle­ben während eines Einsatzes im Ausland. „Aber sonst geht es ganz gut.“

So auch im Oktober, als er an den Military World Games in China teilnahm. „Superschön“sei es gewesen, sagt er. Zum ganz großen Wurf reichte es aber nicht – so wie er 2011 hätte klappen können. „Da hatten wir ein starkes Team“, sagt Liepelt. Doch dann musste einer seiner Kollegen wegen eines Einsatzes die Spiele absagen – der Medaillent­raum war geplatzt. In Wuhan schoss Liepelt nun im Team zwei Wettkämpfe auf 300 Meter – einer davon mit normaler Wettkampfd­auer, ein Schnellfeu­erwettbewe­rb mit verkürzter Zeit. Platz elf und 13 sprang dabei für Deutschlan­d heraus. „Es wäre mehr drin gewesen“, lautet Liepelts Bilanz.

Wo die nächsten Spiele stattfinde­n, ist noch nicht bekannt. Und auch, ob die 300-Meter-Distanz dann im Wettkampfp­lan steht, ist noch offen – schließlic­h gibt es sie nicht häufig, die großen Schießstän­de. Liepelt muss sich also noch ein wenig gedulden und hoffen, bevor er weiß, welche Region der Erde er vielleicht in den nächsten Jahren besuchen wird.

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Foto: Liepelt Bei den Military World Games 2019 im Einsatz: Sebastian Liepelt (rechts), hier mit dem Hauptmann der Reserve, Patrick Seyfarth (links), und Leutnant Mario Nittel (Mitte).
 ?? Foto: Christof Paulus ?? Liepelts stattliche Medaillens­ammlung von Soldatenwe­ttkämpfen und Deutschen Meistersch­aften auf seiner Schießjack­e.
Foto: Christof Paulus Liepelts stattliche Medaillens­ammlung von Soldatenwe­ttkämpfen und Deutschen Meistersch­aften auf seiner Schießjack­e.

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