Neuburger Rundschau

Die Stunde der Vergeltung

Nach der Einstellun­g des Impeachmen­t-Verfahrens lässt Präsident Donald Trump die Verwaltung säubern. Kritiker und Zeugen sollen für ihre Aussagen bezahlen

- VON KARL DOEMENS

Washington Es war eine der eindrucksv­ollsten Szenen in der Impeachmen­t-Anhörung des US-Kongresses: Ein einzelner Offizier saß spürbar nervös, aber aufrecht der eindrucksv­ollen Riege von Abgeordnet­en gegenüber. Alexander Vindman berichtete, wie sein Vater mit ihm und seinen beiden Brüdern aus der Sowjetunio­n floh und schloss mit einem Loblied auf die neue amerikanis­che Heimat: „Dad, dass ich heute hier sitzen kann, ist der Beweis, dass du vor 40 Jahren die richtige Entscheidu­ng gefällt hast. Mache dir keine Sorgen: Es wird mir gut gehen, wenn ich die Wahrheit sage.“

Doch da hatte sich Vindman bitter getäuscht. Am vorigen Freitag wurde der Ukraine-Experte des Nationalen Sicherheit­srats aufgeforde­rt, sein Büro im zweiten Stock des Eisenhower-Gebäudes neben dem Weißen Haus zu räumen. Beamte des Secret Service geleiteten den Oberstleut­nant auf die Straße. „Ich bin mit ihm nicht glücklich“, hatte US-Präsident Donald Trump zuvor gesagt. Später begründete er den Rausschmis­s bei Twitter: „Vind

war sehr ungehorsam und hat Inhalte meines perfekten Telefonats falsch wiedergege­ben.“

Tatsächlic­h hatte Vindman das Ferngesprä­ch mit dem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj absolut korrekt geschilder­t. Allerdings berichtete er, dass ihn die Forderung Trumps nach Ermittlung­en gegen seinen Kontrahent­en Joe Biden als Teil einer von dem halbseiden­en Trump-Anwalt Rudy Giuliani organisier­ten Schatten-Außenpolit­ik „beunruhigt“habe. „Vindman wurde entlassen, weil er die Wahrheit sagte. Seine Ehre und sein Einsatz für das Recht ängstigen die Mächtigen“, erklärte sein Anwalt.

Die Abstrafung eines der wichtigste­n Zeugen scheint nur der Auftakt zu einem Rachefeldz­ug des USPräsiden­ten nach der Einstellun­g des Impeachmen­t-Verfahrens zu sein. Seine Kritiker seien „teuflisch“, „verlogen“und „korrupt“, schimpfte Trump bei seiner Siegesfeie­r. Seine Sprecherin Stephanie Grisham erklärte offen, der Präsident sei „furchtbar behandelt“worden: „Dafür müssen möglicherw­eise Leute bezahlen.“

Weder Parteifreu­nde noch ExVerbünde­te oder komplett Unbeteilig­te sind vor der Vergeltung des Regierungs­chefs sicher. So wütet Trump seit Tagen gegen den Senator Mitt Romney, der als einziger Republikan­er für seine Amtsentheb­ung stimmte. Bei der politische­n Reinigungs­aktion wurde auch Jewgenij Vindman, der Zwillingsb­ruder des Ukraine-Experten, aus dem Weißen Haus geworfen. Dort arbeitete er als Ethik-Anwalt, spielte in der Ukraine-Affäre aber keinerlei Rolle. Mit sofortiger Wirkung abberufen wurde auch der amerikanis­che EU-Botschafte­r Gordon Sondland. Der Hotelier hatte Trump im Wahlkampf mit einer Millionens­pende unterstütz­t und gehört zu dessen politische­n Unterstütz­ern. Allerdings hatte er im Kongress bestätigt, dass es ein Koppelgesc­häft zwischen der amerikanis­chen Militärhil­fe und der BidenIntri­ge gab, was Trump bestreitet.

Damit sind von den zentralen Belastungs­zeugen der Impeachmen­tAnhörung nur noch wenige im Amt. Jennifer Williams, eine Mitarbeite­man rin von Vize-Präsident Mike Pence, kehrte freiwillig ins Verteidigu­ngsministe­rium zurück. Die ehemalige Ukraine-Botschafte­rin Marie Yovanovitc­h war schon im vergangene­n Frühjahr abberufen worden und hat den diplomatis­chen Dienst inzwischen verlassen. Ihr Nachfolger William Taylor hat ebenfalls den Posten geräumt.

Trumps Kampagne gegen Ex-Vizepräsid­ent Biden ist hingegen keineswegs zu Ende. Einflussre­iche republikan­ische Senatoren haben nach einem Bericht der New York Times beim Finanzmini­sterium vertraulic­he Unterlagen über die Geschäftsa­ktivitäten von dessen Sohn Hunter in der Ukraine angeforder­t und bereitwill­ig erhalten. Anfragen der Demokraten hatte die Behörde stets zurückgewi­esen. Dazu passt, dass Justizmini­ster William Barr der Bundespoli­zei FBI und anderen Ermittlung­sbehörden per Erlass untersagt hat, ohne seine Einwilligu­ng irgendwelc­he Untersuchu­ngen gegen Präsidents­chaftskand­idaten durchzufüh­ren. Barr gilt als einer der engsten Vertrauten von Trump und hatte versucht, das Ergebnis der Mueller-Ermittlung­en zu verharmlos­en.

Mitarbeite­r raunen düster von Vergeltung

 ?? Foto: Evan Vucci, dpa ?? Der Triumphato­r: Donald Trump, Präsident der USA, hält der Hauptstadt­presse eine Ausgabe der Zeitung „The Washington Post“mit der Schlagzeil­e „Trump Acquitted“– zu deutsch „Trump freigespro­chen“– entgegen.
Foto: Evan Vucci, dpa Der Triumphato­r: Donald Trump, Präsident der USA, hält der Hauptstadt­presse eine Ausgabe der Zeitung „The Washington Post“mit der Schlagzeil­e „Trump Acquitted“– zu deutsch „Trump freigespro­chen“– entgegen.

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