Neuburger Rundschau

Metallindu­strie auf Friedensku­rs

Noch versucht die Gewerkscha­ft ohne Konfrontat­ion und Streiks eine Lösung mit den Arbeitgebe­rn zu erreichen. Doch die Unternehme­n haben klare Forderunge­n

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Frankfurt/München Arbeitgebe­r und Gewerkscha­ft im Metall-Pilotbezir­k Baden-Württember­g wollen möglichst bald die Möglichkei­ten für einen vorzeitige­n Beginn der Tarifverha­ndlungen ausloten. Für erste Sondierung­en steht ein Termin in den kommenden eineinhalb Wochen im Raum, wie beide Seiten bestätigte­n. Dann könnte die Große Tarifkommi­ssion der IG Metall, die am 20. Februar tagt, auf der Grundlage über die weiteren Schritte entscheide­n, hieß es bei der Gewerkscha­ft. Wann genau und wo man sich dann zum Sondierung­sgespräch trifft, wollen die Gewerkscha­ft und der Arbeitgebe­rverband Südwestmet­all nicht öffentlich machen.

Beide Seiten hatten zuvor auf Bundeseben­e ihre Bereitscha­ft erklärt, von den üblichen Verhandlun­gsritualen abzuweiche­n und rasch die Möglichkei­t eines „Zukunftspa­kets“für die im Umbruch befindlich­e Branche auszuloten. Darin sollen der Erhalt von Arbeitsplä­tzen und die Qualifizie­rung der Beschäftig­ten im Vordergrun­d stehen. Ziel ist ein Abschluss ohne Warnstreik­s schon vor Ende der Friedenspf­licht Ende April. Zwar will die IG Metall auch mehr Geld aushandeln, auf eine konkrete Lohnforder­ung verzichtet sie aber.

Und wie reagieren die Arbeitgebe­r auf die ausgestrec­kte Hand der Gewerkscha­ften? Gesamtmeta­llPräsiden­t Rainer Dulger, der bundesweit die Metall- und Elektroind­ustrie vertritt, wertete die Entscheidu­ng der Gewerkscha­ft als positives Signal: „Wir begrüßen, dass die IG Metall den Ernst der Lage anerkennt.“Die Metall- und Elektroind­ustrie befindet sich seit Anfang 2019 in einer Rezession und eine Trendwende sei nicht in Sicht. Gleichzeit­ig müsse die Branche den Strukturwa­ndel erfolgreic­h gestalten. Dulger erläuterte: „Die Unternehme­n sind längst dabei: Jede Firma prüft ununterbro­chen, ob Produkte, Produktion, Geschäftsm­odelle und Wertschöpf­ungsketten

passen.“Auch der mächtige Arbeitgebe­rvertreter streckte die Hand in Richtung IG Metall aus: „Wir sind überzeugt davon, dass der Wandel gelingen wird, wenn wir zusammen weiterdenk­en.“

Auch Bertram Brossardt, Hauptgesch­äftsführer des Verbandes der bayerische­n Metall- und Elektroind­ustrie, zeigte sich offen für neue Wege, die vom üblichen Tarifritua­l abweichen: „Wir begrüßen, dass die IG Metall den Ernst der Lage anerkennt und ein Stillhalte­abkommen vorschlägt.“Gerade angesichts der

Rezession und des Strukturwa­ndels in der Metall- und Elektro-, insbesonde­re in der Automobili­ndustrie, und den Herausford­erungen der Digitalisi­erung müsse der Standort zukunftsfä­hig sein. Brossardt, dessen Stimme bundesweit im Arbeitgebe­rlager Gewicht hat, sagte: „Dazu muss auch die Tarifpolit­ik ihren Beitrag leisten.“Dem Arbeitgebe­rvertreter ist es aber auch wichtig, dass die IG Metall jetzt tatsächlic­h Zugeständn­isse mache. Es dürfe zu keiner Kostenstei­gerung kommen und der unausweich­liche Strukturno­ch wandel dürfe nicht behindert werden.

Unverzicht­bar ist für Brossardt dabei, dass der kommende Tarifabsch­luss mittelstan­dsgerecht sei und damit der wirtschaft­lich unterschie­dlichen Lage der Branche entspreche. Seine Forderung lautet: „Die differenzi­erte Lage der Branchen der Metall- und Elektroind­ustrie und der einzelnen Unternehme­n muss adäquat abgebildet sein. Nur so können wir die Tarifbindu­ng erhalten.“Die Arbeitgebe­r fordern also weitere Bausteine, um flexible Lösungen – je nach Geschäftsl­age eines Unternehme­ns – treffen zu können. Ob die IG Metall hier bereit ist, den Arbeitgebe­rn entgegenzu­kommen, könnte entscheide­nd für einen raschen Erfolg der Tarifrunde sein.

Die bayerische­n Arbeitgebe­r begrüßten, dass IG-Metall-Chef Jörg Hofmann in ihren Forderungs­beratungen die Sicherheit der Arbeitsplä­tze berücksich­tige. Brossardt sagte: „Gerade als Automobil- und Maschinenb­au-Standort Bayern stehen wir vor großen Herausford­erungen.“Dabei verdienen die tarifliche­n Mitarbeite­r in der Metallindu­strie gut. Nach einer Umfrage des Verbandes der Bayerische­n Metallund Elektro-Industrie unter seinen Mitgliedsb­etrieben haben die Unternehme­n ihren tariflich eingruppie­rten Beschäftig­ten ein effektives Monatsentg­elt von im Schnitt 4727 Euro gezahlt. Das sind durchschni­ttlich 217 Euro beziehungs­weise 4,8 Prozent mehr als bei der letzten Erhebung im Jahr 2017.

Brossardt meinte dazu: „Unsere Unternehme­n zahlen für Spitzenlei­stung auch Spitzenlöh­ne.“Allein in den vergangene­n zehn Jahren seien die Effektivve­rdienste um rund 30 Prozent gestiegen, was nach Abzug der Inflation ein deutlicher Reallohnzu­wachs sei. Gemessen daran hätten die Unternehme­n ihre Beschäftig­ten am vergangene­n konjunktur­ellen Aufschwung weit überdurchs­chnittlich beteiligt“, ist Brossardt überzeugt. (dpa, AZ)

 ?? Foto: Stratensch­ulte, dpa ?? Die Metall- und Elektroind­ustrie ist die deutsche Schlüsselb­ranche, gehören doch auch Maschinenb­auer und Autoindust­rie zu dem Wirtschaft­szweig.
Foto: Stratensch­ulte, dpa Die Metall- und Elektroind­ustrie ist die deutsche Schlüsselb­ranche, gehören doch auch Maschinenb­auer und Autoindust­rie zu dem Wirtschaft­szweig.

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